Essen. Der ADAC fragte Auto- und Radfahrer, Fußgänger und ÖPNV-Nutzer zu ihrer Zufriedenheit mit dem Verkehr in Essen. Stadt kommt dabei nicht gut weg.

Ernüchterndes Ergebnis einer groß angelegten Umfrage und Verkehrsstudie des ADAC: Befragt nach der Zufriedenheit mit ihrer persönlichen Mobilität gaben die Essener ihrer Stadt vielfach mäßige bis schlechte Noten. Unter den 15 größten deutschen Städten landete Essen im unteren Drittel und belegt Platz 12 - knapp vor Stuttgart, Köln und Duisburg auf den letzten Plätzen. Am zufriedensten mit der Mobilität in ihrer Stadt sind die Menschen in Dresden, gefolgt von Leipzig und München.

Der ADAC ist historisch eine Interessenvertretung der Autofahrer, aber seit geraumer Zeit um Erweiterung in Richtung Mobilitätsverband bemüht. Folglich wurden nicht nur Autofahrer, sondern in allen Städten auch Bürger befragt, die vorwiegend mit Bus und Bahn, dem Fahrrad und zu Fuß unterwegs sind. Alle vier Verkehrsarten flossen gleichrangig zu jeweils 25 Prozent in die Gesamtbewertung ein. Befragt wurden bundesweit rund 9000 Menschen, darunter ca. 600 in Essen, bewertet wurde nach dem Schulnotensystem von „sehr gut“ bis „ungenügend“.

Kritikpunkte der Essener spiegeln die Debatten in der Stadt wider

Auffallend: Die Zufriedenheit von ÖPNV-Nutzern und Fußgängern war in Essen tendenziell noch geringer als die von Auto- und Radfahrern und trug zum schlechten Abschneiden maßgeblich bei. Die genauen Kritikpunkte der Essener Verkehrsteilnehmer überraschen allerdings letztlich kaum und spiegeln die Debatten wider, die in der Stadt seit vielen Jahren zum Thema Verkehr geführt werden.

So sind 46 Prozent der Autofahrer unzufrieden mit dem Baustellenmanagement an den Straßen, nur neun Prozent attestieren der Stadtverwaltung hier einen guten Job. 36 Prozent halten den Straßenzustand für lausig, nur zwölf Prozent für gut, der große Rest nimmt eine Mittelposition ein. Das Parkraumangebot in der Innenstadt empfinden 42 Prozent als schlecht, 48 Prozent sind die Parkgebühren dort zu hoch. 51 Prozent haben etwas am Verkehrsverhalten der E-Scooter-Fahrer auszusetzen, 34 Prozent an dem der Radfahrer und immerhin noch 27 Prozent an dem anderer Autofahrer.

Beim Thema Staus sind Autofahrer nicht so unzufrieden wie man denken könnte

Immerhin: Bei der Frage, ob sie Ziele in der geplanten Zeit erreichen oder durch Staus behindert werden, sagen nur 28 Prozent, dass sie in diesem Punkt unzufrieden sind, 16 Prozent sind zufrieden, 53 Prozent wählten eine mittlere Antwort, was wohl bedeutet: mal geht es gut, mal nicht. Das Parkraumangebot in ihrem Umfeld bewerten 32 Prozent als gut, 28 Prozent als schlecht - hier dürfte wohl entscheidend sein, ob man in dicht oder eher weitläufig besiedelten Stadtteilen lebt. Zur Lade-Infrastruktur für E-Autos geben 63 Prozent an, dass diese für sie irrelevant ist, 14 Prozent sind unzufrieden, nur acht Prozent zufrieden.

Die Nutzer von Bus und Bahn in Essen stört besonders die Informationspolitik der Ruhrbahn bei Störungen. Hier sind nur 19 Prozent zufrieden, aber 35 Prozent unzufrieden. An der Pünktlichkeit haben 29 Prozent sehr viel auszusetzen, nur 23 Prozent loben die Leistung der Ruhrbahn, der große Rest verortet seine Erfahrungen irgendwo in der Mitte.

Sicherheitsgefühl an den Haltestellen schlechter als in Bussen und Bahnen

Besser schneidet Essen in puncto Haltestellendichte (48 Prozent zufrieden), Länge der Wege beim Umsteigen (45 Prozent zufrieden) und Sicherheitsgefühl in den Fahrzeugen (38 Prozent zufrieden) ab. Gerade bei letzterem Punkt hätte man vielleicht mehr Unzufriedenheit erwartet als 18 Prozent. Beim Sicherheitsgefühl an den Haltestellen ist die Bilanz mit 25 zu 22 Prozent dann aber nur noch leicht positiv.

