Das Essener Traditionskino lädt diesen Mittwochabend zur Jubiläums-Gala, mit Laudatio eines bekannten Schauspielers. Chefin hat Zukunft im Blick.
Als Marianne Menze 1949 in Bochum geboren wurde, befand sich die von Kriegsbomben zerstörte Lichtburg im Wiederaufbau. 20 Jahre zuvor, am 18. Oktober 1928 eröffnet, galt sie mit 2000 roten Sitzen, architektonischer Eleganz und modernster Vorführtechnik als Symbol für großstädtisches Flair. Sie hat so viele Krisen verkraftet, dass ihr Überleben an ein Wunder grenzt: den Nationalsozialismus und die Bomben im Zweiten Weltkrieg, den Niedergang durch Fernsehen und Multiplex-Kinos, den angepeilten Verkauf sowie die Umnutzung. Und der Corona-Pandemie hat sie auch getrotzt. Jetzt wird der 95. Geburtstag groß gefeiert.
Ihren Ruhm hat die Lichtburg in den Nachkriegsjahren gesammelt. 1950 wurde sie mit 1660 Plätzen in einem neu erbauten Saal wiedereröffnet und die Betreiber Heinrich Jaeck und Erich Menz machten aus ihr das „Spitzenfilmtheater“, das sie heute wieder ist. Tausende von jubelnden Menschen füllten die Kettwiger Straße, wenn Leinwandlieblinge wie Curd Jürgens, Hans Albers, Romy Schneider, Heinz Rühmann, Nadja Tiller und Karin Dor ihre Filme präsentierten. Doch nicht nur als Erst- und Uraufführungskino wurde die Lichtburg berühmt. Konzerte mit Louis Armstrong oder Josephine Baker, Theatergastspiele mit Mario Adorf und Bernhard Minetti waren gesellschaftliche Anlässe.
Das glanzvolle Premierenkino wurde ab 1998 wiederbelebt
„Dazu kann ich gar nichts sagen. Ich war nicht dabei“, meint Marianne Menze, Geschäftsführerin der Lichtburg und der Essener Filmkunsttheater. Sie wurde filmisch im Bochumer Union-Kino sozialisiert, bevor sie ihren Mann Hanns-Peter Hüster Anfang der 1970er Jahre bei einer Vorführung von Stanley Kubricks „2001: Odyssee im Weltraum“ kennenlernte. Dem inzwischen verstorbenen Kinobetreiber war die Lichtburg noch aus seiner Kindheit vertraut.
Er hatte Gary Cooper bei der Premiere von „12 Uhr mittags“ erlebt. Er filmte ihn vergeblich mit seiner 16mm-Kamera im überfüllten Foyer. Später sah er noch „Die glorreichen Sieben“. Dann besuchte er die Lichtburg nicht mehr: „Filme wie ,Tante Wanda aus Uganda’ waren nicht mein Fall.“ Ganz aus den Augen verlor er die Entwicklung des legendären Kinos unter Kinobetreiberin Ilse Menz jedoch nie. Als das Traditionskino sich mehr schlecht als recht über Wasser halten konnte, verkauft und zweckentfremdet werden sollte, entschloss sich Hanns-Peter Hüster mit Marianne Menze, den Kampf um die Lichtburg aufzunehmen.
Gala zum 95. Lichtburg-Geburtstag
Der 95. Geburtstag der Essener Lichtburg wird am Mittwoch, 18. Oktober, ab 18 Uhr gebührend gefeiert. Prominente Gratulanten sind unter anderen Oberbürgermeister Thomas Kufen und Schauspieler Peter Lohmeyer, der auch die Laudatio auf das historische Premierenkino halten wird.
Im künstlerischen Programm der Gala wird Stummfilm-Musiker Frank Weise den Buster-Keaton-Film „Cops“ von 1922 am Flügel begleiten, das Aalto-Ballett zeigt einen Ausschnitt aus dem Charlie-Chaplin-Abend „Smile“ und um ca. 20 Uhr startet die Premiere des Schwarz-Weiß-Films „Die Theorie von Allem“ mit Regisseur Timm Kröger als Gast.
