Essen. Wie soll Essens Innenstadt im Jahr 2040 aussehen? Ein Leitbild soll dabei helfen, die Antwort zu liefern. Welche Ideen gesammelt wurden.

Die Innenstadt ist das große Sorgenkind der Essenerinnen und Essener. Ausreichend mit Tendenz zu mangelhaft – dieses grausige Zeugnis stellten fast 10.000 Menschen dem Stadtkern in einer Umfrage unserer Redaktion vor einem Jahr aus. Es folgten unter anderem Innenstadtforen, die City wurde im Anschluss daran „gekärchert“, war zwischenzeitlich so sauber wie lange nicht. Aber die Grundsatzfrage ist damit noch nicht gelöst: Wie soll denn nun die Essener Innenstadt der Zukunft aussehen? Die Frage soll Stück für Stück beantwortet werden.

Die Stadtverwaltung hat im Oktober – am 23. 10.2023 – das „Leitbild – Zukunft. Essen. Innenstadt“ vorgestellt – was wäre wenn im Jahr 2040? Planungsdezernent Martin Harter: „Dabei handelt es sich um eine Richtschnur für die weitere Entwicklung. Es ist eine Diskussionsgrundlage.“ Bedeutet im Umkehrschluss: Konkretes findet sich in der Zukunftsvision noch nicht sonderlich viel.

Leitbild für die Essener Innenstadt: Grün-blaues Band soll sich durch City ziehen

Gleichwohl gibt es Ideen, in welche Richtung sich die City entwickeln soll. „Grün“ ist neben „Durchmischt“ und „Gemeinschaftlich“ ein gewichtiges Schlagwort. Da ist von einem grün-blauen Band aus Bäumen und Wasserelementen die Rede, das sich über die Kettwiger und Viehofer Straße zieht. Da finden vielfältig begrünte Fassaden und Dachlandschaften Erwähnung. Da geht es um „Präsenz von Natur“ in der Innenstadt. Und: Weniger Autos sollen fahren. Oberbürgermeister Thomas Kufen dazu: „Die Erreichbarkeit der Innenstadt ändert sich. Das erfordert eine Neuorganisation der Verkehrswege.“ Als Grund führt er beispielsweise an, dass junge Menschen heutzutage oftmals deutlich später ihren Führerschein machten, als es früher der Fall war.

In dem neuen Leitbild ist von einem „grünen Ring“ (Schützenbahn, Hache-, Krupp-, Hindenburg-, Holle- und Friedrich-Ebert-Straße) die Rede. Der Planungsdezernent dazu: „Ich halte es für realistisch, dass es weiter Autoverkehr auf dem grünen Ring geben wird, aber vielleicht gibt es weniger Fahrspuren.“ Stefan Schwarz, Leiter des Amts für Stadterneuerung und Bodenmanagement, ergänzt: „Wir sollten Potenziale nicht fürs Parken, sondern für Grünflächen nutzen.“ Durch sogenannte „Mobilitätshubs“ soll zudem die City-Logistik – also die Anlieferung von Waren – an zentralen Stellen abgewickelt werden.

Essener Innenstadt soll durch Festivals gestärkt werden

Was ist neben dem Schlagwort „Grün“ Teil des neuen Leitbildes? „Essen ist Einkaufsstadt, Folkwangstadt und Heimatstadt – und zeichnet sich durch eine einzigartige Nutzungsmischung aus“, heißt es darin. Kettwiger und Limbecker Straße sollen zusammen mit der Viehofer Straße die „zentralen Frequenzbringer“ sein. Die Nähe zur Uni soll künftig die „Campus-Atmosphäre“ in der Innenstadt der Zukunft erhöhen. Ideen, die man nicht zum ersten Mal hört. Im Leitbild heißt es weiter: „Essen ist eine Stadt für alle mit einem starken Gemeinschaftsgefühl.“ Dieses soll zum Beispiel durch „Aktivitätswochen“ und Festivals gestärkt werden.