An der Huyssenalle gelang es, Verkehrsraum im großen Stil zugunsten des Radverkehrs umzuverteilen. Schwierig wird es dann aber an den großen Kreuzungen bzw. Kreisverkehren.
An der Huyssenalle gelang es, Verkehrsraum im großen Stil zugunsten des Radverkehrs umzuverteilen. Schwierig wird es dann aber an den großen Kreuzungen bzw. Kreisverkehren. © FUNKE Foto Services | Kerstin Kokoska

Die Essener Radfahrer kritisieren in der ADAC-Umfrage vor allem das Verhalten von E-Scooter-Fahrern (42 Prozent unzufrieden) und Autofahrern (32 Prozent unzufrieden), während man mit anderen Radfahrern eher nachsichtig ist: Nur 18 Prozent haben an anderen Radlern viel auzusetzen. Bei der Durchgängigkeit des Radwegenetzes überwiegt mit 27 zu 24 Prozent nur knapp die harsche Kritik das Lob, allerdings erntet die Radverkehrsführung an Kreuzungen (31 zu 19 Prozent) schon deutlich mehr Ablehnung - Indiz für eine differenzierte Betrachtung.

Insgesamt plagt 30 Prozent der Radler die Angst vor Unfällen, nur 23 Prozent sehen diesen Punkt gelassen. Das mag auch mit der Durchgängigkeit des Wegenetzes zu tun haben, mit der nur 24 Prozent zufrieden sind, 27 Prozent aber nicht. Staus und die damit verbundene Zuverlässigkeit der Zielerreichung spielen immerhin nur für acht Prozent der Radfahrer eine negative Rolle, satte 47 Prozent sind in diesem Punkt zufrieden. Anscheinend wissen sich Radler zu helfen, wenn es auf der Straße auch für sie einmal stocken sollte.

Radfahrer haben ein positives Selbstbild, das Fußgänger und Autofahrer nicht ganz teilen

Das „Feindbild“ Nummer eins ist auch für die Essener Fußgänger der E-Scooter-Fahrer. 53 Prozent sind mit deren Verhalten unzufrieden. Interessantes Detail: Mit Radfahrern haben Fußgänger zu 34 Prozent ihre Probleme, weit mehr als mit den Autofahrern, deren Verhalten nur zu 22 Prozent Unzufriedenheit auf sich zieht. Das positive Selbstbild der Radfahrer entspricht somit nur bedingt ihrem Image bei anderen Verkehrsteilnehmern. Autofahrer hingegen gehen mit ihresgleichen zumindest in der Umfrage sogar kritischer ins Gericht gehen als es die Fußgänger tun.

Was 41 Prozent der Fußgänger schmerzlich vermissen, sind Sitzgelegenheiten entlang der Gehwege, was in besonderer Weise die offenbar zu wenig beachteten Bedürfnisse einer alternden Gesellschaft verdeutlichen mag. In Essen wie auch anderen NRW-Städten sind zudem mehr Fußgänger mit der sozialen Sicherheit unzufrieden als zufrieden: 34 zu 17 Prozent lautet hier das Verhältnis. Wenig Beanstandungen gibt es in Essen hingegen bei gesicherten Überquerungsmöglichkeiten und deren Beleuchtung, der Wartezeit an Ampeln sowie der Breite der Gehwege.

In der Summe sind zwar - anders als in Köln oder Duisburg - immer noch mehr Essener zufrieden mit ihrer persönlichen Mobilität als unzufrieden, aber der Abstand ist sehr klein. Und: Seit der letzten Erhebung dieser Art im Jahr 2017 ist die Zahl der Unzufriedenen in Essen wie auch in fast allen anderen Großstädten noch einmal stark gewachsen.

Bilanz: Zunehmende Flächenkonkurrenz stellt Städte vor große Herausforderungen

„Die zunehmende Flächenkonkurrenz sowie höhere Erwartungen an Verkehrssicherheit, Umwelt- und Gesundheitsschutz stellt die Städte vor große Herausforderungen“, bilanziert Prof. Roman Suthold, Mobilitätsexperte des ADAC in NRW, die Umfrageergebnisse. „Der Verkehr ist stark gewachsen, der Platz auf der Straße aber derselbe geblieben.“ Das spiegele sich in Staus, längeren Pendelzeiten oder vollen Bussen und Bahnen wider.

Die steigende Pkw-Dichte pro Einwohner aufgrund weiter wachsender Zulassungszahlen verstärke zudem den Parkdruck. Zwar würden die Städte zunehmend versuchen, Alternativen zum Pkw-Verkehr zu stärken, doch die Umsetzung sei in der Regel langwierig und von kontroversen Debatten begleitet. Der ÖPNV leide zudem unter Fachkräftemangel. „All das verstärkt erst einmal die Unzufriedenheit vieler Verkehrsteilnehmer mit der Mobilität in ihrer Stadt“, so Suthold.