Essen. Wer in Essen neue Büroräume sucht, muss sich im Bestand umschauen. Leere Büros gibt es dort zwar zuhauf, aber kaum jemand will sie.
Die Baukrise hat mittlerweile tiefe Spuren am Essener Büromarkt hinterlassen. Wenn momentan noch Bürohäuser in der Stadt neu entstehen, dann bauen dort fast ausschließlich Unternehmen oder Einrichtungen für sich selbst. Beispiele sind Deichmann, Opta data oder die private Hochschule FOM.
Im vergangenen Jahr sind in der Stadt gerade einmal 5000 Quadratmeter Büroraum fertiggestellt geworden. Davon ist heute schon kein einziger Quadratmeter mehr zu mieten, schreibt das Maklerunternehmen Cubion in seinem Büromarktbericht. „Das ist ein Tiefpunkt“, unterstreicht Cubion-Vorstand Markus Büchte.
Büromieten in Essen noch zu günstig
Viele größere Neubauprojekte liegen momentan auf Eis, weil sich keine großen Mieter finden, die Mietpreise jenseits von 20 und mehr Euro pro Quadratmeter zahlen wollen. Solche Mietpreise aber bräuchte es, um die Pläne bei gestiegenen Zinsen und Baukosten wirtschaftlich umzusetzen. Die Spitzenmieten aber liegen derzeit bei 17 bis 18 Euro pro Quadratmeter.
Doch nicht nur neue Büros sind Mangelware: Wer größere, modern ausgestattete Büros in guten Lagen sucht, tut sich auch im Bestand schwer. Die Essener Wirtschaftsförderung (EWG) schaut mit einer gewissen Sorge auf die derzeitige Situation: „Wenn ein Unternehmen kurzfristig moderne Büros anfragt, dann können wir nicht liefern“, sagt Andreas Hill. Er verantwortet bei der EWG das Thema Flächen und Immobilien. Das jüngste Beispiel, so Hill, sei der Duisburger Stahlhändler Klöckner gewesen, der auf der Suche nach einer neuen Konzernzentrale auch in Essen angeklopft hatte, schließlich aber in der Nähe des Düsseldorfer Flughafens fündig geworden ist.
Büro-Leerstand in Essen weiter hoch
Im Grunde hat Essen keinen Mangel an Büros. Ende des Jahres standen im gesamten Stadtgebiet zwischen 190.000 und 210.000 Quadratmeter leer. Die Angaben weichen in den Berichten der EWG und der Maklerunternehmen leicht ab. Leerstand bedeutet, dass die Büros kurzfristig – binnen drei Monaten – angemietet werden könnten. Die Zahl der verwaisten Büroflächen war während der Corona-Pandemie deutlich angestiegen und hat sich seither auf einem recht hohen Niveau gehalten.
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Das große Problem ist: Die meisten dieser Arbeitsräume sind nur einfach bis mittel ausgestattet. Makler berichten unisono, dass es dafür vergleichsweise wenig Nachfrage gibt. „Wenn diese Immobilienbesitzer weiter ernstzunehmend vermieten wollen, dann müssen sie etwas tun. Sonst fallen ihre Immobilien hinten runter“, warnt auch Hill.
Essen braucht entweder mehr Neubau oder mehr Sanierung
„In der Regel heißt das, richtig viel Geld in die Hand zu nehmen“, sagt Büchte. Denn die alten Bürohäuser müssten nahezu auf Neubaustandard saniert werden. Nicht jeder Altbau aber lasse sich technisch und wirtschaftlich auf dieses Niveau heben. Gute Beispiele aber gibt es, wo alten Büroimmobilien ein zweites Leben eingehaucht wird. So wird gerade das Gildehof-Gebäude am Varnhorst-Kreisel neu aufgestellt. Auch der Eigentümer des Siemens-Hauses in der Kruppstraße 16 hat angekündigt, zu investieren. „Wenn Eigentümer ihre Gebäude revitalisieren, dann sind auch solche Flächen in guten Lagen wieder gefragt“, betont Tobias Altenbeck, Geschäftsführer beim Maklerunternehmen Brockhoff.
Warum sich Unternehmen heute nicht mehr mit mittelmäßigen Büros abfinden wollen, hat mehrere Gründe. Gerade größere Unternehmen müssen - auch gegenüber Aktionären - stärker auf ihren „grünen Fußabdruck“ achten. Das heißt, Büros brauchen einen hohen energetischen Standard. Ein weiterer wichtiger Punkt sind die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen. „Wer im Kampf um Fachkräfte mithalten will, muss seiner Belegschaft etwas bieten“, sagt Altenbeck. Das gilt auch, wenn es darum gehe, die Beschäftigten aus dem Homeoffice wieder vermehrt ins Büro zu locken.
Großer Leerstand droht rund um den RWE-Turm
Unterdessen werden auch in diesem Jahr nicht viele neue Büros auf den Markt kommen, die noch zu mieten sind. Auch der Leerstand dürfte weiter zu nehmen: Allein durch den Auszug des Eon-Tochterunternehmens Westenergie aus dem RWE-Turm und den Nebengebäuden könnten in diesem Jahr mehrere zehntausend Quadratmeter dazukommen. „Das ist derzeit das Damoklesschwert“, das über der Leerstandstatistik schwebt, sagt Hill. Doch auch dieser Gebäudekomplex am Opernplatz, Baujahr 1996, ist mittlerweile in die Jahre gekommen. Deshalb gehen Makler davon aus, dass zunächst investiert werden muss, bevor die Flächen wieder erfolgreich vermietet werden können.
Hill glaubt, dass sich die Büroentwicklung in Essen verändern wird: Neue Projekte auf schon vorher genutzten Flächen in guten Lagen werden weiterhin funktionieren. „Aber wir brauchen keine Entwicklungen mehr auf der grünen Wiese“, so der EWG-Manager. Außerdem werde es eine Abkehr von reinen Bürokomplexen geben, hin zu Quartiersentwicklungen mit gemischten Nutzungen. Solche Monostrukturen dürften auch schon deshalb ein Auslaufmodell sein, um künftig Risiken in Krisenzeiten zu mindern.
Kennzahlen zum Büromarkt in Essen
Im vergangenen Jahr sind in Essen 112.500 Quadratmeter Bürofläche vermietet worden. Das war weniger als im Vorjahr. Vor allem der Stadtverwaltung Essen ist es zu verdanken, dass es am Büromarkt dennoch vergleichsweise glimpflich lief. Sie sorgte mit der Anmietung des Siemensgebäudes an der Kruppstraße für den größten „Deal“ mit 16.000 Quadratmetern. In die Immobilie soll die Ausländerbehörde einziehen. Für das Schulamt mietet die Stadt außerdem 4500 Quadratmeter im Gildehof 1 an und die städtische Jugendhilfe bezog 3300 Quadratmeter in der Max-Keith-Straße.
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