Essen. . Der Streit um den Präsidenten-Posten beim Landessozialgericht nimmt kein Ende. Jetzt hat das Land einen neuen Kandidaten aus dem Hut gezaubert.

Das juristische Possenspiel um das höchste Amt der Sozialgerichtsbarkeit in NRW, die Stelle des Präsidenten am Landessozialgericht in Essen, geht in eine neue Runde. Justizminister Peter Biesenbach (CDU) und sein Ministerium haben die Kandidatenauswahl zum wiederholten Male begonnen und gleich einen neuen Favoriten präsentiert: den Vorsitzenden Richter am Bundessozialgericht (BSG) Pablo Coseriu (CDU).

Doch bevor das erneute Personalgeschacher so richtig an Fahrt gewinnt, gerät es schon wieder ins Stocken. Wie das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen verkündete, hat der langjährige Vizepräsident des Landessozialgerichts, Martin Löns, einen Eilantrag eingereicht, mit dem er den Neustart des Bewerberkarussells stoppen will. Zu einem so späten, fortgeschrittenen Zeitpunkt des langwierigen Verfahrens dürfe man die Uhr nicht wieder zurückdrehen, meint er offenkundig. Quintessenz seiner rechtlichen Wertung: Nach einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts dürfe die Behörde die Auswahl „nur aus gewichtigem Grund“ neu beginnen. Im Klartext: Das Land darf das gesamte Verfahren nicht mehrfach anleiern, bis ihm jemand genehm ist.

Warnung vor Geheimnis-„Verrat“

Öffentlich äußern will Löns sich zu dem Fall nicht. Zu groß ist wohl die Befürchtung, dass ihm derlei Stellungnahmen übel genommen würden. Immerhin wurden er und andere Kandidaten schon in der ersten Bewerbungsrunde ausdrücklich vor „einem Verrat von Dienstgeheimnissen“ gewarnt.

Tatsächlich spricht vieles dafür, dass Löns gezielt verhindert werden soll, weil er seinerseits den bisherigen Favoriten des Ministeriums, ihren Abteilungsleiter Andreas Christians (SPD), juristisch blockiert hat. Im ersten Eilverfahren hatten zwei Verwaltungsgerichts-Instanzen entschieden, dass Volljurist Christians schon zur Zeit des damaligen Justizministers Thomas Kutschaty (SPD) gar nicht in die Bewerberliste hätte aufgenommen werden dürfen. Kurze und knackige Begründung der Richter: Christians hat keine Erfahrung als Sozialrichter, erfüllt deshalb nicht das Anforderungsprofil. Löns war als einziger Kandidat übrig geblieben. Das Hauptverfahren in dieser Sache ist allerdings noch anhängig.

Bereit sogar für Einbußen beim Gehalt

Fehlende Erfahrung in Sozialgerichtsverfahren kann dem neuen Kandidaten, dem Vorsitzenden Richter am Bundessozialgericht, Pablo Coseriu, nicht abgesprochen werden. Das NRW-Justizministerium soll händeringend nach einem Kandidaten wie dem 60-Jährigen gesucht haben, der über alle juristischen Zweifel erhaben ist – und bereit, Gehaltseinbußen hinzunehmen. In Essen würde er mit 10.200 Euro Grundgehalt monatlich knapp 700 Euro weniger verdienen als in Kassel. Und das fern seiner Heimat in Thüringen und in einem Gericht, das seit Jahren voll hinter seinem langjährigen Vizepräsidenten Löns steht.

Böse Zungen in den Sozialgerichten des Landes sprechen von einem abgekarteten Spiel: Beeindruckt von der fachlichen Kompetenz eines Bundesrichters könnten sich die übrigen Bewerber zurückziehen, außer Löns sind das noch die Präsidentin des Sozialgerichts Gelsenkirchen, Silvia Fleck, und ihr Düsseldorfer Kollege Peter Brückner. Wenn anschließend auch Coseriu noch abdrehte, wäre der Weg für Christians vielleicht doch noch frei.

Das aber wäre wohl eine Verhöhnung der Verwaltungsrichter. Laut Ministeriumssprecher Dirk Reuter ist Christians jedenfalls trotz allem im Bewerberkreis immer noch präsent. Ihn zu ernennen, wäre ein Verstoß gegen die geltende Rechtsprechung.

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Seit Joachim Nieding als Präsident vor knapp zwei Jahren in den Ruhestand ging, ist der Chefposten am Landessozialgericht in Essen unbesetzt.

Mit Andreas Christians war ein Nachfolger ausgeguckt, doch diesem fehlt laut Urteil die Erfahrung. Und der Noch-Vize Martin Löns ist nicht gewollt.