Essen-Katernberg. Als Humorverein gegründet, später Stütze im Weltkrieg und heute noch aktiv: Der Bürgerverein Beisen hat alte Fahnen an das Ruhr Museum übergeben.
Die Zechenkolonie „Königreich Beisen“ an der Grenze zu Gelsenkirchen war eine kleine Welt. Auf Zollverein wurde malocht und im Schatten des Fördergerüsts von Schacht 3/7/10 dunkelrot gewählt. Der Bürgerverein Katernberg-Beisen von 1881 ist einer ältesten, wenn nicht gar der älteste Bürgerverein in Essen.
Vor 143 Jahren als Humor- und Geselligkeitsverein gegründet, später dann als „Rauchclub“ weitergeführt, unterstützte er im Ersten Weltkrieg Witwen und Waisen. Inflation und der nächste Weltkrieg verschärften die soziale Not. Der Verein half und ist mit seinen rund 70 Mitgliedern auch heutzutage ein ernstzunehmender Faktor im Stadtteil.
So viel Tradition spiegelt sich auch in lieben Erinnerungsstücken wider, die über 100 Jahre auf dem Buckel haben: Vereinsfahnen mit Stangen und Metallspitzen wurden im Gründungslokal „Beisen-Schänke“ hinter Glas aufbewahrt. Eine aus dem Jahr 1931, also zum 50-jährigen Jubiläum, dahinter die erste Fahne aus dem Jahr 1884. Die war allerdings schon sehr mitgenommen. Das müsse dringend in kundige Hände, sagt der Vorsitzende Georg Lantin: „Wir haben die Fahne ohnehin kaum noch herausgeholt, höchstens für Beerdigungen.“
Den Fachleuten des Ruhr Museums vertraute man die „alten Schätzchen“ an. Lantin und sein Stellvertreter Marc Zietan fahren auf Zollverein die Rolltreppe hinauf bis zum Kassenbereich des Ruhr Museums auf 24 Metern. Dort wartet schon Andreas Zolper, wissenschaftlicher Mitarbeiter und zuständig für die Sammlungsverwaltung im Bereich „Industrie- und Zeitgeschichte“.
Ruhr Museum in Essen: „begrenzte Möglichkeiten“
Man bekomme viel Erhaltenswertes angeboten, sagt Zolper lächelnd: „Was nicht so alles auf Essener Dachböden schlummert.“ Und doch könne man beim besten Willen nicht grenzenlos annehmen: „Wir haben nur begrenzte Möglichkeiten. Auch muss es in unser Sammlungskonzept passen.“ Doch die Fahne von 1931 sei durchaus interessant, da sie stilistisch noch nicht von der Moderne beeinflusst sei. Und schließlich seien die Beisener gute Nachbarn.
Diplom-Restauratorin Melanie Dorpmann nickt: „Wir können nicht eine Sammlung von sagen wir 130 Bügeleisen aufnehmen.“ Sie leitet die im Erdgeschoss gelegene konservatorische Abteilung: „Bei uns sind die Fahnen in guten Händen.“ Man habe die jüngere Fahne nur trocken reinigen müssen, und schon seien die wunderschönen Farben wieder zum Vorschein gekommen: „Sie ist in einem erstaunlich guten Zustand. Ein hochwertiges Tuch.“ Das bei den schmückenden Eichenblättern und den verschränkten Händen eingesetzte gefärbte Garn lasse eine Tiefenwirkung entstehen. Wie auch die Fahne von 1884 wird sie zukünftig in eigener Schublade auf säurefreiem Papier aufbewahrt.
Essener Bürgerverein dient der Geselligkeit
Wieder oben auf 24 Metern, berichten die Vorständler vom Vereinsleben. Bei Bürgerversammlungen informiere man über Themen wie Gesundheitskiosk, Trickbetrüger und Ambulanter Hospizdienst. Man helfe beim Sauberzauber, bei „Katernberg macht sich schön“ und unternehme jährlich einen Ausflug. Dazu noch regelmäßige Treffen, so der pensionierte Schulleiter Georg Lantin: „Der Verein dient der Geselligkeit, und das seit mehr als 140 Jahren.“
Der Bürgerverein setzt sich dafür ein, die Stützmauer an der ehemaligen Eisenbahnbrücke aufzufrischen. Inzwischen sind weitere Gemälde zum Thema „Leben im Wasser“ entstanden, der Nabu hat neue Vogelhäuser gebaut und sie von Kindern bemalen lassen. Noch im Frühjahr soll an der Grundstraße offizielle „Eröffnung“ sein. Georg Lantin spricht das zweite große Thema an: „Das Klima-Quartier Katernberg-Beisen soll exemplarisch für eine innovative und nachhaltige Quartiersentwicklung stehen.“ Schließlich seien hier besondere Bedingungen: „Der Name stammt ja von den Binsen, die hier im Sumpf wuchsen.“
Marc Zietan ergänzt: „Starkregenereignisse bereiten Sorgen. Durch den Lehmboden in Beisen kann das Wasser nur schlecht versickern. Umso wichtiger sind Dachbegrünungen und der Einbau von Rückstausicherungen im Keller.“ Bergbaubedingt sei das Bodenniveau abgesunken, gibt Lantin zu bedenken: „Der ganze Stadtteil ist abgesackt und viele Gebäude stehen schief, auch mein Häuschen. Das haben wir bei der letzten Überschwemmung gemerkt. Das Wasser stand in der einen Kellerecke deutlich höher als in der anderen.“
Treffen des Bürgervereins Beisen
Der Bürger-Verein Beisen ist parteipolitisch und konfessionell neutral. Den Vorstand bilden Georg Lantin und Marc Zietan, Ulrich Nawrath und Ulrike Spors (beide Kasse), Heike Brandherm (Schriftführung) sowie die Beisitzer Christiane Schmitz und Joachim Spors.
In der Regel trifft man sich am ersten Samstag im Monat bei Kaffee und Kuchen, das nächste Mal am 2. März um 16 Uhr. Interessierte sind willkommen im Paul-Sahle-Haus der Awo an der Huestraße 122. Termine und Informationen gibt es per E-Mail an buergerverein-beisen@web.de oder auf Facebook.
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