Essen. Im Hauptbahnhof Essen haben sich in den letzten Tagen chaotische Szenen abgespielt. Die Bahn spricht von „sehr schlechter Qualität“. Was war los?

Viele Bahn-Kunden haben in den letzten Tagen chaotische Szenen im Essener Hauptbahnhof erlebt. Besonders am Wochenende (4. und 5. November) kamen viele Bahn-Reisende nur mit Verspätung oder gar nicht ans Ziel mit ihren geplanten Zug-Verbindungen.

Der Hauptgrund: Die Gleise 1 und 2 im Essener Hauptbahnhof waren seit dem Beginn der vergangenen Woche (Montag, 30. Oktober) wegen Bauarbeiten gesperrt. Eine Weiche musste erneuert werden. Die an der nördlichen Seite liegenden Gleise werden hauptsächlich befahren von Zügen, die in Richtung Rheinland und Süden fahren – Regionalzüge halten hier, aber vor allem die Züge des Fernverkehrs, also InterRegio (IR), InterCity (IC) und InterCityExpress (ICE).

Gleise 1 und 2 sollten am Wochenende eigentlich wieder freigegeben sein

„Eigentlich sollten diese Arbeiten am vergangenen Freitag beendet sein“, berichtet Bahn-Sprecher Dirk Pohlmann am Montag (6. November). Doch auch am Samstag und Sonntag hielt die Sperrung der Gleise noch an – doch die Anzeige-Technik in der Bahnhofshalle bekam das nicht mit. Folge: Die große Tafel in der Schalterhalle zeigte am Samstag und Sonntag wieder munter Gleis 1 und 2 an, schickte hunderte Reisende an die falschen Aufgänge.

Dort hatte man am Wochenende nur simple A4-Zettel notdürftig an eine Absperrung geklebt, um auf die fortwährende Sperrung aufmerksam zu machen. Auf den Zetteln war zu lesen: „Aufgrund von Bauarbeiten kommt es zu umfangreichen Gleisabweichungen in Essen Hbf.

Mit solchen Zetteln wies die Bahn am Wochenende tausende Reisende darauf hin, dass die wichtigen Gleise 1 und 2 gesperrt waren.
Mit solchen Zetteln wies die Bahn am Wochenende tausende Reisende darauf hin, dass die wichtigen Gleise 1 und 2 gesperrt waren. © Wandt | Wandt

Gleise 1 und 2 sind aktuell für den Zugverkehr gesperrt, bitte beachten Sie die örtlichen Lautsprecherdurchsagen.“

Und, etwas prägnanter: „Gleis 1 u. 2 gesperrt!!! Züge verkehren vom Bahnsteig Gleis 7 / 10.“

Was bringen ein paar A4-Zettel in diesem Gewusel?

Doch was bringen schon ein paar bedruckte Zettel im Gewusel eines Reise-Wochenendes, das viele Menschen bundesweit wohl auch wegen des Deutschland-Tickets für Fahrten nutzen?

Im Gewusel eines Samstagnachmittags, am Tag eines Heimspiels von Rot-Weiss Essen, das die Präsenz von vielen Polizisten nötig macht, vor allem an den Bahnsteigen, an denen die Fans der Gastmannschaft aus Bielefeld aussteigen?

Genau: So ein paar Zettel bringen so gut wie gar nichts – die Konsequenz: Viele Bahnkunden, vor allem jene, die der deutschen Sprache nicht mächtig sind, standen ewige Zeiten an Gleis 1 oder 2 – dass dort, am Bahnsteig, die elektronischen Zugzielanzeiger die richtigen Hinweise gaben, dass „hier kein Zugverkehr“ herrsche, half dann auch nichts mehr. Bahn-Angestellte, die vor Ort an den gesperrten Gleisen oder an den Treppen die dringend benötigten Auskünfte gaben, waren im Übrigen nicht zu sehen.

„Sehr schlechte Qualität“ im Essener Hauptbahnhof

Bahn-Sprecher Dirk Pohlmann räumt ein, dass die Zustände im Essener Hauptbahnhof von einer „sehr schlechten Qualität“ gewesen seien. Zu den Störungen durch falsche Anzeigen seien in der vergangenen Woche unvorhergesehene Schwierigkeiten gekommen – beispielsweise durch den Sturm am Donnerstag (2. November), der Umleitungen zur Folge hatte.

Grundsätzlich sei das Baustellen-Aufkommen im Schienennetz der Bahn besonders in NRW derzeit „ungewöhnlich hoch, weil viele Jahrzehnte zu wenig investiert wurde“.

Das konnte man im Essener Hauptbahnhof am Wochenende mehr als deutlich spüren: Züge, die statt auf Gleis 1 oder 2 jetzt auf Gleis 7 oder 10 einfuhren, kamen mit massiver Verspätung oder auch gar nicht; die meisten Wartenden schauten sekündlich auf ihr Handy, um auf der Bahn-Internetseite oder App die immer gleiche Info zu lesen, die von „Unregelmäßigen bei Bauarbeiten“ sprach, von „Beeinträchtigungen, Verspätungen“, und, im besten Bahndeutsch, „eingeschränkter Gleisverfügbarkeit“ sowie der bitteren Wahrheit, dass Bahnfahren in diesen Tagen einem Glücksspiel gleicht: „Komplettausfälle sind ebenfalls möglich.“

Züge fielen unangekündigt aus

Angekündigt wurden diese bisweilen gar nicht – dass am Samstag Mittag ein Regionalexpress nach Köln erst verspätet und dann gar nicht fährt, erfuhren Bahn-Reisende erst, als in ihrer Bahn-App die Nachricht auftauchte: „Diese Verbindung liegt in der Vergangenheit.“ Und als am Sonntag ein Zug nach Bonn einfuhr, wurde fürs selbe Gleis die Einfahrt eines anderen Zuges angekündigt – bis eine Mitarbeiterin am Bahnhof in die Lautsprecher rief: „Nein, der fährt auf Gleis 10 ein!“ Immerhin!

Wer sich traute, wegen der ausfallenden Regionalzüge in einen Fernverkehrszug zu steigen, auch wenn er oder sie vielleicht nicht das passende Ticket hatte, wurde – so geschehen am Sonntag in einem EC nach Zürich – vom Bahn-Personal mitunter darauf hingewiesen, einen Fehler zu begehen, und Achtung, nein, dies ist keine Satire: „Your ticket is not guilty!“, erklärte ein Schaffner im EC Touristen aus dem Ausland, und „guilty“ heißt „schuldig“, aber nicht „gültig“.

Hört sich lustig an, doch es bleibt anstrengend, Bahn zu fahren: Ab Freitag, 10. November, hat die Bahn massive Einschränkungen auf der Strecke Oberhausen – Essen – Gelsenkirchen angekündigt. Viele Züge des Regional- und Fernverkehrs werden in Essen nicht halten. Da nützt es leider wenig, dass Gleis 1 und 2 im Essener Hauptbahnhof mittlerweile wieder für den Verkehr freigegeben wurden.

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