Essen. Wenn Rot-Weiss Essen spielt, gibt es einen Riesen-Ansturm auf die Getränke. Zwischen Stauder und Cola: Unsere Autorin hat am Bierstand geholfen.
„Immer in Kontakt mit dem Zapfhahn bleiben.“ Das ist mein neues Mantra. Es ist Samstag, Rot-Weiss Essen spielt gegen den SSV Ulm und ich zapfe das erste Stauder meines Lebens. Für einen Tag arbeite ich am Getränkestand W1 an der Westtribüne. Beim Heimspiel herrscht hier Hochkonjunktur, an diesem Getränkestand wird der meiste Umsatz gemacht. Das heißt: Getränke bereitstellen im Akkord. Werde ich es schaffen oder werde ich die Fans enttäuschen?
Für das Catering bei RWE ist David Ulrich zuständig. Er betreibt zwei Bierwagen und einen Wurstwagen vor dem Stadion, im Stadion selbst sind es acht Speise- und 14 Getränkeeinheiten. Es gibt Bratwurst und Pommes, Bier und Cola, in den kalten Monaten auch Glühwein. Nachdem Edeka zwischenzeitlich Mars-Produkte aus dem Sortiment genommen hatte, erfreuten sich Mars, Twix und Snickers im Stadion laut Ulrich zuvor ungeahnter Beliebtheit.
Viele Catering-Mitarbeiter sind im RWE-Stadion im Einsatz
„Etwa die Hälfte der Stadionbesucher isst etwas“, ist Ulrichs Erfahrung. Wenn mit rund 17.000 Besucherinnen und Besuchern zu rechnen sei, plane er mit 8000 Brötchen für die Stadionwurst. An einem Spieltag seien in der Regel an den Getränkeständen 85 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Einsatz, an denen Speiseständen 52. Hinzu kommen acht Logistikmitarbeiter und 15 Läufer, die mit Bier im Stadion unterwegs sind.
Nicht jeder mache den Job am Getränkestand aus finanziellen Gründen, sagt Ulrich: „Hier arbeiten auch Ärzte und Lehrer, die den Job während des Studiums angefangen haben und denen das so viel Spaß macht, dass sie immer noch manchmal kommen.“
Mein Arbeitstag am Bierstand startet mit der Abholung meines wichtigsten Kleidungsstückes: einer dunkelgrünen Fleece-Weste mit Stauder-Logo. Ein heiß begehrtes Artefakt, wie Vanessa erklärt. Sie ist heute meine Kollegin. Gleiches gelte für die Stauder-T-Shirts. Sie sei schon von Leuten gefragt worden, ob sie ihnen die Stauder-Klamotten nicht bitte verkaufen könne. „In 30 Jahren gab es bestimmt 2000 T-Shirts und 500 Westen, die nicht mehr den Weg zurück gefunden haben“, bestätigt David Ulrich.
Getränkeverkauf beim Heimspiel von Rot-Weiss Essen: Es muss schnell gehen
Eine halbe Stunde, bevor das Stadion seine Türen öffnet, laufen die Vorbereitungen auf Hochtouren. Susan Ulrich, die Frau von David Ulrich, sorgt dafür, dass der Zapfhahn bereit ist, sobald die Fans anrücken. Kollegin Marie beruhigt mich schon mal provisorisch: „Keine Sorge, es dauert ein bisschen, bis man reinkommt.“ Sie sei da, um mir zu helfen. Ich soll zunächst die alkoholfreien Getränke einschenken.
Wasser und Cola light stelle ich auf dem oberen Brett für den Verkauf bereit, Cola, Sprite und Fanta kommen nach unten. Wichtig beim Cola eingießen: den Becher schräg halten, sonst schwappt der Schaum über, wenn man schnell schüttet. Und schnell muss es schließlich gehen.
Mitarbeiter am Getränkestand im RWE-Stadion: „Man merkt den Fans an, wie es steht“
Fatih Cihan arbeitet seit acht Jahren am Cateringstand bei RWE, bei ihm glüht der Zapfhahn. Der 30-Jährige stellt ihn gar nicht aus, sondern befüllt einen Becher nach dem anderen. Ohne Pause. Etwas anderes bleibt ihm nicht übrig, denn die Fans bestellen pausenlos ihre Getränke. Viele vor dem Spiel, sehr viele kurz vor dem Anstoß und einige auch während des Spiels.
„Man merkt den Fans an, wie es steht. Tore hört man am Jubel, Gegentore hört man eigentlich gar nicht“, sagt Fatih und ergänzt, dass der Job für ihn ein guter Ausgleich zum Berufsleben sei. Sein Bruder Hakan arbeitet mit ihm zusammen am Cateringstand. Einige Fans kennen die beiden, weil sie bei jedem Heimspiel ihre Getränke dort bestellen. Auch Bekannte aus ihrem privaten Umfeld und der Mathelehrer von Hakan kommen ab und an vorbei.
