Essen. In der Villa Hügel wurde der Wissenschaftspreis 2023 der Krupp-Stiftung vergeben. Dabei wurde am Rande eine erstaunliche Neuigkeit mitgeteilt.

Die Informatikerin Zeynep Akata-Schulz hat den diesjährigen Alfried-Krupp-Förderpreis erhalten. Die 37-jährige, geboren in der Türkei, ist seit 2019 Professorin für Erklärbares Maschinelles Lernen an der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät der Universität Tübingen und beschäftigt sich intensiv mit dem Zukunftsthema Künstliche Intelligenz (KI) und ihrer Anwendung. Der mit einer Million Euro dotierte Preis wird seit 1986 vergeben und gehört zu den bedeutendsten wissenschaftlichen Auszeichnungen in Deutschland.

Dass die Preisverleihung 2023 in einem besonderen Jahr stattfindet, wurde mit dem Thema der Festrede noch einmal betont. „Von Maschinen, Majestäten und Mirakeln – Geschichten aus 150 Jahren Villa Hügel“, nannte Prof. Ralf Stremmel, Leiter des Historischen Archivs Krupp, seinen Vortrag.

Von Maschinen habe man bei der Preisverleihung viel gehört, von der Villa Hügel sei das weniger weit entfernt als es scheine, so Stremmel. „Denn nichts anderes als eine Maschine hatte der Bauherr Alfred Krupp in den 1860er Jahren im Sinn, eine Wohnmaschine, wenn man einen späteren Begriff des berühmten Architekten Le Corbusier aufgreifen will.“ Der eigentliche Begründer des Unternehmens hatte es sich in den Kopf gesetzt, so etwas wie die „erste Klimaanlage der Welt“ in sein Haus einbauen zu lassen, was allerdings die Möglichkeiten der damaligen Technik bei weitem überforderte. „Nichts klappte wie geplant“, so Stremmel, Kälte und Zugluft setzten Krupp sehr zu.

Geschichten rund um die Villa Hügel, die nun sogar 399 Zimmer hat statt „nur“ 269

Prof. Ralf Stremmel, Leiter des Historischen Archivs Krupp, bei seinem Festvortrag.
Prof. Ralf Stremmel, Leiter des Historischen Archivs Krupp, bei seinem Festvortrag.

Der Historiker bereitete launig und in plakativer Auswahl die Geschichte des Hauses und der Menschen, die hier lebten und zu Besuch weilten, vor dem Publikum aus. Auch Hitler war viermal auf dem Hügel, den „strukturellen Opportunismus“ der Krupps während der NS-Zeit ließ Stremmel nicht unerwähnt. Nicht zuletzt wegen der neuen Diskussionen um die Rolle von Alfried Krupp von Bohlen und Halbach, dem Begründer der Stiftung und Namensgeber des Wissenschaftspreises, war das erwartbar und auch folgerichtig.

Ganz nebenbei wartete Stremmel noch mit einer Überraschung auf: Nicht etwa – wie bisher offiziell vermerkt – 269 Räume und 8100 Quadratmeter Wohn- und Nutzfläche hat die Villa Hügel. Es sind vielmehr 399 Räume auf 11.000 Quadratmetern. Nach Abzug der britischen Besatzungsbehörden, die den Bau nach dem Zweiten Weltkrieg beschlagnahmt hatten, hatte man im Jahr 1952 bei Krupp einmal genau und professionell vom Keller bis zum Dachboden nachgemessen und war dabei auf die höheren Zahlen gekommen.

Warum diese Messung wiederum so lange verschollen blieb und die falschen Zahlen so lange Bestand hatten, darf man wohl zu den vielen Mysterien rund um dieses Haus zählen.

Menschen sollen nachvollziehen können, warum KI bestimmte Entscheidungen trifft

Zurück zu Prof. Zeynep Akata Schulz, deren Leistungen Ursula Gather, die Kuratoriumsvorsitzende der Krupp-Stiftung, in ihrer Rede würdigte. Erklärbares Maschinelles Lernen habe das Potenzial, die Lebensqualität zu verbessern und innovative Lösungen für komplexe Probleme zu finden. „Es wird unser Leben verändern“, betonte Gather im festlichen Rahmen der oberen Halle der Villa Hügel.

Erklärbares Maschinelles Lernen biete Erklärungen, damit Menschen nachvollziehen können, wie und warum eine KI eine bestimmte Entscheidung getroffen hat, so die Krupp-Stiftung in einer Mitteilung. Dies stärke das Vertrauen in KI, ermögliche es Benutzern, Fehler zu erkennen, und trage zu verantwortungsvollen Entscheidungen bei. Der Ansatz könne beispielsweise im Finanz-, Gesundheits- und Rechtswesen Anwendung finden.

Viel Lob für eine Wissenschaftlerin, die ihre Mitarbeiter nach Essen eingeladen hatte

„Akatas Vision ist es, eine selbsterklärende KI zu schaffen, die mit minimalem Feedback lernen und zuverlässig sowie transparent mit Menschen interagieren kann. Dies kann besonders relevant für mobile Robotik und intelligente Fahrzeuge sein“, so die Stiftung. Fachkollegen beschrieben Akata als Ausnahmewissenschaftlerin: Neben ihren wissenschaftlichen Leistungen und der Publikationstätigkeit – sie wurde bereits 15.000 Mal in Fachkreisen zitiert – engagiert sie sich in der Lehre und betreut Studierende sowie Promovierende.

In Videos hatten sich enge Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sehr lobend über die fachlichen, aber auch sozialen Fähigkeiten Ihrer sympathisch wirkenden Professorin geäußert, und wohl nicht zufällig brachte die Wissenschaftlerin viele mit nach Essen, ein ganzer Tisch im Festsaal war für die Mitarbeiter reserviert.