Essen. Sensationeller Auftritt von Patricia Kopatchinskaja beim Sinfoniekonzert in Essen. Auftragswerk fordert die Ausnahmegeigerin beim Festival Now!
Das Now!-Festival für Neue Musik bezog auch die Essener Philharmoniker ein, die sich in ihrem 4. Sinfoniekonzert ausschließlich der italienischen Moderne widmeten. Gleich drei Komponistengenerationen trafen im Brennspiegel aufeinander: von Luigi Dallapiccola, dem Wegbereiter der Avantgarde, bis zum 1974 geborenen „Urenkel“ Aureliano Cattaneo, der sogar eine Uraufführung nach Essen mitbrachte. Keine leichte Kost fürs Publikum, auch wenn mit Jonathan Stockhammer ein ausgewiesener Experte in Sachen Neutönern am Pult stand.
Sinfoniekonzert in Essen: Die Solistin bleibt das Ereignis
Cattaneo schrieb sein Violinkonzert „Not Alone We Fly” als Auftragswerk (unter anderem) der Philharmonie Essen und speziell für deren derzeitige Residenzkünstlerin Patricia Kopatchinskaja. Tatsächlich ist das halbstündige Stück der Ausnahmegeigerin wie auf den Leib geschnitten, monologisch weitschweifig beginnend und endend samt der von ihr gesungenen Schlussworte über die Stille in der Welt. Dazwischen nach und nach die „mitfliegenden“ Orchesterinstrumente, die sich bis ins apokalyptische Chaos steigern. Doch die Solistin bleibt das Ereignis, wandelt sich blitzschnell vom Goldfäden spinnenden Engel in die lauernde, abrupt zupackende Raubkatze. Dieser Part fordert alles und sie gibt das Unerhörte. Sensationell!
Freundlicher Applaus, aber mehr war auch nicht zu erwarten
Stimmungsvolle Erholung war dagegen Dallapiccolas kleines Nachtstück, ruhig pulsierend wie auch Luciano Berios „Requies“ mit seinem farbdifferenziert wiedergegebenen, von innen heraus bewegten Kontinuum. Heutzutage ein Klassiker. Nicht anders sein Stück „Formazioni“, in dem er das große Orchester in sieben Gruppen neu zusammensetzte und dabei eine totale Klangdurchmischung erreichte. Dem Hörer bot es kein melodisch-rhythmisches Geländer, dafür eine fortwährend changierende Fläche, die die Philharmoniker höchst durchsichtig zu zeichnen wussten. Freundlicher Applaus, aber mehr war auch nicht zu erwarten.