Essen-Kettwig. Vor einer Woche wurde die Durchfahrt an der Werdener Straße aus Sicherheitsgründen gesperrt. Doch längst nicht alle halten sich daran.
Als nach den schweren Regenfällen vor gut einer Woche ein Hang an der Werdener Straße in Essen-Kettwig in Bewegung geriet, war dies dem Landesbetrieb Straßen.NRW eine eher kleine Meldung wert. Gesperrt wurde der Bereich zwischen der östlich gelegenen „Fels-Quelle“ und Charlottenhofstraße jedoch umgehend, um mit den schwierigen Erdarbeiten unter Regie der Stadt Essen beginnen zu können. Probleme gibt es aber wohl auch in Sachen Verkehrssteuerung, wie unser Baustellen-Besuch beweist.
Weit und breit keine Baumaschinen oder Arbeiter in Sicht
Kettwig, Werdener Straße, 10.30 Uhr: Es ist ruhig an der Hang-Baustelle in Höhe des Abzweigs Charlottenhofstraße. Nicht eine einzige Baumaschine ist zu sehen, auch keine Arbeiter mit Kettensägen oder ähnlichem Gerät. Nichts. Der nervige Nieselregen gibt der Szenerie einen eher trist-verlassenen Anstrich. Doch das ist nichts im Vergleich zu extremen Regenfällen, die den ganzen Schlamassel am 8. Februar auslösten und den Ruhrverband zu einer erneuten Hochwasser-Warnung im Einzugsbereich der Ruhr veranlassten.
Nur die rot-weißen Baken, die die Durchfahrt in Richtung Essen-Werden abriegeln sollen, deuten auf den Gefahrenbereich hin, dem die Stadt Essen offensichtlich eine hohe Priorität zuweist. „Die Arbeiten einer beauftragten Spezialfirma sollen umgehend beginnen“, kündigte Stadtsprecherin Jacqueline Riedel schon vor Tagen auf Nachfrage an. Und einen ersten Arbeitsnachweis gibt es bereits. Der Hang wurde kräftig gerodet, ein großer Baumstamm-Stapel auf der gegenüberliegenden Straßenseite zeugt davon.
Der Hangrutsch in Essen-Kettwig sieht harmloser aus, als er ist
Ein hinter der Barriere parkender Pkw erweckt das Interesse von Hauptkommissar Gerold Quenter. Der Beamte aus Heiligenhaus in Diensten der Polizei Essen-Süd kommt nach eigenem Bekunden nur aus „persönlicher Neugier“ vorbei. „Coburger Kennzeichen“ stellt er eher beiläufig fest, um dann den Blick über den nun großenteils kahlen Berghang schweifen zu lassen. „Das sieht eigentlich ganz harmlos aus“, sagt er, „aber unter der Erdschicht befindet sich gefaltenes Gestein. Wenn die Wurzeln nicht wären, sähe das hier ganz anders aus.“
Hauptkommissar Quenter hat diesbezüglich schon so seine Erfahrungen gesammelt und erinnert sich an das Jahr 2017 zurück, als Ende Dezember an der Laupendahler Straße schon einmal ein Hang ordentlich ins Rutschen kam. Damals hatte Grün und Gruga im Bereich zwischen der Straße In der Borbeck und Hohensteinweg ordentlich zu tun, um Schlimmeres zu verhindern. Vor Ort mussten rund 45 Bäume gefällt werden. Laut Angaben der Stadt ging dort auch auf etwa 30 Quadratmetern Fels ab.
Aus Quenters Vorsatz, sich den Hang „nur einmal von der Nähe anzuschauen zu wollen“, wird allerdings nichts, denn plötzlich wird es munter auf der Baustelle. Aus Richtung Kettwig kommt Dirk Behrens angeradelt – auf dem Rennrad und in voller Montur. Dass Hauptkommissar Quenter ihn nun nach exakt 40,72 Kilometern in den Beinen ausbremst, nimmt der 53-Jährige aus Werden eher sportlich und hat sogar einen kessen Spruch auf den Lippen: „Die Baustelle stört mein Intervall-Training“, erklärt er schmunzelnd.
