Essen. Ein Kinderpfleger ist wegen sexueller Übergriffe angeklagt. Eine einzige Tat räumt er ein. Eltern schildern vor Gericht ihr Leiden.

Der Schock sitzt noch immer tief: Jahrelang galt ein Mitarbeiter einer Kita im Essener Süden als bester Freund der Kinder. Seit Montag steht der 25-Jährige vor Gericht. Die Vorwürfe haben es in sich: Es geht um sexuellen Missbrauch. Einen Übergriff hat der Angeklagte zum Prozessauftakt gestanden. Hören konnte man seine Worte aber nicht.

Die Verhandlung hatte kaum begonnen, da mussten die Zuschauer auch schon wieder gehen. Für die Dauer der Vernehmung des Angeklagten wurde die Öffentlichkeit ausgeschlossen. Sehr zum Unmut der Kita-Eltern, die sich am Morgen extra auf den Weg ins Essener Landgericht gemacht hatten.

Später wurde bekannt, dass der 25-Jährige nach Rücksprache mit seinem Verteidiger Volker Schröder zugegeben hat, einen Fünfjährigen im Juni dieses Jahres unter einem Vorwand in den Keller der Kita gelockt und den Jungen dort genötigt hat, seine Hose herunterzulassen. Zur Belohnung hatte das Kind anschließend eine Packung Gummibärchen erhalten.

Hose herunterlassen - dafür gab‘s Gummibärchen als Belohnung

Der Kinderpfleger war nach Bekanntwerden der Vorwürfe sofort freigestellt worden, der Junge (5) macht sich Vorwürfe. „Der Angeklagte war ein sehr wichtiger Betreuer für ihn“, sagte seine Mutter den Richtern. Ihr Sohn habe ihn immer als weltbesten Fußballtrainer bezeichnet. Außerdem habe der 25-Jährige super Papierflieger basteln können.

Schlafstörungen, Kopf- und Bauchschmerzen: Der damals Fünfjährige fühlte sich offenbar verantwortlich dafür, dass der Angeklagte plötzlich nicht mehr in der Kita war. „Er hat immer wieder nach ihm gefragt“, so die Mutter bei ihrer Zeugenvernehmung. „Wir sind immer noch fassungslos.“ Die Eltern hatten sich damals professionelle Hilfe geholt, um ihren Sohn in der schwierigen Zeit bestmöglich unterstützen zu können.

Opfer (5) fühlt sich verantwortlich für das Fehlen des Erziehers

Im Prozess geht es jedoch noch um viel mehr. Ein Vorwurf soll schon über sechs Jahre zurückliegen. Damals hat der heute 25-Jährige laut Anklage eine Zwölfjährige aus der Nachbarschaft massiv bedrängt, sich obenherum zu entkleiden.

„Ich kam aus der Schule und hatte meinen Schlüssel vergessen“, sagte die inzwischen erwachsene Frau den Richtern. Der Angeklagte habe sie gesehen und zu einem Spaziergang in ein nahes Waldstück überredet. Sie selbst habe sich nichts dabei gedacht. „Wir haben uns immer gut unterhalten.“ Als man später auf einem Hügel gesessen habe, sei die Situation jedoch „komisch“ geworden. „Er hat angefangen mir den Rücken zu streicheln und ist dabei immer weiter runtergegangen – bis zu meinem Po.“

„Mach‘ mal das Top hoch“

Später habe der Angeklagte ihr Geld angeboten, wenn sie sich obenherum ausziehe. „Da bin ich sofort aufgestanden und wollte gehen.“ Der 25-Jährige habe sie jedoch festgehalten und an ihren Sachen gezerrt.

„Mach‘ mal das Top hoch.“ So oder so ähnlich soll er sich damals ausgedrückt haben – in einem richtig aggressiven Ton. „Der wollte meine Brüste sehen.“ Bei ihrem Fluchtversuch sei sie sogar gefallen, habe dann aber doch noch entkommen können.

Tat liegt sechs Jahre zurück

Jahrelang hatte die Essenerin über den Nachmittag im April 2017 geschwiegen. Ihre Eltern wissen bis heute nicht, was damals passiert sein soll. „Meine Eltern sind anders“, sagte sie den Richtern. „Ich habe Angst, dass sie mich dann nicht mehr nach draußen lassen.“ Die Situation sei für sie noch immer extrem belastend. „Ich habe richtig Paranoia, wenn ich abends rausgehe.“

Eine ihrer besten Freundinnen hatte den Angeklagten schon Anfang 2016 angezeigt. Sie hatte dem heute 25-Jährigen vorgeworfen, sie in einer Essener Jugendeinrichtung gedrängt zu haben, ihren Pullover auszuziehen. Danach soll er sie auf den Mund geküsst haben. Der spätere Prozess hatte jedoch mit einem glasklaren Freispruch geendet. Im Urteil hieß es damals, dass die Richter überzeugt sind, dass es die Tat so wie geschildert, nicht gegeben hat.

Im aktuellen Verfahren geht es auch noch um einen Vorfall rund um einen Jugendfußballverein in einer Essener Nachbarstadt. Dort soll der Angeklagte Trainer gewesen sein. Laut Anklage hat er einen 13-Jährigen indirekt aufgefordert, ihm Nacktbilder zu schicken. Was jedoch nicht passiert ist. Dieser Vorwurf wird vom Angeklagten bestritten. Genau wie der mutmaßliche Übergriff auf die damals Zwölfjährige.

Eltern: „Es könnte sein, dass noch viel mehr passiert ist“

Die Essener Kita-Eltern, die am ersten Prozesstag im Gericht waren, machen sich noch immer große Sorgen. „Das Schlimme ist, dass wir im luftleeren Raum hängen“, sagte eine der Mütter auf dem Gerichtsflur. „Es könnte ja sein, dass noch viel mehr passiert ist.“ Die eigenen Kinder wolle man jedoch nicht befragen, um sie nicht zu belasten.

Der Angeklagte sitzt in Untersuchungshaft. Das Urteil soll nächste Woche gesprochen werden.

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