Essen-Werden. Vergangenes neu entdeckt: Der Band „Geschichten aus der Werdener Geschichte“ erzählt von Hexen, fahrenden Bügeleisen und anderen Besonderheiten.

Wer glaubt, Geschichte sei langweilig und verstaubt, den belehrt jedes Jahr aufs Neue der Band „Geschichten aus der Werdener Geschichte“ eines Besseren. Inzwischen gibt es die 21. Ausgabe des Projekts, das der Geschichts- und Kulturverein Werden sowie der Werdener Bürger- und Heimatverein gemeinsam verantworten. Zwölf Autoren und eine Autorin haben daran mit aktuellen Recherchen mitgewirkt, ein Text ist posthum erschienen.

Für viele Einheimische ist dieser Sammelband, der immer am Jahresende erscheint, ein willkommener Anlass, zum Schmökern und Wiedererkennen. Für die Zugezogenen gibt er zahlreiche Anregungen, sich im Stadtteil umzuschauen und auf Entdeckungsreise zu gehen. Denn auch der 21. Band der Reihe bietet erneut viel Wissenswertes zur Vergangenheit von Werden, die heute noch im Stadtbild auffindbar ist.

Die Überreste der Werdener Stadtmauer sind noch sichtbar

Zum Beispiel die Stadtmauer. Sie ist zwar nicht mehr als durchgehendes Bauwerk erhalten, aber zumindest einige Mauerreste gibt es, wie Heinz-Josef Bresser in seinem Artikel berichtet. Zu sehen sind diese unter anderem im und am Café Vita Provitina in der Hufergasse und an der Grafenstraße am Durchgang zur Parkpalette. Auf dem Gelände der ehemaligen Werdener Feintuchwerke wurden die Fundamente genutzt, „um den Verlauf der Stadtmauer nachzubilden“, sagt Heimatforscher Bresser, der in seinem Kapitel ebenfalls auf die sechs Stadttore hinweist, die gemeinsam mit der Mauer die Stadt Werden (Stadtrechte gab es im Jahr 1317) vor Eindringlingen beschützen sollten.

1974 erhielt die Kirche Christi Himmelfahrt in Fischlaken ihre Glocken. Sie wurden von einer Essener Künstlerin mit Reliefs versehen.
1974 erhielt die Kirche Christi Himmelfahrt in Fischlaken ihre Glocken. Sie wurden von einer Essener Künstlerin mit Reliefs versehen. © FUNKE Foto Services | Alexandra Roth

Ebenfalls noch sichtbar: die Glocken von Christi Himmelfahrt in Fischlaken. Die drei Exemplare entstanden 1974 in einer Glockengießerei in Gescher und wurden von der Essener Künstlerin Helene Trossen mit modernen Reliefs versehen. „Es ist das letzte Geläut in Werden und Werden Land“, berichtet Gerhard Reinhold, der sich seit langem mit den Glocken in Essen und ihrer Herstellung beschäftigt.

„Diese Glocken wurden nicht wie üblich nach Heiligen benannt, sondern symbolisieren die Kernpunkte christlichen Glaubens: Zukunft Auferstehung, Versöhnung und Dienen.“ Was mit dem Geläut passiert, wenn die Kirche im kommenden Jahr außer Dienst gestellt wird, sei eine noch offene Frage.

„Das Bügeleisen“ fuhr bis nach Kupferdreh

Aus einen Jugenderinnerungen „an den Zug, den man bei uns ‘das Bügeleisen’ nannte“ berichtet Klaus Höffgen, der sich für die technischen Details Harald Vogelsang als Ko-Autor an die Seite holte. Von Werden über Heisingen bis nach Kupferdreh fuhr dieser kleine Zug, dessen Triebwagen eben wie ein großes Bügeleisen wirkte.

Wegen seiner heulenden Geräusche hieß er auch „Heulboje“. Andernorts wurden solche Züge auch gerne „Gartenlaubenkrokodil“ genannt, weil diese Mini-Einheiten vorzugsweise Nebenstrecken bedienten. Sie waren zudem karg ausgestattet.

„Wir wohnten in der Forstmannstraße und ich konnte so ein Bügeleisen immer vom Fenster aus beobachten“, erzählt Höffgen, der jahrelang die Leitung des Buchprojektes innehatte und sie nun mit Band 21 an Edith Tekolf abgegeben hat.

Als die Abteistadt Werden noch patriotisch war

Edith Tekolf ist es wichtig, eine gute Mischung an historischen Forschungsergebnissen, amüsanten Hintergründen und interessanten Diskussionen in dem Buch abzubilden. So fand die Geschichte eines Rundfensters in der Nordwand der Evangelischen Kirche, die der 2021 verstorbene Conrad Schlimm recherchierte, Eingang in den Band. Anhand dieses Fensters erklärt Schlimm den Einfluss der „völkischen Kirche“ in der NS-Zeit auf Werden.

Der Hexenprozess in Werden von 1488 ist ein gutes Beispiel dafür, wie Rechtsprechung damals ablief. Man kannte keine Staatsanwaltschaft, sondern es gab private Kläger.
Claudia Kauertz, Leiterin des Stadtarchivs Essen

Über das „patriotische Werden“ berichtet Robert Welzel in seinem Kapitel „Der Engel mit dem Siegeskranz“. Er deckt die Hintergründe zur Entstehung und zur Rezeption dieses Kriegerdenkmals in der Bevölkerung auf, das heute nur noch auf alten Fotografien und Postkartenmotiven zu finden ist. Letztlich gibt er auch Aufklärung darüber, warum das Denkmal 1968 aus dem Stadtbild verschwand. „Eine sehr ausführliche Analyse. Es ist das längste Kapitel im Buch geworden“, sagt Edith Tekolf.

So funktionierte ein Strafprozess im 15. Jahrhundert

Ferner wird in dem neuen Geschichtsband an die Zeit des Bergbaus in Werden Land erinnert. Auch die Historie der Abtei kommt nicht zu kurz: Zwei Äbte werden mit ihren Lebensläufen porträtiert. Ein weiteres Augenmerk liegt auf der Hexenverfolgung. Stadtarchivleiterin Claudia Kauertz hat sich der Dokumente zum ältesten nachweisbaren Hexenprozess im Ruhrgebiet angenommen. Er fand 1488 statt, und zwar in Werden. Kauertz: „Dies er ist ein gutes Beispiel dafür, wie Rechtsprechung damals ablief. Man kannte keine Staatsanwaltschaft, sondern es gab private Kläger. Und die mussten auch die Beweise vorlegen.“ In dem vorliegenden Fall ging es um den Tatvorwurf der Zauberei. Um wen es konkret ging und ob es zu einer Verurteilung kam, das sei hier nicht verraten: Der reichhaltig bebilderte Geschichtsband lädt zum Schmökern ein.

>>> Im Buchhandel erhältlich

Band 21 „Geschichten aus der Werdener Geschichte“ hat 206 Seiten und ist für 19,90 Euro im Buchhandel erhältlich (ISBN 978-3-932443-79-4). Mitglieder der Werdener Traditionsvereine bekommen ihn wieder als Jahresgabe.

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