Essen. Der beliebte Rad- und Fußweg zwischen Steele und Rüttenscheid soll umgebaut werden. Sicherer wird der Radweg dadurch aber nicht, warnen Anwohner.
Seit 30 Jahren wohnt Veronika Rudolph-Gather in Rellinghausen direkt an der Grugatrasse. „Damals fuhren schon keine Züge mehr“, erinnert sie sich. Erst Ende der 1990er Jahre wurden Schienen und Schwellen der ehemaligen Güterzugstrecke entfernt und die Gleistrasse umgebaut. Geradelt wurde auf Schotter, später auf Asphalt.
Heute ist die Grugatrasse der meistfrequentierte Radweg der Stadt. Täglich nutzen durchschnittlich 1830 Radfahrerinnen und Radfahrer die Strecke, die den Ruhrtalradweg in Steele mit der ehemaligen Rheinischen Bahn in Essen-Schönebeck verbindet. An Wochenenden sind es mehrere Tausend, dazu kommen Jogger und Spaziergänger. „Dann herrscht Rushhour“, weiß Veronika Rudolph-Gather aus eigener Anschauung. Sie und ihr Mann, Herbert Gather, sind selbst oft mit dem Fahrrad unterwegs.
Wenn sich Radfahrer und Fußgänger auf der begegnen, wird es mitunter gefährlich
Weil es mitunter gefährlich zugeht, wenn Radfahrer und Fußgänger einander begegnen, hat sich die Stadt entschlossen, die Grugatrasse auszubauen. Als erster Schritt soll die Trasse auf einer Länge von knapp fünf Kilometern von der Kurt-Schumacher-Brücke in Steele bis zur A 52 in Rüttenscheid verbreitert werden, von heute 3,50 Meter auf 5,50 Meter, was allerdings nicht überall möglich ist.
Von der Stadt Essen seien sie als Anwohner leider nicht über die Pläne informiert worden, bedauert Veronika Rudolph-Gather. Als sie davon erfuhr, schrieben sie und ihr Mann an die Stadt Essen und an die im Rat der Stadt vertretene Parteien, um ihre Bedenken zu äußern. „Die Resonanz war bescheiden“, berichtet Veronika Rudolph-Gather. Mittlerweile ist der Ausbau beschlossene Sache. Als Anwohner hoffen sie dennoch noch auf bessere Einsicht bei den Verantwortlichen.
Die Grugatrasse gehöre heute bereits zu den am besten ausgebauten Radwegen in Essen. Ihr Sorge: Wird die Trasse verbreitet, sorgt das nicht für mehr Sicherheit. Das Gegenteil sei der Fall. Warum? Auf dem Streckenabschnitt zwischen Ruhrtal und Rüttenscheid gilt es einen Höhenunterschied von 50 Metern zu überwinden. Wer bergab fährt in Richtung Ruhr, kommt rasch auf Tempo. „Wenn die Trasse verbreitert wird, verleitet das nur dazu, noch schneller zu fahren“, warnt Herbert Gather. So mancher könnte die Bezeichnung „Radautobahn“ allzu wörtlich nehmen, und tatsächlich sind radelnde Raser schon jetzt keine Seltenheit.
Fußgänger und Radfahrer sollen durch einen Streifen voneinander getrennt werden
Das könnte vor allem für Fußgänger gefährlich werden, im Fall einer Kollision mit Sturz aber genauso für Radfahrer. Zwar sollen Rad- und Fußverkehr nach den Planungen durch einen sogenannten taktilen Trennstreifen voneinander getrennt werden, ob das aber Sicherheit schafft, ist fraglich. Auch der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC) sieht dies kritisch. Hinzu kommen diverse Engstellen.
Ursprünglich sollte die Trasse, die sich im Laufe der Jahrzehnte üppig selbst begrünte, auf 6,50 Meter verbreitert werden. Möglich wäre das durchaus. Um später potenziell leichter ausbauen zu können, hat die alte Reichsbahn oftmals selbst dann künstliche Dämme für Doppelgleise errichtet, wenn wie hier zunächst nur ein Schienenstrang benötigt wurde. Mit Rücksicht auf Natur und Landschaft und um Bäume zu schonen will die Stadt nun aber dennoch etwas schmaler bauen.
Kalkuliert wird mit Baukosten von fünf Millionen Euro. Der Aufwand dürfte stellenweise beachtlich sein. Die ab den 1870er Jahren gebaute Trasse trug zwar einst Lokomotiven und viele Tonnen schwere Kohlenwaggons, ist aber eben in die Jahre gekommen. Alte Stützmauern aus Beton am Fuß des Damms geben unter der Last des Eigengewichtes nach und sind zerbrochen.
Stützmauern am Fuße der Grugatrasse haben unter dem Gewicht nachgegeben
Dass die Stadtverwaltung als Begründung für den Ausbau der Trasse die Förderung des Radverkehrs angibt und auch den gerichtlichen Vergleich anführt, auf den sich Bezirksregierung und Stadt Essen mit der Deutschen Umwelthilfe zwecks Schadstoffreduzierung verständigt haben, kann die Anwohner nicht überzeugen. Es gebe zahlreiche Radwege in der Stadt, die es nötiger hätten ausgebaut zu werden.
38 ältere Bäume sollen für den Ausbau der Trasse gefällt werden
In Kauf nimmt die Stadt, dass durch den Ausbau der Grugatrasse Natur verloren geht. 38 ältere Bäume müssen gefällt werden, heißt es. Hinzu kommt eine nicht genannte Zahl kleiner Bäume und Sträucher. 121 Bäume sollen nachgepflanzt werden. Und schöner wird die Grugatrasse sicherlich auch nicht. Der heutige Charakter als schmales, grünes, gut eingewachsenes Asphalt-Band mitten in der Stadt dürfte zumindest für einige Jahre verschwinden und dem Bild einer kleineren Straße weichen.
Veronika Rudolf-Gather appelliert an die Stadt, die Bürger zu beteiligen, „damit nicht ein Baum zu viel gefällt wird“. Erfolgversprechend? Kleinere Änderungen im Detail mögen noch möglich sein, doch die Planung ist längst beendet und der Baubeschluss im Stadtrat gefällt. (mit F.S.)