Essen. Mit Arschbomben-Contest und Gratis-Eintritt sollen Kinder an Zollverein herangeführt werden. An ihnen hängt nämlich die Zukunft des Welterbes.

Wer jetzt beim Arschbomben-Contest auf Zollverein ins Wasser springt, entscheidet später über die Zukunft des Welterbes: Auf diese Formel bringt es Hans-Peter Noll, Vorsitzender der Stiftung Zollverein. Er weiß, dass die Essener zunächst damit gefremdelt haben, aus der ehemaligen Zeche ein Welterbe zu formen. Einen Ort, auf den sie stolz sind, einen Ort, in den sie investieren wollen. Jetzt sei man auf einem guten Weg. Damit das so bleibt, wird das Projekt „Zollverein – das Quartier“ fortgesetzt.

Seit zwölf Jahren bildet es die Schnittstelle zwischen dem Unesco-Welterbe im Essener Norden und den Menschen der umliegenden Stadtteile Katernberg, Schonnebeck und Stoppenberg. Ziel ist es, Zollverein als sozialen Treffpunkt zu gestalten. Das heißt: Den Standort zu einem lebendigen Ort zu machen und darüber auch den Menschen in den an das Welterbe angrenzenden Stadtteilen mehr Teilhabe daran zu ermöglichen.

Die hustenden Bergleute standen bei meinem Vater in der Apotheke.
Anneliese Rauhut, Vorsitzende der Gesellschaft der Freunde und Förderer der Stiftung Zollverein

Das fängt bei einer Tischtennisplatte auf dem Gelände an und hört beim freien Eintritt in Ruhr Museum und bei Führungen auf Zollverein für Essener aus dem Stadtbezirk 6 noch nicht auf, weiß Anneliese Rauhut, Vorsitzende der Gesellschaft der Freunde und Förderer der Stiftung Zollverein, die das Projekt unterstützt. Rauhut ist selbst in unmittelbarer Nachbarschaft zur Zeche Zollverein groß geworden. Sie kannte die Mauern um die Zeche, als dort noch Kohle gefördert wurde: „Die hustenden Bergleute standen bei meinem Vater in der Apotheke.“

Später hätten die Bürger dem Welterbe kritisch und teils ablehnend gegenüber gestanden. Kritisiert wurde unter anderem, dass Millionen öffentlicher Gelder darein geflossen sind. Mittlerweile seien die Menschen wieder stolz auf das, was dort entstanden ist. Ein Schwerpunkt des Projekts „Mein Quartier“ liegt auf Angeboten für Kinder und Jugendliche aus dem Bezirk, die sich vor Ort mit der bergbaulichen Geschichte ihrer Heimat auseinandersetzen können.

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Dazu gehören Rundfahrten über das Gelände des Weltkulturerbes, Führungen für Kinder und ein Besuch im Ruhr Museum genauso wie Ausflüge zur Eis- und Rollschuhbahn, Poetry-Slam-Workshops und das Open-Air-Kino. Durch diverse Kooperationen mit Kindertageseinrichtungen, Grund- und weiterführenden Schulen sollen Kinder aus den umliegenden Stadtteilen an das Welterbe herangeführt werden. „Mir ist besonders wichtig, das Welterbe nahbar zu machen und einen sozialen Mittelpunkt zu schaffen“, sagt Bärbel Bergerhoff-Wodopia, Vorstandsmitglied der RAG-Stiftung, die das Projekt finanziell fördert.

Inklusion und Demokratieverständnis als Schwerpunkte auf Zollverein

Anneliese Rauhut, (Gesellschaft der Freunde und Förderer der Stiftung Zollverein), Hans-Peter Noll (Stiftung Zollverein) und Bärbel Bergerhoff-Wodopia (RAG-Stiftung), zeigen den Ergebnisbericht zum Projekt „Zollverein – das Quartier“.
Anneliese Rauhut, (Gesellschaft der Freunde und Förderer der Stiftung Zollverein), Hans-Peter Noll (Stiftung Zollverein) und Bärbel Bergerhoff-Wodopia (RAG-Stiftung), zeigen den Ergebnisbericht zum Projekt „Zollverein – das Quartier“. © FUNKE Foto Services | Christof Köpsel

In Zukunft soll dabei das Thema Inklusion noch mehr in den Mittelpunkt gerückt werden. Auf der Eisbahn gab es in der gerade beendeten Saison spezielle Zeiten für Rollstuhlfahrer, beim Arschbomben-Wettbewerb sprang Ratsherr Ralf Bockstedte ebenfalls mit seinem Rollstuhl ins Becken des Werkschwimmbads.

Bärbel Bergerhoff-Wodopia betont, dass es zudem wichtig sei, die Werte der Bergleute weiterzuleben, ohne das Leben unter Tage zu beschönigen. Das Thema Demokratie müsse verstärkt in die Projektgestaltung einbezogen werden: „Es wird höchste Zeit, sich darüber noch mehr Gedanken zu machen.“

Im besten Fall war also jedes Kind, jeder Jugendliche aus Katernberg, Stoppenberg und Schonnebeck auf dem Gelände der Zeche Zollverein, bevor es seinen Schulabschluss hat. „Das Welterbe ist bei den Menschen angekommen, das Interesse ist da“, sagt Noll. Die Leute seien wieder stolz auf ihr Welterbe. Müssten dann nicht auch die Stadtteile im oft als „abgehängt“ bezeichneten Essener Norden von dem Welterbe profitieren?

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100 Unternehmen im Gründerzentrum Triple Z, 500 Studierende am Folkwang-Campus, Beschäftigte in Ruhr Museum und Red-Dot-Design-Museum – auf dem Zollverein-Gelände wimmelt es von Kreativschaffenden. Im besten Fall würden sich jene, die auf Zollverein arbeiten, lehren und lernen auch gerne in Katernberg, Stoppenberg und Schonnebeck aufhalten, dort einkaufen und vielleicht sogar wohnen.

Zollverein-Effekt in angrenzenden Stadtteilen

„Dazu braucht es einen langen Atem“, sagt Hans-Peter Noll und Rauhut ergänzt, dass einige Schritte schon getan wurden: „Die Aktivitäten des Welterbes strahlen in den Stadtteil.“ Besucher von Zollverein seien mittlerweile durchaus ein Wirtschaftsfaktor in Stoppenberg, das wisse sie aus Gesprächen, unter anderem mit dem Konditor Pauelsen und der Fleischerei Ziegler. Problematisch seien sicher noch die Leerstände an der Gelsenkirchener Straße.

Um den Zollverein-Effekt noch zu verstärken, brauche es laut Noll aber viele Akteure: Wohnungsbaugesellschaften, Einzelhändler und die Politik seien genauso gefordert wie die Stiftung Zollverein. Rauhut lässt auf ihre Heimat nichts kommen: „Nicht umsonst heißt Stoppenberg mittlerweile das Bredeney des Essener Nordens.“

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