Essen/Mülheim. Muss die Polizei wegen einer Ansammlung Zwangsmaßnahmen ergreifen, sollen die Störer zahlen. FDP kritisiert bisherigen Umgang mit Blockierern.

Für Klimakleber und Co. könnte es in Essen und Mülheim bald teuer werden: Die Polizei will Störer wie Blockierer konsequent zur Kasse bitten, kündigte die Behörde auf Nachfrage dieser Zeitung ungeachtet der politischen Querelen um die neue Gebührenordnung des Landes an.

Ungeachtet der politischen Querelen um die neue Gebührenordnung des Landes gelte grundsätzlich: Die Gebühren bis zu einer Maximalhöhe von 50.000 Euro werden immer dann erhoben, wenn die Polizei „wegen einer öffentlichen Ansammlung aufgrund eines Aufrufs oder dessen Weiterleitung in einem sozialen Netzwerk“ aktiv werden muss, um mit „unmittelbarem Zwang die öffentliche Sicherheit oder Ordnung wieder herzustellen“, macht die Essener Behörde deutlich.

Lesen Sie auch:

Das gelte ausdrücklich nicht nur für Aktivisten, die sich auf der Straße festkleben, sondern auch für andere vorsätzlich provozierte Einsätze wie etwa durch ausufernde Feiern oder im Zusammenhang mit Fußballspielen. Dabei wird die Gebühr nicht als Strafe verstanden, sondern sie soll den Aufwand eines Polizeieinsatzes ausgleichen. Je länger der dauert, desto höher sind zwangsläufig die Kosten.

Stundensätze und Besoldungsgruppen sind zu beachten

Jetzt wird es kompliziert: Es werde dabei nach festgesetzten Stundensätzen abhängig von der Besoldungsgruppe der beteiligten Polizisten abgerechnet, heißt es. Der Zeitaufwand werde je angefangene 15 Minuten summiert, wobei die Dauer für die Vor- wie Nachbereitung ebenfalls gebührenpflichtig sei. Es könnten auch Auslagen wie die Kosten für Gerätschaften und Reinigung durch andere Behörde oder Dienstleister in die Forderung einfließen.

Das klingt nach jeder Menge Zettelkram und viel zusätzlichem Verwaltungsaufwand. Um allzu ausufernden Bürokratiezuwachs zu vermeiden, ist deshalb nicht nur ein Musterformular vorgesehen, sondern es gilt auch die Maßgabe, bei Bagatellfällen und wenn die Ermittlung des Verursachers absehbar teurer werden könnte als der Polizeieinsatz selbst es war, von den Gebühren abzusehen.

FDP sieht Optimierungspotenzial der Ordnungsbehörden

Nachdem Innenminister Herbert Reul die Gebührenordnung der NRW-Polizei auf Druck der Fraktion der Liberalen im Landtag hatte ändern lassen, erwartet der Essener FDP-Landtagsabgeordnete Ralf Witzel nun „eine konsequente Anwendung der neuen Möglichkeiten vom Essener Polizeipräsidium“. Witzel sieht in Essen ein „eindeutiges Optimierungspotenzial der Ordnungsbehörden im Umgang mit Blockierern“ wie beispielsweise den Störaktionen von Klimaklebern: „Leider hat die Essener Polizei vor allem im Umgang mit Straftaten der selbst ernannten ,Letzten Generation’ bislang zu wenig Handlungswillen dokumentiert.“

Erst im Juni sei eine unangemeldete Demonstration „freundlich mit hohem personellen Aufwand bei deren Marsch begleitet“ worden, anstatt sie aufzulösen, was geboten gewesen wäre, wie Witzel überzeugt ist. Schon einige Wochen zuvor im April habe diese Organisation „rechtswidrig über Stunden“ die A-40-Abfahrt am Bismarckplatz blockiert, bevor sie dort entfernt worden sei.

Diese Aktivitäten haben nach Überzeugung des Essener Liberalen eines gemeinsam: „Sie schädigen die Allgemeinheit und binden bei Einsatzkräften viele wertvolle Arbeitsstunden. Der neue Polizeipräsident hat dafür zu sorgen, dass endlich absichtsvolle Störer für die Beseitigung ihrer Störaktionen aufkommen und nicht länger die Steuerzahler“, fordert Witzel.

„Straftaten werden konsequent zur Anzeige gebracht“

Auf die Kritik des Essener FDP-Landtagsabgeordneten, die Polizei Essen habe vor allem im Umgang mit Straftaten der selbst ernannten „Letzten Generation“ bislang zu wenig Handlungswillen dokumentiert, reagiert die Behördenleitung nüchtern: „Straftaten werden konsequent zur Anzeige gebracht. Bei den Ermittlungen, die in der Regel durch den polizeilichen Staatsschutz geführt werden, erfährt die selbst ernannte ,Letzte Generation’ den gleichen ,Handlungswillen’ wie andere Gruppierungen oder Personen auch. Hier wird nicht differenziert.“

Und zu der Beanstandung des Einsatzes am 1. Juni in der Essener Innenstadt heißt es im Präsidium an der Büscherstraße: „Da sich zunächst eine größere Personengruppe auf dem Viehofer Platz zusammenschloss, die erkennbar durch Banner und Fahnen der ,Letzten Generation’ angehörte, wurde fortlaufend durch die vor Ort eingesetzten Polizeikräfte versucht, einen Versammlungsleiter zu identifizieren, um im weiteren Verlauf alle rechtlichen Möglichkeiten zur Kooperation und Durchführung einer Versammlung zu erörtern.“

Da sich kein Verantwortlicher zu erkennen gegeben und sich die Gruppe ohne weitere Vorankündigung in Bewegung gesetzt habe, sei zunächst darauf verzichtet worden, den Aufzug zu verhindern. Zwar könne eine solche Versammlung aufgelöst werden, wenn sie nicht angezeigt ist oder die öffentliche Sicherheit und Ordnung in Gefahr sei. Dies bedeute jedoch nicht, dass dies in jedem gesondert zu beurteilenden Einzelfall tatsächlich auch angezeigt sei. Die zuständige Behörde habe einen Ermessensspielraum.

Alle begangenen Verstöße dokumentiert

Zwingend aufzulösen sei eine Versammlung nur nach einem Verbot. Die Tatsache, dass der Aufzug in der Essener Innenstadt nicht unmittelbar unterbunden wurde, sei im Übrigen nicht gleichbedeutend damit, dass die Polizei nicht tätig geworden sei. Man habe zwar unter Beachtung rechtlicher und polizeitaktischer Aspekte auf eine Auflösung verzichtet, jedoch vor dem Hintergrund einer regelmäßigen Verhältnismäßigkeitsprüfung im laufenden Einsatzgeschehen alle begangenen Verstöße dokumentiert und im Anschluss zur Anzeige gebracht, so die Polizei Essen: „Diese Verfahrensweise ist geübte Praxis und wird auch bei ähnlich oder gleich gelagerten Sachverhalten angewendet.“

Im Übrigen seien Ansammlungen, für die nun Gebühren fällig werden können, rechtlich gesehen gerade keine Versammlungen nach Maßgabe des Versammlungsgesetzes NRW, hinter das alle anderen Grundrechte regelmäßig zurücktreten müssen beziehungsweise eingeschränkt werden können, macht die Behörde abschließend deutlich.