Essen-Bedingrade. Sie wohnt im Hospiz und sagt: „Sterben ist nicht so mein Ding“. Genau das wird aber bald passieren. Petra Petter ist 63 Jahre alt und krebskrank.

Petra Petter sitzt auf einer Bank und liest das Lustige Taschenbuch. Von oben wärmt ein Heizstrahler ihren Kopf, auf dem nur wenige Haarstoppeln zu sehen sind. Die 63-Jährige sitzt auf der Terrasse des Hospiz’ Cosmas und Damian in Essen-Bedingrade und hat heute einen guten Tag, wie sie selbst sagt.

An einem guten Tag könne sie ein kleines bisschen verdrängen, dass sie bald sterben wird, sagt Petter. Die Brustkrebs-Diagnose stellten Ärzte im vergangenen Jahr „bei einer Routineuntersuchung“. Sie fanden dann schnell Metastasen an verschiedenen Organen, nicht nur in der Brust: Petter: „Ich dachte eigentlich, es ist ein Mückenstich.“ Die Chemotherapie habe nicht angeschlagen und sei während einer Dialyse-Behandlung unterbrochen worden. Danach sei es eigentlich zu spät gewesen. Austherapiert.

Im Hospiz geht es darum, die letzten Tage vor dem Tod zu genießen

Die Essenerin erzählt das weitestgehend emotionslos und zieht eine Zigarette aus der Packung, die auf ihrem „Porsche“ liegt, wie sie ihren Rollator nennt. „Jetzt ist es auch egal“, sagt sie mit Blick auf den Glimmstängel und ergänzt: „Die Ärzte haben gesagt, dass ich rauchen darf.“ Auch die Lunge von Petra Petter ist von Metastasen befallen, genau wie der Kopf.

Im Hospiz geht es nicht mehr darum, gesund zu leben, sondern die letzten Tage oder Wochen vor dem Tod zu genießen. Zum Frühstück isst Petra Petter beispielsweise gerne ein Milchbrötchen mit Nutella – „und ein Ei darf natürlich nicht fehlen“. Und mittwochs sei die Terrasse immer voll, dann gibt es Waffeln mit heißen Kirschen und Sahne für alle „Gäste“ – so heißen die Bewohner und Bewohnerinnen im Hospiz der Caritas Skf Essen GgmbH (CSE). Manche würden dann im Bett rausgefahren, andere sitzen im Rollstuhl und Petter fährt mit ihrem Porsche vor. „Es ist ein bisschen wie eine Wohngemeinschaft“, sagt Pflegedienstleitung Marion Vogel.

Palliative Versorgung in Essener Hospiz

Jemand, der eine Krankheit und eine ärztliche Diagnose hat, die besagt, dass die Lebenserwartung nicht mehr länger als sechs Monate beträgt, kann ins Hospiz einziehen. Ärztliche Behandlungen finden dann nicht mehr statt, nur noch eine palliative Versorgung. Die Gäste sollen ohne Schmerzen leben. Die durchschnittliche Aufenthaltsdauer in der Einrichtung in Bedingrade beträgt zwei Wochen. Petra Petter wohnt allerdings schon seit fast zwei Monaten in dem Zimmer, das direkt an die Terrasse mit der Raucherbank grenzt.

„Ich habe Angst vor dem Abgang“, sagt die ehemalige Postbotin und will eigentlich nicht über den Tod sprechen. Nicht darüber, wie es sich wohl anfühlt zu sterben, nicht darüber, was danach kommt. Nach der Diagnose seien viele Tränen geflossen. Und dann, sagt Petter mit dem Humor, den sie dennoch nicht verloren hat: „Ich bin dann zum Macke-Doktor gegangen, danach ging es besser.“ Sie meint damit einen Psychotherapeuten. Auch die Seelsorger im Hospiz würden ihr helfen, mit ihr sprechen – mehr über das, was mal war, als das, was bald kommt. „Letztes Mal hat der Seelsorger zwei Chickenburger mitgebracht, das war gut“, sagt Petter, die absolut zufrieden mit der Versorgung an der Laarmannstraße ist.

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Die Morphiumpumpe sorge dafür, dass die Frohnhauserin keine Schmerzen ertragen muss und das Team schenke ihr eine gute Zeit im Hospiz: „Die kümmern sich hier gut um mich“, sagt Petter, die jeden Tag Besuch von ihrer Cousine bekommt. Einen Mann habe sie nicht: „Braucht man nicht unbedingt.“

Die Cousine versorge sie nicht nur mit Zigaretten, sondern auch mit neuem Lesestoff von Donald Duck und seiner Familie sowie Lego-Sets. Zuletzt habe sie einen Monstertruck zusammengebaut – „Fummelarbeit“. Als nächstes auf dem Plan steht die Polizeistation. Ansonsten habe sie eigentlich keine großen Wünsche mehr. Der letzte sei ihr mithilfe des Wünschewagens erfüllt worden: „Ich wollte unbedingt zu der Beerdigung meiner Mutter.“ Das sei ihr ermöglicht worden, wofür sie sehr dankbar sei.

Team im Essener Hospiz erfüllt letzte Wünsche der Gäste

Ein Teil des Teams im Bedingrader Hospiz Cosmas und Damian: Marion Vogel, Pflegedienstleitung (v.l.), Dominique, Andreas, Marina und Verena.
Ein Teil des Teams im Bedingrader Hospiz Cosmas und Damian: Marion Vogel, Pflegedienstleitung (v.l.), Dominique, Andreas, Marina und Verena. © FUNKE Foto Services | Uwe Ernst

Klar wäre es jetzt auch schön, nochmal in den Urlaub nach Spanien zu fahren, Petter merkt aber, dass die Kräfte ihren Körper verlassen. Die Krankheit wird siegen. Und das kündigt sich manchmal bereits an. Das sind dann die schlechten Tage. An denen bleibt Petra Petter im Bett, spielt ein bisschen an der Konsole und schafft sonst nicht viel mehr.

Aber heute ist ja ein guter Tag und da überlegt die Essenerin, ob sie demnächst vielleicht doch nochmal einen Ausflug zum Starlight Express nach Bochum machen könnte. Petter: „Aber nur, wenn die anderen hier auch mitkommen, sonst macht es keinen Spaß.“ Das Team im Hospiz erfüllt Wünsche wie diese – auch mithilfe von Spenden. Das macht auch der Personalschlüssel möglich: 1,4 Pflegekraft-Stellen sind hier für jeden der zehn Gäste vorgesehen.

Ob Petra Petter es noch schafft, das Musical in Bochum zu sehen, ist unklar. Sie sagt aber deutlich: „Sterben ist nicht so mein Ding“, drückt die Zigarette aus, steht mühsam auf und geht mit ihrem Rollator zurück ins Hospiz-Zimmer.

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