Essen-Holsterhausen/Südviertel. Ein Essener Pfarrer schickt jungen Menschen, die aus der Kirche ausgetreten sind, eine Einladung zum Kaffeeklatsch. Was hinter der Aktion steckt.
„Alarmierend“ nennt Klaus Künhaupt (52), Pfarrer der Evangelischen Erlöserkirchengemeinde Holsterhausen, die Zahl der Kirchenaustritte. Um herauszufinden, warum sich die betreffenden Personen von der Kirche abwenden, hat er sich eine besondere Aktion überlegt: Jedem jungen Menschen zwischen 20 und 30 Jahren aus seiner Gemeinde, der im vergangenen Jahr aus der Kirche ausgetreten ist, schickt er eine Karte mit einer Einladung zum Kaffeeklatsch.
Laut Daten der Amtsgerichte Essen, Steele und Borbeck sind 2022 insgesamt 2043 Menschen in Essen aus der evangelischen Kirche ausgetreten. Damit stehen die Protestanten immerhin besser da als die katholische Kirche. Hier traten im vergangenen Jahr 3662 Bürgerinnen und Bürger aus. Klaus Künhaupt bereitet diese Entwicklung trotzdem große Sorgen.
Erlöserkirchengemeinde Holsterhausen: Pfarrer spricht von 300 Austritten pro Jahr
Die Erlöserkirchengemeinde Holsterhausen, die auch das Südviertel abdeckt, zähle bei 6500 Mitgliedern etwa 300 Austritte im Jahr, sagt der Pfarrer. Der Trend sei in seinen beiden Stadtteilen wohl etwas stärker zu beobachten als in anderen, weil dort viele junge Menschen lebten. Künhaupt wollte also etwas zu tun, um zu verstehen, warum Menschen aus der Kirche austreten – und was die Kirche tun kann, um ihnen ein besseres Angebot zu machen.
„Letztes Jahr habe ich das schon einmal gemacht und alle Ausgetretenen per Brief zu einer Zoom-Konferenz eingeladen. Ich dachte, das wäre ein niedrigschwelliges Angebot“, erzählt er. „Ich wollte wissen: Was hätten wir besser machen können? Was hätten die Menschen von uns erwartet?“ Zu der Konferenz sei am Ende niemand gekommen, offenbar sei dieses Format doch nicht das richtige gewesen, sagt Künhaupt. So habe er zum Beispiel die Rückmeldung bekommen, dass man auf der Arbeit schon genug Zeit in Online-Konferenzen verbringe. Per E-Mail hätten aber einige reagiert und auch ihre Gründe dargelegt.
Essener Pfarrer: „Versuchen, mehr Angebote für junge Menschen zu schaffen“
Kaffeetrinken am 29. Juli
Das Kaffeetrinken mit Pfarrer Klaus Künhaupt findet am Samstag, 29. Juli, um 15 Uhr in der Erlöserkirche (Friedrichstraße 17) statt.
Alle ausgetretenen Gemeindemitglieder sind willkommen, um eine Anmeldung per E-Mail an klaus.kuenhaupt@ekir.de wird aber gebeten.
„In manchen Fällen kann man nichts machen. Zum Beispiel, wenn Leute schreiben, dass ihnen die Kirchensteuer einfach zu teuer ist. Oder wenn etwas Zwischenmenschliches vorgefallen ist“, so Künhaupt. Manche verwiesen auf Skandale in der Presse, auch wenn die sich auf die katholische Kirche bezögen, und sagten: „Da mache ich keinen Unterschied.“ Hier versuche er, auf die Unterschiede zwischen den Kirchen zu verweisen, etwa darauf, dass in der Evangelischen Kirche auch Frauen hohe geistliche Ämter ausüben können.
Gerade jüngere Menschen hätten zudem mitgeteilt, dass sie von der Kirche überhaupt nichts hörten. Den Gemeindebrief etwa nähmen viele gar nicht richtig wahr, ihnen fehlten Angebote. Hier habe man bereits angesetzt. So gebe es zum Beispiel jetzt ein Eltern-Kind-Café und man plane verstärkt Veranstaltungen wie das „White Dinner“, das am Sonntag, 30. Juli, um 18 Uhr auf dem Haumannplatz geplant ist.
Hier werden Tische mit weißen Decken bereitgestellt und jeder, der Lust hat, kann sich etwas Weißes anziehen, Essen und Trinken mitbringen und sich dazugesellen. „Es gibt das Bedürfnis nach Gemeinschaft, die Leute im Stadtteil wollen sich vernetzen“, ist Künhaupt überzeugt. Aus diesem Grund wolle man auch die Jugendarbeit und die Pfadfinder stärken.
Veranstaltung der Essener Gemeinde richtet sich an Menschen zwischen 20 und 30
Nun hat sich Künhaupt aber erst einmal hingesetzt und – mit einiger Hilfe – Briefmarken auf rund 60 Karten geklebt, die inzwischen bei ihren Empfängerinnen und Empfängern angekommen sein sollten. In diesem Jahr hat er sich auf die Altersgruppe zwischen 20 und 30 beschränkt. „Weil ohne dich was fehlt“ steht auf der Einladung geschrieben. Künhaupt: „Wir freuen uns auf jeden, der kommt und uns sagt, was wir besser machen könnten – und auch auf jeden, der seinen Unmut äußert.“
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