Unterschiedliche Beschilderung an beiden Seiten der Baustelle sorgt für Verwirrung
Was Behrens wundert: „Hier dürfen nicht mal Fußgänger durch. Aber bei uns unten in Werden steht überall ,Fußgänger frei‘. Das ist schon komisch.“ Auch meinen Hinweis auf die vom Stadtamt Straßen und Verkehr eingerichtete Umleitung über die Ringstraße und Ruhrtalstraße (aus Richtung Kettwig) und umgekehrt von Osten aus Werden kommend, nimmt er nur skeptisch zu Kenntnis: „Ausgeschildert ist da zumindest auf Werdener Seite nichts. Das wäre mir aufgefallen.“
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Nach einem kurzen Plausch lässt Polizist Quenter Gnade vor Recht ergehen und Dirk Behrens tritt wieder kräftig in die Pedale Richtung Heimat. Dafür meldet sich nun eine kleine Kolonne Fahrzeuge aus Richtung Werden an. Aus Aachen, Mülheim und Essen sind die Neuankömmlinge unterwegs. Sie alle müssen bereits unerlaubt die Barriere kurz hinter der Zufahrt zum Campingplatz Cammerzell passiert haben. „Die Barriere dort schaue ich mir später an“, sagt Quenter und lässt – nach einer kurzen Belehrung – auch diese drei „Sünder“ durchfahren. „Jetzt ist aber Schluss, sagt er. „Wir machen jetzt hier dicht.“
Immer neu Pkw fahren durch die abgesperrte Baustelle am Hangrutsch
Allerdings nicht, ohne vorher noch mit zwei Mitarbeitern von Straßen.NRW zu sprechen, die ebenfalls auf der Werdener Straße in Richtung Kettwig unterwegs sind. „Nein, nein, mit der Umleitung haben wir nichts zu tun“, beteuert einer von ihnen. „Wir haben hier nur abgesperrt.“ Man sei gerade auch nicht einmal dienstlich unterwegs, wolle aber die Sache melden, „weil es da wohl Missverständnisse gibt“.
Auf dem Weg zum Werdener Bahnhof, chauffiert im Polizeiwagen, kommen wir an der Sperre am Campingplatz vorbei. Die steht sperrangelweit offen. Niemand weiß, wie viele hier heute schon einfach durchgebraust sind. Auch nicht die beiden Arbeiter, die dort geschäftig auf eine Wiese der Zeltanlage werkeln. Hauptkommissar Quenter rückt auch hier die Verhältnisse gerade, dann geht es weiter zum Werdener Bahnhof. Auf der Fahrt kommt uns ein schwerer Lkw entgegen. „Der wird nicht wenden“, befürchtet Quenter und hofft, dass bald die Umleitung funktioniert.
Und da sieht es nach Aussage der Stadt ganz gut aus. „Das Aufstellen der Schilder für die Umleitung wurde umgehend veranlasst, allerdings müssen diese aufgrund der Notmaßnahme kurzfristig gedruckt werden, was erfahrungsgemäß einige Tage in Anspruch nimmt“, gibt Stadtsprecherin Jacqueline Riedel zu Protokoll. Die Schilder sollen bereits am Montag, 19. Februar, vor Ort stehen – beidseitig des gesperrten Bereichs. Auch habe man das Schulamt informiert, dass auch Schulbussen keine Sondergenehmigung zur Durchfahrt gewährt wird, so die Stadtsprecherin weiter.
Zwischenzeitlich ließ die Stadt übrigens ein Gutachten erstellen. „Nächste Woche Freitag gibt es ein Treffen zwischen dem Amt für Straßen und Verkehr, Grün und Gruga, Straßen.NRW und dem Gutachter, um zu klären, wie das weitere Vorgehen bezüglich des Hangrutsches ist“, sagt Riedel.
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