Essen. . Zweimal gab es ihn, aber braucht es den zweiten Wahlgang zur OB-Wahl? Thomas Kutschaty (SPD) ist davon überzeugt, Thomas Kufen (CDU) meint: Nein.

Beim CDU-Parteitag in Hamburg war sie noch hoch willkommen, festgelegt im Partei-Statut, Paragraf 43, dritter Absatz. Für die nächste Oberbürgermeister-Wahl aber gilt sie den Christdemokraten als durchaus verzichtbar: die Stichwahl unter zwei Bestplatzierten – sie ist in NRW wohl ein Auslaufmodell, wenn es um die Direktwahl des Stadtoberhaupts geht, und dass man das so oder so sehen kann, zeigt die Debatte auch beim Essener Polit-Personal.

Oberbürgermeister Thomas Kufen (CDU) etwa kann dem Verzicht durchaus was abgewinnen: „Ohne Stichwahl haben wir schon am Tag der Kommunalwahl Klarheit an der Spitze der Stadt. Das finde ich gut.“ Thomas Kutschaty hingegen, Essener SPD-Chef und Fraktionsvorsitzender der Genossen im Landtag, sieht in der Abschaffung nicht weniger als einen „Angriff auf unsere gelebte Demokratie“.

Beide Seiten sind nicht ohne eigene Interessen

Es liegt nahe, dass beide nicht ganz ohne eigene Interessen auf die Wahlregelung schauen: Als amtierender OB geht Kufen im Jahre 2020 fraglos mit einem Amtsbonus ins Rennen, da spielt ihm der Verzicht auf eine Stichwahl in die Karten. Und die SPD wiederum, die Anfang kommenden Jahres ihren Herausforderer küren will, setzt nicht zuletzt darauf, dass selbst bei einem laut Umfragen ausgesprochen beliebten OB die Strahlkraft etwas schwindet, wenn es gelingt, ihn in eine Stichwahl zu zwingen.

Zweimal gab es diese in der jüngeren Stadtgeschichte, 2004 und 2015. Denn bei der ersten OB-Direktwahl 1999 schaffte Wolfgang Reiniger (CDU) mit 51,7 Prozent die Sensation einer absoluten Mehrheit, eine Stichwahl war also nicht mehr nötig. Und bei der OB-Wahl zehn Jahre später war die Stichwahl schlicht abgeschafft.

In die Stichwahl, um bekannter zu werden

Dazwischen, 2004, war es das erklärte Ziel der Sozialdemokraten, den beliebten OB Reiniger in die Stichwahl zu zwingen. Reinhard Paß schaffte dies, wenn auch denkbar knapp: Reiniger erhielt „nur“ 49,0 Prozent – und Paß damit die Gelegenheit, sich dem Wahlvolk als SPD-Aufsteiger zu präsentieren. Fünf Jahre später wurde er OB, als er Franz-Josef Britz (CDU) abhängen konnte.

Die zweite Stichwahl, dann als amtierender OB, geriet für Paß allerdings zur Schmach: Umstritten selbst in den eigenen Reihen landete er 2015 bereits im ersten Wahlgang deutlich hinter seinem Herausforderer Thomas Kufen – um dann zwei Wochen später bei der Stichwahl mit einem noch größeren Abstand von 62,6 zu 37,4 Prozent geschlagen zu werden.

Hinterher weniger Stimmen als vorher

In beiden Stichwahlen, so betont Kufen heute, „gab es keinen Zweifel an unserer demokratischen Legitimation“. Tatsächlich bestätigten beide Urnengänge in Essen nur die vorher bereits bestehende Rangfolge.

Doch zu beobachten waren auch gegenläufige Entwicklungen: Während Kufen bei der Stichwahl 2015 nicht nur seinen Prozent-Anteil, sondern auch die absolute Zahl seiner Wähler von 65.069 auf 77.329 ausbauen konnte, wurde Wolfgang Reiniger in der Stichwahl 2004 zwar von einer höheren Prozentzahl der Wähler, aber einer kleineren Stimmen-Anzahl – 99.022 statt 110.746 – ins Amt gehievt.

Was bedeutet: Das Hauptziel der Stichwahl wurde verfehlt, die Legitimationsbasis war hinterher kleiner als vorher. Die Kritiker der Abschaffung ficht das nicht an: Wähler würden eben eher bei knappen Rennen mobilisiert.

>>> BREITES BÜNDNIS SAGT: STICHWAHL BLEIBT!

Gegen die Pläne von CDU und FDP, die Stichwahl bereits zur nächsten OB-Wahl in NRW 2020 abzuschaffen, hat sich ein breites Bündnis gebildet: „Stichwahl bleibt“, heißt dort die Devise.

Zusammengefunden haben sich darin die Initiativen „Mehr Demokratie“ und „Democracy International“, sowie die Parteien SPD und Grüne, Linkspartei, Piratenpartei und die Ökologisch-Demokratische Partei (ÖDP). Nicht beteiligt ist die AfD, die aber ebenfalls die Abschaffung der Stichwahl ablehnt.

Mehr Informationen im Internet auf stichwahl.nrw