Essen. Magnetangler haben im Essener Baldeneysee im wahrsten Sinne des Wortes einen Bombenfund gemacht. Was steckt hinter diesem kuriosen Hobby?
Eine Phosphorbombe sowie eine Nebel- und Handgranate sind am Wochenende von Magnetfischern aus dem Baldeneysee in Essen geangelt worden. Der Kampfmittelräumdienst rückte aus. Da die Handgranate vor Ort sogar im Wasser gesprengt werden musste, wurde das Hardenbergufer in der Nähe des Stauwehrs in Werden stundenlang gesperrt – mit entsprechenden Unannehmlichkeiten für die zahlreichen Sonntagsausflügler. Drängt sich die Frage auf: Was sind Magnetfischer überhaupt?
Wer im Internet unterwegs ist, der findet Youtube-Kanäle, auf denen auch Menschen aus unserer Region jeden an diesem ungewöhnlichen Hobby teilhabenlassen, der möchte. Die Wasserschutzpolizei spricht auf Anfrage unserer Redaktion von einer aktiven Magnetfischerszene im gesamten Bundesgebiet: „Subjektiv konnte eine Zunahme der Magnetfischerei, insbesondere während des ‘Corona-Lockdowns’, festgestellt werden. Auch an nordrhein-westfälischen Gewässern und Wasserstraßen sind in unregelmäßigen Abständen Magnetfischer anzutreffen.“
Magnetfischer laden Videos ins Internet hoch
Auf Youtube findet sich etwa ein Video, das vor circa acht Monaten auf die Plattform hochgeladen wurde. Dort dokumentieren eine Frau und ein Mann, wie sie mit einem Magneten Metallteile aus dem Baldeneysee ziehen – in dem Fall sogar an der gleichen Stelle, an der die Kampfmittel am vergangenen Sonntag aus dem Wasser geholt wurden.
Ob es sich bei diesen um die gleichen Magnetfischer wie vom Sonntag handelt, muss an dieser Stelle offenbleiben. Auf eine Anfrage unserer Redaktion haben der oder die Kanalbetreiber, die auch auf Tiktok unterwegs sind, noch nicht reagiert. Wie dem auch sei: Gerade das acht Monate alte und 25 Minuten lange Youtube-Video zeigt anschaulich, wie das Hobby funktioniert: ziemlich einfach. Ein starker Magnet wird an ein Seil gebunden und vom Ufer aus ins Wasser geworfen. Dann ist Muskelkraft gefragt. In dem Youtube-Video wird unter anderem ein Motorradgestänge aus dem Wasser gezogen.
Magnetfischen ist in Nordrhein-Westfalen erlaubnispflichtig
Ist Magnetfischen erlaubt? Von der für den Baldeneysee zuständigen Wasserschutzpolizei heißt es, dass das Angeln nach Metall nach dem Denkmalschutzgesetz NRW erlaubnispflichtig ist. „Hintergrund der Erlaubnispflicht ist, dass beim Magnetfischen sogenannte ‘Bodendenkmäler’ mit historischem Bezug zutage gefördert werden können“, so die Wasserschutzpolizei. Eine Erlaubnis für das Angeln mit Magneten stelle die jeweilige Kommune aus.
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Im konkreten Fall vom Sonntag war solch eine offenbar nicht eingeholt worden: Gegen eine angetroffene Person sei ein Bußgeldverfahren wegen Verstoßes gegen das Denkmalschutzgesetz eingeleitet worden, berichtet die Wasserschutzpolizei. Diese macht darauf aufmerksam, dass bei dem Metallfischen aus Gewässern „illegal entsorgte Waffen und Munition, aber auch Kampfmittel aus den Weltkriegen hervorgebracht“ werden könnten, von denen „besondere Gefahren“ ausgehen.
