Essen. . Zum ersten Mal in über 30 Jahren hat die Stadt heruntergekommene Wohnungen ersteigert und kauft weitere dazu. Das weckt Begehrlichkeiten.

Das große Biet-Ping-Pong in Saal 293 hat noch gar nicht richtig begonnen, da nimmt es auch schon ein jähes Ende. Als Spielverderber fungiert ein Mitarbeiter der städtischen Finanzbuchhaltung, der den verblüfften Interessenten im Saal eröffnet, sie sollten sich erst gar keine Hoffnung machen, eine der beiden feilgebotenen Schrottwohnungen an der Zinkstraße zu erwerben: „Sie haben hier keine Chance.“ Denn die Stadt will Eigentümer werden, um der ganzen Häuserzeile ein für allemal den Garaus zu machen, und wedelt als Trumpf mit einer Gebühren-Forderung über 121.000 Euro. Der Plan geht auf, eine weitere Viertelstunde später hat die Stadt den Zuschlag.

Es ist eine Premiere: Zum ersten Mal seit über drei Jahrzehnten hat die Stadt bei einer Zwangsversteigerung mitgeboten, weil sie den andauernden Stress mit dem Problemquartier leid ist. Oder wie es der Rechtspfleger formuliert: Mit Blick auf die Schrottimmobilien müsse man sich „Sisyphus als einen glücklichen Menschen vorstellen“.

Für den Abriss fehlen noch 37 Wohnungen

Kann man nix machen, hieß viele Jahre lang die Devise. Aber man kann offenbar doch: Zusätzlich zu den beiden zwangsversteigerten Wohnungen – den Zuschlag gab’s für jeweils 32.000 Euro – versuchte es die Stadt auch auf dem Verhandlungswege und meldete im November bei immerhin neun der insgesamt 48 Eigentumswohnungen an der Zinkstraße 10 bis 20 einen Durchbruch: Die Eigentümer waren bereit, ihre jeweils 55 Quadratmeter großen Wohnungen freiwillig zu verkaufen.

Aber neun plus zwei macht eben erst elf: Um die heruntergekommene Häuserzeile wie geplant am Ende abreißen und ein neues Wohnquartier errichten zu können, fehlen noch 37 Wohnungen.

„Jetzt nicht schlimmer als an der Frohnhauser Straße“

Zehn davon gehören nach eigenem Bekunden seit fünf Jahren Gergane Savlyeva, einer jungen Bulgarin, die weiter hinten im Versteigerungs-Saal Platz genommen hat. Und die so gar nicht damit einverstanden ist, dass sie hier nicht zum Zuge kommen soll. Ein Gebot gibt sie ab – und dann genervt auf.

Wie ein anderer Interessent hadert sie mit der kompromisslosen Linie der Stadt, und überhaupt, was heiße schon Schrottimmobilien? Vor zwei, drei Jahren, war’s problematisch, das räumt sie ein, aber inzwischen sei doch alles okay, die Wohnungen sauber, die Keller aufgeräumt, der Müll hinterm Haus weg, kurzum: „Das ist jetzt nicht schlimmer als an der Frohnhauser Straße.“

Das Doppelte verlangen – versuchen kann man’s ja mal

Sie ist gekommen, um die Wohnungen zu ersteigern und hernach alles zu sanieren, versprochen. So wie ein anderer Besucher, nach eigenen Angaben ein Syrer, der seinen Namen nicht sagen mag. Sanieren? Na klar, sagt er und startet seine Charme-Offensive aus der letzten Reihe: „Ich habe zwei Wohnungen in Haus Nummer 10, möchte die Stadt da auch Eigentümer werden?“ Die Stadt möchte, doch fragt sich, ob zu jenem Preis, den der Herr in den Raum wirft: Denn so 60.000 bis 70.000 Euro hätte er schon gerne pro Wohnung. Das wäre das Eineinhalbfache bis Doppelte dessen, was andere bekamen. Versuchen kann man’s ja mal.

Ob sich am Ende verhindern lässt, dass der eine oder andere Eigentümer seine Bude überteuert bezahlt bekommt, ist offen. Die Eigentümer von neun der 48 Wohnungen an der Zinkstraße hatten sich auf Anfrage der Stadt nicht einmal gemuckt.

Könnte also länger dauern.

>>> DIE ZINKSTRASSE IST ERST DER ANFANG

Rund 50 bis 60 Objekte stehen auf der Liste von „Schrottimmobilien“, die die Stadt gerne bereinigen möchte. Der Ankauf ist ein teures Unterfangen.

Im Falle der Zinkstraße in Bochold schlägt der Ankauf von neun Wohnungen mit rund 308.000 Euro zu Buche, Nebenkosten nicht eingerechnet. Hinzu kommen die Ersteigerungs-Kosten für zwei weitere Wohnungen.

Immerhin gibt es Fördertöpfe, die die Stadt anzapfen will.