Essen. In einem Ranking von 50 großen Bahnhöfen in Europa landet der Essener Hauptbahnhof abgeschlagen auf einem der letzten Plätze.

In einem aktuellen Ranking von 50 Großstadt-Bahnhöfen in ganz Europa schneidet der Essener Hauptbahnhof schlecht ab. Der „European Railway Station Index 2023“ sieht Essen lediglich auf Platz 45. Schlechter als Essen schneiden in dieser Hitparade nur noch die drei Berliner Bahnhöfe Ostkreuz, Zoologischer Garten und Gesundbrunnen ab sowie München-Pasing und Bremen Hauptbahnhof. Zu den besten deutschen Bahnhöfen zählen die Hauptbahnhöfe von Berlin (Platz drei ) und Frankfurt (Platz sechs).

Mit ausschlaggebend für das schlechte Abschneiden der „letzten Sechs“ seien insbesondere massive Verspätungen und Wartezeiten gewesen.

Bahnsprecher: „Consumer Choice Center ist eine Lobbyorganisation aus den USA“

Hinter dem „European Railway Station Index“ verbirgt sich das US-amerikanische „Consumer Choice Center“ (CCC), an dem sich in Deutschland die Geister scheiden. Insbesondere die Objektivität der Amerikaner und damit letzten Endes auch die Aussagekraft des Bahnhofs-Rankings werden in Zweifel gezogen, so etwa von der Deutschen Bahn (DB). „Das Consumer Choice Center ist eine Lobbyorganisation aus den USA“, kommentiert ein Bahnsprecher die aktuelle Analyse. CCC prüfe Bahnhöfe in Europa nach selbst aufgestellten, sich jährlich ändernden Kriterien. „Die Art der ‚Befragung beziehungsweise Erforschung ist für uns nicht transparent und nicht zu vergleichen mit dem ‚Bahnhof des Jahres‘ der Allianz pro Schiene“, fügt der Sprecher hinzu.

Das „Consumer Choice Center“ mit Sitz Washington D. C. bezeichnet sich auf seiner Webseite als „unabhängige, unparteiische Verbraucherschutzorganisation“, die auf die Finanzierung privater Geldgeber und Spender angewiesen sei. Die Spenden kamen Medienberichten zufolge von Fluggesellschaften, Tabakindustrie sowie dem Energie- und Chemiesektor.

Allianz pro Schiene spricht von „Schreibtisch-Recherche“: „Autoren waren nicht vor Ort“

Aber auch das gemeinnützige deutsche Verkehrsbündnis „Allianz pro Schiene“ hält das US-Ranking der europäischen Bahnhöfe für wenig seriös. „Die Studie des Consumer Choice Center ist in vielerlei Hinsicht fragwürdig“, sagt Sabrina Wendling, die Pressesprecherin der „Allianz pro Schiene“, auf Anfrage dieser Redaktion. So scheine die Auswahl und Anzahl der Bahnhöfe „völlig willkürlich“ zu sein. „Es werden Bahnhöfe miteinander verglichen, die von ihrer Lage und Größe her überhaupt nicht vergleichbar sind. Außerdem wurden Verspätungen an nur einem Tag in dem Ranking gewertet - was keinesfalls repräsentativ ist.“ Schließlich heißt es in der Stellungnahme der Allianz pro Schiene“: „Bei der Studie handelt es sich offenkundig um eine Schreibtisch-Recherche, die Autoren waren nicht vor Ort und haben sich die Bahnhöfe nicht selbst angesehen.“

Zur Beurteilung der Verspätungen habe CCC lediglich den 3. Juli 2023 herangezogen - laut Allianz pro Schiene „ein Ferientag, an dem wahrscheinlich eine Menge los war an den Bahnhöfen, auch in Essen“. Außerdem sei bei den Restaurant- und Takeaway-Optionen mit zweierlei Maß gemessen worden. Denn Essen Hbf etwa erhalte nur fünf Punkte für angeblich 19 Optionen, während Berlin Alexanderplatz für 21 Optionen zehn Punkte bekomme. „Irgendwie ein ziemlich merkwürdiges System“, findet Allianz-Sprecherin Wendling.

Pro Bahn NRW kritisiert: „Essen Hbf ist funktional nicht auf Verkehrszuwachs eingerichtet“

Unabhängig vom umstrittenen CCC-Ranking bemängelt der Fahrgastverband „Pro Bahn“ in NRW die Situation am Essener Hauptbahnhofs. Sprecher Lothar Ebbers sagt: „Der Hauptbahnhof in Essen ist funktional nicht auf den Verkehrszuwachs eingerichtet.“ Der Weg von der großen Halle über die Treppen zu den Bahnsteigen sei äußerst problematisch. „Die Treppenzugänge mit den parallel laufenden Rolltreppen sind viel zu eng“, fügt Ebbers hinzu.

Schlechte Noten gibt der Pro Bahn-Sprecher dem Essener Hauptbahnhof ferner für die seiner Meinung „viel zu langen Umsteigewege von den Bahnsteigen zum ÖPNV“ - etwa vom Kopfbahnsteig 21/22 zu den Bahnsteigen der Tram. Hinzu komme, dass der Höhenunterschied zum Teil bis zu vier Ebenen betrage. Einen weiteren Minuspunkt gibt Ebbers dem Hauptbahnhof in punkto Service. Mit Ausnahme des DB-Service Points befänden sich die Kundenzentren von Bahn und Ruhrbahn außerhalb der Halle.

Für Verspätungen am Essener Hauptbahnhof macht der Fahrgastverband nicht nur die mangelnde Modernisierung der Infrastruktur verantwortlich, sondern auch akute Notbaustellen wie zuletzt vor wenigen Wochen. Diese habe zur vorübergehenden Sperrung der Gleise 1 und 2 und zur Umleitung des Regionalexpresses RE 2 geführt. Außerdem seien die S3 und die RB 33 am Essener Hbf ausgefallen. „Insgesamt ziemlich chaotische Verhältnisse“, urteilt Ebbers.

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