Ruhrverband: Baldeneysee wurde in den 1980er Jahren ausgebaggert
Was schlummert denn noch so auf dem Grund des Sees? Markus Rüdel, Sprecher des Ruhrverbands, spricht von einer dynamischen Situation: „Bei Hochwasser wird regelmäßig etwas eingespült, deswegen kann es auch keine komplette Bestandsliste geben.“ Aber, so Rüdel: „Wenn wir Kenntnis davon hätten, dass im Baldeneysee etwas Gefährliches liegt, dann würden wir es natürlich sofort herausholen.“ Munitionsfunde aus dem Ersten oder Zweiten Weltkrieg sind seiner Einschätzung nach sehr selten.
Das liege auch daran, dass der Baldeneysee in den 1980er Jahren ausgebaggert wurde – dabei sei sicherlich auch gefährliches Material vom Grund des Sees geborgen worden. Bei der Aktion, die im April 1983 startete und im Mai 1984 abgeschlossen war, wurden sage und schreibe 1,1 Mio. Kubikmeter Sedimente entfernt.
Wenn Magnetfischer beim Ruhrverband anfragen würden, ob sie ihrem Hobby beispielsweise am Baldeneysee nachgehen dürften, würde der Verband laut Rüdel sagen: „Wir lehnen das ab.“
Strömung transportiert Müll und Unrat Ruhr abwärts
Ein generelles Problem seien Menschen, die ihren Müll an Ufernähe ablegten, so Markus Rüdel. Wilde Müllkippen mit Kühlschränken, Kanistern und Autoreifen würden bei Hochwasser vom Ufer komplett oder teilweise ins Wasser geschwemmt. Die Strömung des Flusses transportiert die mitunter schweren Dinge dann kontinuierlich stromabwärts. „Im Baldeneysee“, erklärt Rüdel, „fließt das Wasser deutlich langsamer.“ Deswegen könnten sie an Ort und Stelle einfach absinken und liegenbleiben. Neben Fahrrädern könnten sich vermutlich Elektroroller auf dem Grund des Sees finden, so Rüdel.
Beim Ruhrverband ist man deswegen froh, dass es solche Aktionen wie den „Ruhr-Clean-Up“ gibt, der in Essen vom 8. bis 10. September 2023 zum dritten Mal stattfindet. Im vergangenen Jahr hatten alleine in Essen 800 Menschen die Ruhrufer samt Baldeneysee von Müll und Dreck befreit. Doch auch dieses Engagement wird nicht verhindern können, dass es mitunter zu spektakulären Funden in Stauseen kommt.
Für viel Aufmerksamkeit hatten im Mai dieses Jahres vier Autowracks gesorgt, die aufwendig von der Essener Feuerwehr und dem Ruhrverband geborgen wurde: ein Mercedes Strich Acht, ein Fiat 500, ein gestohlener und offensichtlich versenkter Smart sowie ein undefinierbarer Schrotthaufen. Drei der Wracks hatten Helfer der DLRG im vorigen Jahr mit einem neuen Sonargerät aufgespürt, das am Heck des Bootes „Sophia“ angebracht war, mit der die DLRG den Baldeneysee abfuhr.
Schwere Autowracks könnten die Magnetfischer sicherlich nicht ans Tageslicht befördern.
>>> INFO: Der Baldeneysee wird 90 Jahre alt
- Der Stausee im Essener Süden feiert in diesem Jahr seinen 90. Geburtstag mit einem großen Seefest am 19. August.
- Welche Erinnerungen verbinden Sie mit dem Baldeneysee? Schicken Sie uns gerne Fotos und/oder ein paar Zeilen! Das erste Date, ein tolles Sportereignis, ein unvergessenes Erlebnis? In den kommenden Wochen wollen wir Ihre persönlichen Geschichten vom See veröffentlichen.
- Senden Sie uns dazu am besten eine E-Mail an redaktion.essen@waz.de oder eine Zuschrift per Post an: Lokalredaktion Essen, Jakob-Funke-Platz 1, 45127 Essen, Stichwort Baldeneysee.
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