Essen. Bei der „Butcher Show“ zeigen ein Fleischermeister und ein Grillweltmeister altes Handwerk und moderne Grillvarianten. Wir waren dabei.
Darf man sich in heutigen Zeiten noch als Fleischliebhaber outen? Müssen verbrannte Steaks und Grillrauchschwaden wirklich sein? Der Essener Fleischermeister Jürgen Bickert nimmt in seiner „Butcher Show“ das Publikum mit auf eine informative Reise: „Früher waren Hausschlachtungen ein Event. Freunde, Nachbarn und Interessierte fanden zusammen und erlebten meist über Tage den respektvollen Umgang mit dem Tier und bestaunten Handwerkskunst.“
Das ist zumindest für uns Städter verloren gegangen. Und doch gibt es sie, die Sehnsucht nach Grillen mit Pfiff, nach Fleisch, das nicht nach immergleicher Art, sondern modern zugeschnitten und zubereitet wird. Einen wesentlich Aspekt bilden dabei die sogenannten „Special Cuts“: Spezielle Fleischzuschnitte, die intensiven und authentischen Geschmack bieten, die oft längere Garzeiten erfordern, aber auch nachhaltiger sind, weil sie weniger Abfall erzeugen.
Essener Fleischermeister: „Du musst das Stück verstehen“
Gut, vom „Tomahawk Cut“ hat man schon gehört. Doch was ist mit „Picanha“ oder „Hanging Tender“? Was hat man sich unter einem „Trip Tip Steak“ vorzustellen? So mancher schmunzelt, denn das ist nichts anderes als das altbekannte „Bürgermeisterstück“.
Hier in Deutschland, so kritisiert Fleischermeister Bickert seinen Berufsstand, werde Fleisch immer noch nach dem Handbuch aus dem Jahre 1954 zugeschnitten: „Die anderen Länder sind uns da weit voraus. Bei den „Special Cuts“ geht es um den Geschmack, um den Kauwiderstand. Du musst das Stück verstehen. Aus einem Rind kannst du die verschiedensten Geschmackseindrücke zaubern, wie bei einer Pralinenschachtel.“
Donnernder Applaus für das Essener Fleischerei-Team
Das Licht geht aus und die Filmmusik von „Rocky“ ertönt. Jürgen Bickert und seine Mitstreiter betreten die Arena unter donnerndem Applaus. Aber hier gibt‘s keinen Boxring, sondern nüchtern gekachelte Räume. Für Bickert mit vielen Erinnerungen verbunden: „Ich habe hier meine Gesellen- und meine Meisterprüfung gemacht.“ Seit 1963 ist die Schule für das Fleischerhandwerk im Frischezentrum an der Lützowstraße zu finden. Im dortigen „Technikum“ bietet eine Tribüne gut 50 Zuschauern Platz.
Restlos ausverkauft ist die Veranstaltung, für die immerhin 130 Euro zu zahlen waren. Doch den Fans ist es das wert. Immerhin erleben sie einen authentischen Fleischermeister, der noch für sein Handwerk brennt. Und einen waschechten Grillweltmeister. Oliver Sievers aus Bochum hat draußen eine Outdoor-Grillstation aufgebaut, natürlich mit einem gigantischen Monolith-Keramikgrill.
Ochse stammt von einem Hof in Raesfeld
Aber im Mittelpunkt des Abends steht natürlich der Ochse, der noch vor kurzem auf den Weiden der Familie Strothmann in Raesfeld herumlief, die einen Hof aus dem 16. Jahrhundert bewirtschaften. Das Simmentaler Fleckvieh war 26 Monate alt und der Metzger schwärmt: „Wunderbare Fleischqualität.“ Dabei sei die Rasse gar nicht so entscheidend: „Wichtig sind das Geschlecht und die Haltung.“ Er nehme nur Färsen, also weibliche Rinder, die noch nicht gekalbt haben, sowie Ochsen. Anders als Jungbullen hätten die keinen Stress, was man dem Fleisch anmerke.
Bickert will überzeugen: „Bei uns kriegst du nicht einfach nur Fleisch. Bei uns bekommst du die komplette Geschichte des Tieres dazu.“ Die Rinder hätten es gut bei Ludger Strothmann und seiner Familie, außerdem werde streng darauf geachtet, dass sie bei Transport und Schlachtung so wenig wie möglich gestresst würden: „Das kann bis zu 70 Prozent der Fleischqualität ausmachen.“
Oliver Sievers nickt. Er hat die Kunst des „Asado“ erlernt; so bezeichnet man in Südamerika eine Festmahlzeit, bei der über offenem Feuer gegrillt wird: „Ich war in Argentinien auf dem größten Viehmarkt der Welt. Da werden pro Tag mindestens 70 000 Rinder versteigert. Dort wird alles getan, damit die Tiere ganz entspannt sein können. So ein Rind stirbt für uns, da sollten wir das Beste daraus machen, was wir können.“ Nachhaltigkeit ist der treibende Gedanke.
Das ganze Tier soll verarbeitet werden
Jürgen Bickert hat „From Nose to Tail“ versprochen: Das ganze Tier soll verarbeitet werden. Doch nicht alles, was seine präzisen Messerschnitte abtrennen, wird heute Abend gegrillt: „Aber da kommt nichts weg. Das wird in unserem Betrieb weiterverarbeitet zu Wurst und Burgern.“
Zuschauer dürfen ausgiebig kosten
Der Abend neigt sich dem Ende zu, die Fleisch-Fans durften ausgiebig kosten. Zufriedenes Gemurmel allerorten. Und wenn Oliver Sievers dann noch erzählt, wie er „Fullpacker Beef Brisket“ zubereitet, die Rinderbrust gilt als Königsklasse, hängen die Fans an seinen Lippen. Mit Hickory als Räucherholz, in Pergamentpapier gewickelt stundenlang im Smoker garen, später noch in einer Styroporbox ruhen lassen. Der Rest ist Schmatzen.
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