Essen-Stadtwald. Vor fünf Jahren haben Petra Höllger und Julian Kramer die „Blumenbar“ in Essen-Stadtwald eröffnet. Dann kamen Corona, Energie- und Ukraine-Krise.
- Vor fünf Jahren wagten zwei Essener Floristen den Sprung in die Selbstständigkeit.
- Damals ahnten sie noch nichts von den Herausforderungen, die kommen würden.
- Jetzt ziehen sie eine Zwischenbilanz, die man so vielleicht nicht erwarten würde.
Fünf Jahre ist es her, da wagten Petra Höllger (55) und Julian Kramer (33) mit ihrer „Blumenbar“ in Essen-Stadtwald den Sprung in die Selbstständigkeit. Was die Floristen damals nicht ahnen konnten: Durch die Corona-Pandemie und den Ukraine-Krieg verlief der Start ganz anders als erwartet. Das sagen die Geschäftspartner heute zu ihrer Entscheidung.
Die Stimmung in der Geschäftswelt ist gerade eher schlecht. Steigende Rohstoff- und Energiepreise, Personalmangel – die Klagen in vielen Branchen ähneln sich. Petra Höllger und Julian Kramer dagegen sind guter Dinge. Ihre „Blumenbar“ läuft.
Nach der Eröffnung des Blumenladens in Essen gab es viele Herausforderungen
Kennengelernt haben sich die gelernten Floristen durch ihre Arbeit in einem anderen Blumenladen nur wenige Meter entfernt am Stadtwaldplatz. Als dessen Inhaber altersbedingt das Geschäft aufgab, ergriffen die beiden ihre Chance.
„Mein Traum war es immer, einen eigenen Blumenladen zu haben“, sagt Petra Höllger, die seit fast 40 Jahren als Floristin tätig ist. Lange Zeit wäre es für die Mutter zweier Kinder schwierig gewesen, einen Laden zu eröffnen. Jetzt sind die Kinder groß, Petra Höllger hat zeitlich mehr Spielraum. Gemeinsam mit ihrem Kollegen Julian Kramer wagte sie den Schritt: „Aus heutiger Sicht war das genau die richtige Entscheidung.“
Derzeit arbeite man zu siebt, könne aber durchaus noch Verstärkung gebrauchen. „Wir haben das Team aus dem anderen Geschäft mitgenommen und es klappt super.“ Darin sind sich Petra Höllger und Julian Kramer einig.
Auch die damals frei werdenden Räumlichkeiten eines ehemaligen Bio-Ladens an der Ecke Frankenstraße/Heidehang erwiesen sich als Glücksfall – zentral in der Nähe des Stadtwaldplatzes gelegen, ein kleiner Kundenparkplatz, eine große Fensterfront zum Präsentieren von Blumen und Deko. „Erst habe ich gedacht, die Fläche wäre zu groß, aber irgendwann war klar, dass es genau passt“, sagt Petra Höllger, die auch einen Teil des Außenbereichs nutzen kann, um Pflanzen zu präsentieren.
Eigentlich waren die Startvoraussetzungen ideal
Optimale Voraussetzungen für das junge Unternehmen „Blumenbar“, sollte man meinen. Doch dann kam 2020 Corona – und sorgte erstmal für viel Unsicherheit. „Anderthalb Wochen mussten wir schließen, haben zur Vorsicht Kurzarbeit für unsere Mitarbeiterinnen angemeldet“, erinnert sich Julian Kramer. Zum Glück seien die Vorschriften für die Floristik-Branche schnell gelockert worden – „Blumen to go“ (zum Abholen) und Lieferservice waren wieder möglich.
„Und da ja viele zu Hause waren und ihr Geld kaum ausgeben konnten, haben sie sich öfter mal einen schönen Blumenstrauß oder Pflanzen für den Garten gegönnt.“ So sei das Geschäft während der Pandemie richtig gut gelaufen, auch wenn regelmäßige Aufträge für Veranstaltungen oder für Firmen weggebrochen seien, weil niemand Geschäftsräume mit Blumen schmücke, wenn weder Mitarbeiter noch Kunden da seien.