RWE-Getränkestand: Profis bringen ihren eigenen Becherhalter mit
Eineinhalb Stunden vor Spielbeginn öffnet der Cateringstand. Jeder hat hier seine Aufgabe – auch die Fans. Die sind entspannt, geben routiniert ihre Bestellung ab. Ein junger Mann in RWE-Regenjacke bestellt ein Pils, der nächste hätte gerne zwei Pils und ein Radler und zwar ohne Träger. Wer mehrere Getränke bestellt, kann entweder einen Viererträger aus Pappe oder gleich einen Karton zum Transport bekommen. Profis haben eine gehäkelte Kette in Rotweiß dabei, an deren Ende ein Becherhalter baumelt. Dort hinein kommt das Stauder. Softgetränke sind auch, aber seltener gefragt. Ein Fan bestellt tatsächlich einen Früchtetee, Kakao ist an diesem Tag ein echter Ladenhüter.
Mit den Getränken hinterherzukommen, ist gar nicht so einfach. Mal wirkt der Cola-Vorrat gut gefüllt, dann werden nacheinander zwei, drei, vier Becher abgeräumt. Hektisch kippe ich so viel nach, dass der Becher droht überzulaufen. Danach gieße ich ganz vorsichtig Sprite in einen angeschrägten Becher, weil ich vergessen habe, dass Sprite gar nicht so schäumt wie Cola und diese Maßnahme deshalb völlig unnötig ist. Marie beruhigt mich: Ganz normal am Anfang.
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Stauder zapfen im RWE-Stadion will gelernt
Trotz der Hektik ist der Ton hier sehr freundlich, „Darf ich dich um was bitten?“, fragen die Kollegen mich zwischendurch, oder „Kannst du mir bitte ein paar Becher geben?“ Wenn ich gerade nicht einschenke, werfe ich einen Blick auf die gefüllten Becher auf der Theke, schiebe sie ein Stück nach vorne, wenn ein Mitarbeiter von vorne welche für den Verkauf wegnimmt. Ich räume neue Flaschen aus dem Kühlschrank in Griffweite. Dann ist der Cola-Vorrat wieder aufgebraucht. Und ein Stück weiter oben throhnt einsam und allein der letzte Becher Cola light. Schnell auffüllen.
Wasser scheint an diesem Tag nicht so beliebt zu sein. „Das kommt im Sommer wieder“, weiß David Ulrich. 208 Fässer mit je 50 Litern Bier werden an diesem Tag im kompletten Stadion gebraucht werden. Apropos Bier. Mein großer Stauder-Moment steht noch aus. Wie jeder weiß, besteht die Kunst darin, die ideale Schaumkrone zu erzeugen. Nicht zu groß, nicht zu klein. Dafür muss ich den Becher schräg halten und genau im richtigen Moment drehen. Schaffe ich das? Nein, erstmal natürlich nicht.
Rot-Weiss Essen: Abseits des Rasens
Rot-Weiss Essen spielt seit 2022 in der 3. Liga. Neben der Spielberichterstattung wollen wir auch spannende und emotionale Geschichten abseits des Rasens erzählen. Wir stellen die Einlaufkinder vor, porträtieren Fans, sind bei Autogrammstunden dabei und checken das Angebot im Fanshop.
Verbindet auch Sie eine besondere oder persönliche Geschichte mit RWE, haben Sie Ihr Haustier nach einem Fußballspieler benannt oder im Stadion einen Heiratsantrag gemacht? Dann melden Sie sich per E-Mail an redaktion.stadtteile-essen@waz.de. Mehr Foto- und Videoinhalte finden Sie auf unserem Instagram-Account @waz_essen und unter dem Hashtag #wazxrwe.
Fazit: „Du warst eine echte Hilfe“
Mein Stauder gibt es nur in zwei Varianten: entweder mit zweimal so viel Schaum wie Bier oder übergelaufen. Bei einem Versuch nach dem anderen fließt die gelbe Suppe über meine schwarzen Plastikhandschuhe. „Das geht allen am Anfang so“, versichert mir Susan Ulrich. Und dann gibt sie mir den entscheidenden Tipp: „Immer in Kontakt mit dem Zapfhahn bleiben.“ Tatsächlich, wenn das Glas den Hahn dauerhaft berührt, dann gelingt ein ansehnliches Bier. Vielleicht noch nicht perfekt, aber doch ganz gut.
Fazit: Aller Anfang ist schwer, aber wenn man ein bisschen geübt hat, macht die Arbeit Spaß. Nach und nach schärft sich der Blick dafür, wo es gerade brennt. Außerdem wird man schneller. „Du warst eine echte Hilfe“, sagt Susan Ulrich am Ende. Und sie bescheinigt mir ausreichende Qualitäten, um künftig auf jedem Nachbarschafts- oder Gemeindefest am Zapfhahn zu stehen. Wenn das kein Ritterschlag ist.
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