Emmerich. Es wurde geschimpft, dann flogen die Fäuste. Vor dem Emmericher Amtsgericht stand Aussage gegen Aussage – bis ein Dachdecker für Klarheit sorgte.
Das Ehepaar, sie dunkelhaarig und im Trainingsanzug, er grau und mit schwarzer Jacke, hat auf der Anklagebank Platz genommen, der minderjährige Sohn sitzt im Zuschauerraum und schaut zu, wie seinen Eltern im Amtsgericht Emmerich der Prozess gemacht wird. Gefährliche Körperverletzung, so lautet die Anklage. Gemeinsam von dem Ehepaar begangen, das Opfer ist ein 36 Jahre alter Berufskraftfahrer. Es geht um einen Streit auf einem Parkplatz, die Details sind verworren.
An fremder Wagentür gezogen
Es begann offenbar damit, dass der Familienvater auf dem Franz-Wolters-Platz in Emmerich versuchte, eine Autotür zu öffnen. Das Problem: Es war nicht die seines Wagens, sondern die am Auto des 36 Jahre alten Mannes. Und seine Frau und ihr Kind saßen in dem Wagen. Der 36-Jährige sah das und sprach den aus Rumänien stammenden Mann an. Es entspann sich ein Wortgefecht, bei dem es nicht blieb. Am Ende flogen die Fäuste.
„Wie eine Maschine“ soll der Mann, der jetzt auf der Anklagebank sitzt, auf seinen Kontrahenten eingeschlagen haben. Der 36-Jährige will nur passiven Widerstand geleistet haben. Dabei sei er zu Boden gestürzt und habe sich eine Kopfverletzung zugezogen, berichtete er. Als er auf dem Boden lag, hätten die Frau des Gegners und deren Tochter auch noch auf ihn eingetreten. (Die Tochter ist nach Rumänien verzogen, gegen sie soll in einem separaten Verfahren verhandelt werden.)
Komplett andere Version des Geschehens
Doch der Angeklagte selbst schilderte eine komplett abweichende Version des Geschehens. Er meinte, die Frau am Fenster des Autos klopfen gesehen zu haben. Er habe sich erkundigen wollen, ob alles in Ordnung sei. Diese Geste habe der 36-Jährige komplett missverstanden. Die Handgreiflichkeiten seien von ihm ausgegangen. Auf die Frage, welche Verletzungen er selbst denn davongetragen habe, antwortete der Angeklagte, eine Verletzung zwischen den Augenbrauen.
Aussage gegen Aussage? Doch es gab Zeugen. Ein Dachdeckermeister und sein Mitarbeiter sahen den Streit. Sie waren in der Nachbarschaft Hamburger essen und dann durch Schreie und Gekreische auf den Konflikt aufmerksam geworden. Wie die Sache anfing wissen sie nicht, wohl aber sahen sie, dass zwei Frauen den 36-Jährigen festhielten, während ein weiterer Mann auf diesen einprügelte.
Nach eineinhalb Stunden fiel das Urteil
Das reichte dem Richter. Nach eineinhalbstündiger Verhandlung sah er den Tatbestand der gefährlichen Körperverletzung als erfüllt an. Das gemeinschaftliche Vorgehen der drei Familienmitglieder erfülle die Kriterien für dieses Delikt. Das Gesetz sieht eine Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten vor. Sieben werden es am Ende für die beiden, da weder Mann noch Frau vorbestraft sind. Außerdem muss das Ehepaar 2500 Euro in Monatsraten von hundert Euro an eine gemeinnützige Organisation spenden.
Nach dem Urteilsspruch brach die Frau in Tränen aus. Sie sei unschuldig, sagte sie und bot dem Gericht an, unter Einsatz eines Lügendetektors noch einmal auszusagen. Doch dafür war es zu spät.