Auf Corona folgte die Ukraine-Krise, wieder verbunden mit neuen Herausforderungen. „Zunächst gab es Lieferengpässe für Vasen aus der Ukraine, aber dort wurden schnell andere Wege gefunden“, erklärt Petra Höllger. „Natürlich sind die Preise gestiegen und wir müssen das an die Kundinnen und Kunden weitergeben.“ Wer sich aber einen Blumenstrauß gönnen wolle, für etwas gute Laune in Krisenzeiten, tue das trotzdem – diese Erfahrung mache man jedenfalls in Stadtwald.
Auch kreative Quereinsteiger sind gern gesehen
Auch in ihrer Branche gebe es Schwund: „Früher gab es viel mehr Blumenläden. Aber ich bin davon überzeugt, dass die guten überleben werden“, sagt die Floristin, die auch einen deutlichen Rückgang bei den Auszubildenden in ihrem Handwerk beobachtet. Im Team sei deshalb auch Platz für Quereinsteiger – und das nicht nur für Arbeiten hinter den Kulissen wie die Versorgung der Blumen. „Viele sind kreativ, haben ein gutes Farbverständnis und können tolle Sträuße oder Kränze binden“, weiß Julian Kramer aus Erfahrung. Bisher hätten sie selbst noch nicht ausgebildet, für die Zukunft sei das aber eine Überlegung.
Männer seien in dem Beruf Mangelware. Kramer selbst kam durch ein Praktikum zu seiner Ausbildung. „Für Blumen habe ich mich aber schon immer interessiert.“ Heute müsse man als Florist nicht mehr mitten in der Nacht aufstehen, um die Blumen vom Großmarkt zu holen. „Heute bringen viele Händler, zum Beispiel aus Holland, die bestellten Blumen vorbei, stellen sie hier notfalls selbstständig ab“, erläutert die Fachfrau, die aber trotzdem meist einmal pro Woche selbst zum Großmarkt fährt.
„Die Arbeitszeiten gehen aber schon deutlich über die Öffnungszeiten hinaus, gerade vor Weihnachten, während der Hochzeitssaison oder wenn gerade viele Beerdigungen anstehen“, sagt die 55-Jährige. Sonntags wechselt sie sich mit ihrem Geschäftspartner im Laden ab, damit nicht jeder immer eine Sieben-Tage-Woche habe. Auch in der Woche sei viel zu tun. Bestellte Sträuße, Deko oder Kränze müssten pünktlich ausgeliefert werden, manchmal sei sogar eine Nachtschicht erforderlich, damit alles rechtzeitig fertig werde. Das Bespielen der sozialen Medien wie Facebook und Instagram koste Zeit, sei heute aber obligatorisch.
Das fünfjährige Bestehen wird mit den Kunden gefeiert
Täglich werden frische Blumen geliefert, nach spätestens drei Tagen sollen sie verkauft sein. Ein Kühlhaus gibt es am Heidehang nicht. Trotzdem landen so gut wie keine Blumen auf dem Müll, versichert Petra Höllger. „Wir haben ja eine Menge Erfahrung, kalkulieren inzwischen ziemlich gut und brauchen ja auch viel Material für Kränze.“
Im Laufe der fünf Jahre – ein bisschen gefeiert wird am Samstag, 26. August, von 9 bis 14 Uhr mit Glücksrad, Eis und Sekt – habe man viele Stammkunden gewinnen können. „Da weiß man schon, welche Farben oder Blumen sie bevorzugen“, so Julian Kramer. Den Schritt in die Selbstständigkeit haben er und Petra Höllger nicht bereut. Sie ist sich sicher: „Das ist doch ein toller Job. Man hat schöne Dinge um sich und kann die Leute glücklich machen.“
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