Essen. 95 Jahre Essener Lichtburg: Filmstars von Iris Berben bis Jürgen Vogel gratulieren. Peter Lohmeyer hat Gänsehaut. Und im Kino wird sogar getanzt.
Schwarz-Weiß der Auftakt, Schwarz-Weiß das Finale: Die Lichtburg hat zum 95. Geburtstag die große Zeitmaschine angeworfen. Rund 1000 Geburtstagsgäste tauchten am Mittwochabend (18. Oktober) mit ein in die Geschichte des größten und für die allermeisten auch schönsten Lichtspielhauses der Republik. „Es ist unser schönstes Kino“, sagt Oberbürgermeister Thomas Kufen. Wie stolz und glücklich man auf dieses Juwel der Kinogeschichte sein kann, in dem schon Filmlegenden wie Romy Schneider und Gary Cooper Premieren feierten, betonte nicht nur Kufen. Auch Laudator Peter Lohmeyer zeigte sich nach all den Lobeshymnen auf der Bühne ziemlich bewegt: „Ich hab jetzt Gänsepelle.“
Jürgen Vogel sagt: „Ein krasstolles Kino, ich komme gerne hierher“
Lohmeyer ist nicht der einzige, der immer wieder gerne da oben steht, weil der Saal nach Aussage der allermeisten einfach „gigantisch“, das Publikum „großartig“, die Atmosphäre „unglaublich“ ist. Harry-Potter-Star Helena Bonham Carter hat den Lichtburg-Auftritt in den vergangenen Jahren deshalb genauso genossen wie Hape Kerkeling, Barbara Sukowa, Charly Hübner, Udo Lindenberg, Campino, Mario Adorf, Anna Maria Mühe, Florian David Fitz oder Daniel Brühl und viele mehr. Für Schauspieler Jürgen Vogel ist es einfach ein „krasstolles Kino, ich komme supergerne hierher“. Für Joachim Król ist es jedes Mal „wie nach Hause kommen, zur Lichtburg, zu Marianne“ (Menze). Und auch Aylin Tezel kann der alten Dame Lichtburg nur Komplimente machen: „Du siehst einfach immer noch toll aus“.
Lesen Sie auch:
Die Geburtstagsgrüße kamen diesmal vorwiegend von der Leinwand, nachdem das „Who is Who“ der Filmwelt in der von Filmemacher Erwin Wiemer aufwendig zusammengeführten Premierenchronik noch einmal zu bewundern war. Es ist halt „nur“ der 95. Geburtstag und zum 100. muss das das Partypensum ja noch steigerungsfähig sein. Filmstar Iris Berben kündigte den nächsten Besuch in ihrem „Lieblingskino“ immerhin schon mal an. Am 13. Dezember will sie zur Premiere von „791 Kilometer“ wieder auf dem Roten Teppich stehen. Und die allseits gefeierten „Lichtburg-Retter“, Filmemacher Wim Wenders und BAP-Sänger Wolfgang Niedecken, werden hoffentlich auch dabei sein. Selbst wenn sie dem 95-jährigen „Kinöchen“ noch einiges an Jahren voraus haben: „Zusammen sind wir schon 150!“, flachste Wenders augenzwinkernd.
„Es gibt kein vergleichbares Kino. Es gibt nur die Lichtburg“
Ihr legendärer Auftritt im Essener Ratssaal, der dereinst die Wende brachte und die Politik im letzten Moment noch von dem törichten Gedanken abbrachte, aus Deutschlands großartigem Premierenkino einen Ort für Shopping und Doppelgängerauftritte zu machen, war am Jubiläumsabend natürlich Thema. Wie die vielen Krisen, die der Filmpalast in den vergangenen Jahrzehnten überstanden hat. Und die großen, fast staatstragenden Lichtburg-Ereignisse: „Das Wunder von Bern“ im Beisein von Kanzler Gerhard Schröder, oder die „Buddenbrooks“-Premiere mit Bundespräsident Horst Köhler.
Die besondere Aufmerksamkeit aber galt Kinochefin Marianne Menze und ihrem Team, die das legendäre, denkmalgeschützte Lichtspielhaus in den vergangenen zwei Jahrzehnten wieder zum einem Ereignisort gemacht haben – mit zahllosen Kinopremieren, aber auch mit Veranstaltungen aller Art, von Konzerten bis Kabarettabenden. Trotz mancher Zweifel, „ob man so ein großes Haus mit 1250 Plätzen wirtschaftlich betreiben kann“, wie Britta Lengowski von der Filmstiftung NRW einräumte. Dass es gelungen sei, „hängt vor allem auch an den Menschen“, weiß Lengowski. Und am besonderen Zauber dieses Filmpalastes, den man in Berlin, Hamburg, München oder Köln eben nicht finde. „Es gibt kein vergleichbares Kino. Es gibt nur die Lichtburg.“
Es gab viel zu erzählen und viel zu zeigen an diesem Jubiläumsabend. Fast fünf Stunden dauerte denn auch das ausgedehnte Programm, das noch einmal vorführte, was die Lichtburg alles sein kann. Eben nicht nur Kino, sondern auch Konzert- und Tanzbühne: Musiker Frank Weise begleitete da auf formidable Weise den Stummfilm „Cops“ von und mit Buster Keaton aus den frühen 1920er Jahren. Und das Aalto-Ballett-Theater war mit Ausschnitten aus dem Tanzabend „Smile“ mit seinem Charlie Chaplin stilecht zur Stelle.
Filmkunst gab es natürlich auch: Ob Timm Krögers rätselhafter Schwarz-Weiß-Film „Die Theorie von Allem“ über einen mysteriösen Physikerkongress in den Schweizer Alpen zu diesem Anlass eine absolut glückliche Wahl war, sei dahingestellt. Selbst der Regisseur beschreibt sein Werk als „einen Film, den man beim ersten Mal unmöglich verstehen kann“. Der einzige deutsche Wettbewerbsbeitrag der diesjährigen Filmfestspiele von Venedig sorgte aber für eine zukunftsweisende Perspektive und zumindest für eine starke thematische Klammer. Begonnen hatte der Abend schließlich mit einem Schwarz-Weiß-Kurzfilm aus den 1960ern. Als Erinnerung an einen Essener Cineasten, der das Lichtburg-Wunder zusammen mit seiner Partnerin Marianna Menze erst möglich gemacht hat: der vor drei Jahren verstorbenen Kinobetreiber Hanns-Peter Hüster.
| Auf einen Blick: Polizei- und Feuerwehr-Artikel + Innenstadt-Schwerpunkt + Rot-Weiss Essen + Lokalsport | Nachrichten aus: Süd + Rüttenscheid + Nord + Ost + Kettwig & Werden + Borbeck & West | Alle Artikel aus Essen | Social Media: Facebook + Instagram + Twitter | Kostenloser Newsletter: Hier