Essen. Beschäftigte machten ihrem Unmut vor dem Polizeipräsidium Luft. Es geht um Belastung und Bezahlung. GdP-Chef: „Die Zeichen stehen auf Sturm.“
Es war ein wütender Einsatz in eigener Sache vor dem Präsidium in Essen: Rund 350 Polizistinnen und Polizisten, Beamte wie Tarifbeschäftigte haben am Mittwoch im Rahmen einer „Aktiven Mittagspause“ ihrem Unmut über die stockenden Tarifverhandlungen und die „Blockadehaltung“ der Tarifgemeinschaft der Länder (TdL) Luft gemacht. Die Gewerkschaften fordern 10,5 Prozent mehr Geld - mindestens aber 500 Euro mehr. Dass die TdL noch kein Angebot vorgelegt habe, bezeichnete die Gewerkschaft der Polizei (GdP) als eine „bodenlose Unverschämtheit“.
Deren Kreisvorsitzender für Essen und Mülheim, Jörg Brackmann, machte in seiner Rede deutlich: „Die Zeichen stehen auf Sturm. Schlimmstenfalls scheitert auch die dritte Verhandlungsrunde und die Gewerkschaften gehen in Erzwingungsstreiks.“ Denn nie sei es anstrengender und herausfordernder gewesen, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu bewahren. Doch gemessen an Wertschätzung und gerechter Bezahlung scheinen die besonderen Leistungen der Belegschaft offenbar nicht bis zur TdL durchgedrungen zu sein, kritisierte Brackmann.
Sämtliche Polizeimaßnahmen wurden hochgefahren
Es sei unwürdig, wenn die in der TdL zusammengeschlossenen Landesregierungen den Polizeibeschäftigten die benötigte Erhöhung von Entgelt und in der Folge auch von Besoldung versagen, zumal vor dem Hintergrund starker Inflationsraten.
Gegenüber dieser Zeitung machte der Essener GdP-Chef deutlich, womit sich die Behörde mit Blick auf die aktuelle politische Lage derzeit konfrontiert sieht: „Die Kolleginnen und Kollegen kommen aus den Stiefeln nicht mehr raus.“ Aufgrund der angespannten Lage und nach den jüngsten Demos in Essen sowie den Anschlägen an Schulen in Deutschland mussten die sämtlichen polizeilichen Maßnahmen in Essen und Mülheim an der Ruhr hochgefahren werden.
Die Beamten in den Hundertschaften werden quer durchs Land kutschiert mit zum Teil mehreren Großeinsätzen am Tag und hoher physischer wie insbesondere psychischer Belastung. Immer wissend um das derzeit hohe Sicherheitsrisiko gerade auf Demos, bei denen es jederzeit zu gewalttätigen Auseinandersetzungen kommen könnte. „Aus diesem Grunde haben Dienstplanungen eine Halbwertszeit von wenigen Stunden und Dienstbeginn wie Dienstende variieren stündlich“, weiß Brackmann: „Unsere Alarmzüge, die grundsätzlich vom Personal der Polizeiwachen gestellt werden, sind insbesondere an den Wochenenden natürlich ebenfalls unterwegs und fehlen jedes Wochenende in der Einsatzbewältigung auf den Wachen.“
Planungen für die Fußball-Europameisterschaft laufen auf Hochtouren
Dazu komme der „berechtigte Anspruch“ der Öffentlichkeit und der Medien an die Polizei, dass aktuelle Sachverhalte in kürzester Zeit durchermittelt sind und Ergebnisse präsentiert werden können. Nicht zu vergessen die besonderen Maßnahmen zur Bekämpfung der Clan-Kriminalität und der Kinderpornografie in Form von Ermittlungen, Durchsuchungen, Auswertungen, Erkennen von kriminellen Strukturen und damit einhergehenden Folgemaßnahmen, „die uns als Polizeipräsidium Essen immens belasten“, so der Gewerkschaftsvorsitzende.
Auch die Planungen für die Fußball-EM 2024 laufen bereits auf Hochtouren, da die Einsatzbefehle samt Kräfteplanung mit ihren Urlaubs- und Dienstfreisperren in die Umsetzung gehen. Das alles führe dazu, „dass die Kolleginnen und Kollegen aktuell nur noch gesagt bekommen, wo sie ihre dringend erforderlichen Erholungsphasen einschränken, verändern oder ausfallen lassen müssen“, macht Brackmann deutlich: „Gleichzeitig überschüttet uns das Ministerium mit der Forderung, dass Überstunden abgebaut werden sollen und ältere Stunden dieses Jahr nach Jahrzehnten des Verzichts der Einrede trotz dieser prekären Personalsituation der Verjährung unterfallen werden.“
Gemeinsame Großaktion vor dem Düsseldorfer Landtag
Es klingt wohl nicht nur für einen Gewerkschafter widersprüchlich, Kräfte kurzfristig immer wieder zum Dienst zu verpflichten, ihnen so einen Freizeitausgleich zu verwehren, um gleichzeitig zu warnen, dass nicht abgefeierte Überstunden ohne Ausnahme spätestens am 31. Dezember verfallen werden. Erst kürzlich wandte sich ein Polizist stellvertretend für viele andere ratlos an die Gewerkschaft: „Ich sollte Überstunden abbauen, kann das aber gar nicht, da ich fest in der Einsatzbewältigung bin.“
Für den 5. Dezember rufen 28 GdP-Kreisgruppen in NRW zu einer gemeinsamen Großaktion vor dem Düsseldorfer Landtag auf, bevor am 7. und 8. Dezember die nächste Runde der Tarifverhandlungen ansteht.