Stellten das Leitbild „Zukunft. Essen. Innenstadt“ am Montag (23. 10.) vor: Oberbürgermeister Thomas Kufen, Martin Harter (Planungsdezernent), Svenja Krämer (Citymanagerin EMG), Marco Eißing (Projektleiter Stadtteilentwicklung Stadtkern Ostviertel, Südostviertel), Stefan Schwarz (Leiter Amt für Stadterneuerung und Bodenmanagement), Christoph Klanten (Gesellschafter und Büroleiter Reicher Haase Haase Assoziierte) und Moritz Lippold (Projektleiter des Büros Reicher Haase Haase Assoziierte“).
Stellten das Leitbild „Zukunft. Essen. Innenstadt“ am Montag (23. 10.) vor: Oberbürgermeister Thomas Kufen, Martin Harter (Planungsdezernent), Svenja Krämer (Citymanagerin EMG), Marco Eißing (Projektleiter Stadtteilentwicklung Stadtkern Ostviertel, Südostviertel), Stefan Schwarz (Leiter Amt für Stadterneuerung und Bodenmanagement), Christoph Klanten (Gesellschafter und Büroleiter Reicher Haase Haase Assoziierte) und Moritz Lippold (Projektleiter des Büros Reicher Haase Haase Assoziierte“). © FUNKE Foto Services | Uwe Möller

All diese – noch wenig konkreten und schwammig formulierten – Punkte sind in mehreren Workshops in diesem Jahr erarbeitet worden. Beteiligt waren daran Akteure aus der Stadtverwaltung, Handel, Gastronomie, Immobilienwirtschaft und verschiedensten Interessengruppen. Diskussionsgrundlage für die Teilnehmer war eine Analyse, die den derzeitigen Stand der Innenstadt abbildet. Essens Status quo sieht demnach wie folgt aus.

Status quo der Essener Innenstadt: Was hat die Analyse im Vorfeld ergeben?

  • Stärken: Die sogenannte SWOT-Analyse lobt beispielsweise die derzeitige gastronomische Vielfalt in der Innenstadt, zudem sei der Stadtkern durch die Nähe zum Hauptbahnhof überregional gut angebunden. Events und Stadtteilfeste werden als „frequenzstark“ beschrieben. Svenja Krämer, Citymanagerin der EMG, erinnert am Montag beispielsweise an den Auftakt des Essen Light Festivals, als sich vor einigen Wochen der Kennedyplatz in eine Open-Air-Disco verwandelte – und durch die Zusammenarbeit mit der gerade bei jüngeren Essenern beliebten Meme-Seite ‘Essen diese’ viele mitmachten.
  • Schwächen: hoher Versiegelungsgrad, wenige Bäume, kaum Schatten. Wie auch unsere Umfrage zur Situation der Essener Innenstadt im vergangenen Jahr ergeben hatte, kommt die SWOT-Analyse neben anderen Punkten ebenfalls zu dem Schluss, dass es nicht gut um die Aufenthaltsqualität bestellt ist, die Sicherheit als nicht gut empfunden wird. Die beiden Einkaufszentren Limbecker Platz und Rathaus-Galerie hätten darüber hinaus eine „räumliche Trennwirkung“.
  • Risiken: Gar als Risiko wird der allgemeine Modernisierungsbedarf gesehen, ebenso wie der hohe Leerstand in eigentlichen Toplagen auf Kettwiger und Limbecker Straße. Zudem markiere der Bereich um die Marktkirche eine Trennung der südlichen und nördlichen Innenstadt.
  • Gleichwohl gebe es Chancen für die Innenstadt. Die Vielfalt an Plätzen in der Stadt wird genannt, die Einkaufsmeilen seien bunt, neue Impulse verspricht sich die Analyse etwa von dem geplanten Umzug der Zentralbibliothek in die ehemalige Mayersche Buchhandlung am Markt 5.

>>> INFO: Leitbild Thema im Rat

  • Das Leitbild wird die Grundlage für die Erarbeitung eines Integrierten Entwicklungskonzeptes (IEK) sein, um aus der Theorie konkrete Maßnahmen abzuleiten. Im Rahmen von Workshops und anderen Veranstaltungen sollen auch künftig unterschiedliche Akteure der Innenstadt an den Zukunftsplänen mitwirken.
  • Im Rat der Stadt Essen wird das Leitbild „Zukunft. Essen. Innenstadt“ in der November-Sitzung Thema sein.

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