Essen. Die Essener Lichtwochen starten Sonntag, 29. Oktober – Tradition seit 1950. Aber sie haben an Glanz eingebüßt. Wie geht es weiter?

Wenn Oberbürgermeister Thomas Kufen am Sonntagabend um 18 Uhr an der Marktkirche in der Innenstadt die „Essener Lichtwochen“ eröffnet, dürfte wieder ein Raunen durch die Menge gehen. Denn die Lichtwochen sind für viele Essenerinnen und Essener eine gelebte und geliebte Tradition. Wenngleich die Veranstaltung ihren Glanz, der früher weit über die Stadtgrenze hinaus strahlte, längst eingebüßt hat. Bei der Essen Marketing Gesellschaft (EMG) stellt man sich deshalb die Frage: Wie geht es weiter mit den Essener Lichtwochen?

Einfach den Stecker ziehen, nach so vielen Jahrzehnten? Wäre das möglich? Schließlich gingen schon in den späten 1920er Jahren die Lichter über der Essener Innenstadt an. „Essen leuchtet“ lautete damals das Motto. „Die RWE AG wollte nach unseren Recherchen damals zeigen, was mit Elektrizität alles möglich ist“, sagt EMG-Geschäftsführer Richard Röhrhoff. Essen präsentierte sich als aufstrebende Großstadt.

Schon in den 1920er Jahren präsentierte Essen sicht mit Lichtinstallationen als Großstadt

1950 feierte Essen mit Sternenbildern die ersten Lichtwochen.
1950 feierte Essen mit Sternenbildern die ersten Lichtwochen. © Stadt Essen | Stadtbildstelle

Die „Essener Lichtwochen“ wurden jedoch erstmals 1950 gefeiert. Noch waren nicht alle Trümmer beseitigt, die der Zweite Weltkrieg hinterlassen hatte. Aber Essen zelebrierte seine Wiederauferstehung, es war der Beginn der Wirtschaftswunderjahre, in denen Essen zur Einkaufsstadt des Ruhrgebiets werden sollte. 500.000 D-Mark ließ sich der Essener Einzelhandel das auch künstlerisch durchaus beachtliche Lichtermeer kosten. Für damalige Verhältnisse eine gewaltige Summe, wie Röhrhoff betont.

Blick auf das Eickhaus während der Lichtwochen 1959. Entlang der Kettwiger Straße parkten damals noch Autos.
Blick auf das Eickhaus während der Lichtwochen 1959. Entlang der Kettwiger Straße parkten damals noch Autos. © Stadt Essen | Stadtbildstelle

In den folgenden Jahren und Jahrzehnten wurden die Lichtwochen zur Traditionsveranstaltung mit überregionaler Ausstrahlung. Für viele Familien waren sie geradezu Pflicht. Viele ältere Jahrgänge werden sich erinnern, wie sie staunend mit Eltern oder Großeltern durch die beleuchtete Innenstadt spazierten und sich an den Schaufenstern bei Roßkothen, damals das Spielzeugfachgeschäft am Platze, die Nasen platt drückten.

Genau so haben es ihm gebürtige Essener unter seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern geschildert, berichtet Röhrhoff, der selbst vom Niederrhein stammt.

Bei den Lichtwochen wollte Essen nicht länger Werbung für andere machen

In den 200er Jahren präsentierten sich europäische Gastländer während der Essener Lichtwochen.
In den 200er Jahren präsentierten sich europäische Gastländer während der Essener Lichtwochen. © PETER WIELER

Mit dem Rückzug vieler inhabergeführte Geschäfte setzte der schleichende Niedergang ein, Essen büßte seinen Ruf als DIE Einkaufsstadt ein, inzwischen sucht die Stadt einen neuen Slogan. Seit 1996 führt die EMG Regie für die Lichtwochen. In den frühen 2000er Jahren versuchte die Marketinggesellschaft es mit neuen Lichtbildern und dem Motto „Europa zu Gast in Essen“. Polen, England, Spanien und andere Partnerländer präsentierten sich zu den Lichtwochen, ohne sich allerdings an den Kosten zu beteiligen, so Röhrhoff, der die Reihe schließlich einstellte. „Warum sollen wir als Stadt Essen Werbung für andere machen“, fragt der Marketing-Experte.

Tiermotive sollen bei den Essener Lichtwochen vor allem Kinder ansprechen

Die Essen Marketing Gesellschaft (EMG) setzt bei den Lichtwochen seit einigen Jahren auf Tiermotive.
Die Essen Marketing Gesellschaft (EMG) setzt bei den Lichtwochen seit einigen Jahren auf Tiermotive. © FUNKE Foto Services | Vladimir Wegener

Stattdessen besann man sich auf das, was die Lichtwochen einst ausmachten: „leuchtende Kinderaugen“, so Röhrhoff. Illuminierte Tiermotive sollen vor allem Kinder ansprechen. Mit der Resonanz sei man zufrieden. 250.000 Euro lässt sich die EMG das Spektakel kosten, finanziert größtenteils aus dem eigenen Budget. An frühere Zeiten konnten die Lichtwochen aber nie mehr anknüpfen.

2024 sollen 20 Jahre alte Motive der Essener Lichtwochen erneuert werden

Mit dem „Essen Light Festival“ setzt die EMG in Sachen Lichtkunst seit einigen Jahren neue Akzente – und macht den Lichtwochen damit auch Konkurrenz. Röhrhoff räumt ein, dass er bereits darüber nachgedacht hat, finanzielle Mittel und Kräfte zu bündeln zugunsten des Light Festivals, das weiter wachsen könnte – auf Kosten der Lichtwochen. Aber: „Ich will mit der Tradition nicht brechen“, sagt der EMG-Chef. Er selbst sei ja kein Essener. „Ich will niemandem etwas wegnehmen.“

Im Gegenteil: In diesem Jahr will die EMG mit zwei Lichtbildern, jeweils sechs mal acht Meter groß, etwas Neues bieten. Am Eingang zur Rathaus Galerie wird das Essener Stadtwappen erstrahlen, zwischen Markt und Flachsmarkt leuchtet die Goldene Madonna als Lichtmotiv.

Weitere Elemente der Lichtwochen will die EMG im kommenden Jahr erneuern, denn die alten sind inzwischen 20 Jahre alt. Dann soll am Übergang zwischen Markt und Kennedyplatz ein weiteres Lichtbild hinzukommen, nach dem sich viele Hälse recken dürften, denn es ist das alte Essener Rathaus.

Ganz so schnell gehen die Lichter dann doch nicht aus.