Karten online auf www.filmspiegel-essen.de oder telefonisch unter 0201 23 10 23.
„Kannst Du Dir vorstellen, dass hier nie wieder ein Projektor läuft?“, hatte er sie tief beeindruckt angesichts der Architektur gefragt. Konnte sie nicht. „Für ein Interimsjahr wollten wir sie übernehmen. Sie war nicht unsere Größenordnung“, erzählt Marianne Menze, die früher mit ihrem Mann ausschließlich Programmkinos leitete. Doch alle Pläne, ob Philharmonie oder Doppelgänger-Show, hätten ihr Aus bedeutet. Also holte sie Prominente mit ins Boot, um Aufmerksamkeit zu erregen.Regisseur Wim Wenders und BAP-Sänger Wolfgang Niedecken sprachen sich bei einer offenen Sitzung des Stadtrats für den Erhalt aus. Mit Erfolg.
„Wir haben Sand ins Getriebe gestreut und Öffentlichkeit hergestellt. Als wir noch mit Mitarbeitern der Essener Filmkunsttheater die Lichtburg eine Woche lang putzten, kamen Leute von der Straße herein und sagten: ,Toll, dass ihr die Lichtburg übernehmt’“, berichtet die Kino-Chefin bewegt von der Solidarität, die ihnen von Essenerinnen und Essenern entgegengebracht wurde. Auch die hiesige Hochkultur, allen voran der damalige Schauspiel-Intendant Jürgen Bosse, stand hinter ihnen.
Aus einer Zwischenlösung wurden 25 erfolgreiche Lichtburg-Jahre
Filmstars wie Joachim Król, Florian David Fitz, Barbara Sukowa, Katja Riemann, Filmschaffende wie Tom Tykwer, Marc Rothemund und Margarethe von Trotta, die Montag ihr jüngstes Werk „Ingeborg Bachmann“ vorstellt, Verleiher und Filmstiftung waren bei Premieren des Traditionskinos mit dabei. Marianne Menze fand sie „alle toll“. Was mit Bond-Darsteller Pierce Brosnan und Poirot-Darsteller Sir Peter Ustinov begann, wurde „schnell ein Selbstläufer“, so Marianne Menze.
Aus einer Zwischenlösung wurden 25 Jahre. Die Vielfalt im Programm und die modernste Vorführtechnik bleibt dem legendären Kino auch in Zukunft erhalten: Musik und Kabarett (statt Theater) auf der Bühne, Blockbuster auf der Leinwand. Tangerine Dream und Patricia Kelly musizieren, Hazel Brugger und Sebastian Bielendorfer amüsieren, Matthias Brandt eröffnet, Daniel Kehlmann beschließt die Lit.Ruhr in der Lichtburg und auf der rund 150 Quadratmeter großen Leinwand läuft demnächst „Killers of the Flower Moon“ und „Die Tribute von Panem“.
Wenn überhaupt ein Gast für Marianne Menze ein Ereignis war, dann der Auftritt der von ihr verehrten Chansonsängerin Juliette Greco vor der Sanierung der Lichtburg. „Wie sie in der noch abgetakelten Garderobe saß, ist unvergesslich“, erinnert sich die 74-Jährige. Und auch der Tod von Schauspielerin Hannelore Elsner, die gern bemuttert werden wollte, hat sie sehr berührt: „Wir haben sie geliebt und sie uns.“ Solche Weggefährten wie Heino Ferch, Matthias Schweighöfer und bis heute Peter Lohmeyer, der diesmal die Geburtstagslaudatio hält, wünscht sie ihren Nachfolgenden. „Bei dem 100. Geburtstag möchte ich dabei sein“, sagt sie, „aber nicht mehr als Geschäftsführerin.“
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