Emmerich. Der Medizinische Dienst hat im neuen Pflegezentrum auf dem Kasernengelände mehrere Mängel festgestellt. Betreiber Korian stellte sich neu auf.

Auf den großen Fahnen vor der neuen Pflegeeinrichtung auf dem Kasernengelände wirbt das Unternehmen Korian mit dem Leitspruch „Bestens umsorgt“. Doch diesem eigenen Anspruch konnte das vorhandene Pflegeteam in der Startphase der Einrichtung nicht genügen: Der Medizinische Dienst der Krankenkassen dokumentierte in seinem Bericht für den Pflegelotsen vom 22. Juni 2021 „schwerwiegende Qualitätsdefizite“ in den Bereichen „Unterstützung der Mobilität“ und „Unterstützung bei der Körperpflege“ sowie „erhebliche Qualitätsdefizite“ bei der Unterstützung von Essen und Trinken.

Das Unternehmen Korian hat daraufhin reagiert und nach Auskunft der Heimaufsicht am 24. Juni 2021 sich selbst einen Belegungsstopp auferlegt. Dieser hat bis auf Weiteres Bestand.

Bei vier Bewohnern sind „negative Folgen“ eingetreten

Welche konkreten Missstände sich in der Pflegeeinrichtung Zentrum für Betreuung und Pflege Emmerich am Rhein ergeben haben, möchten weder das Unternehmen noch die Heimaufsicht der NRZ auf Anfrage mitteilen. Der Medizinische Dienst erläutert auf Nachfrage, dass man bereits am 30. November 2020 eine Qualitätsprüfung durchgeführt habe und im Bereich „Unterstützung der Mobilität“ ebenfalls schwerwiegende Qualitätsdefizite festgestellt habe.

Die Prüfung des MDK bezieht sieht auf neun Bewohner der Einrichtung. Bei drei Bewohnern wurden keine Auffälligkeiten oder Defizite festgestellt, bei zwei Bewohnern wurde ein Defizit mit dem Risiko negativer Folgen festgehalten und bei vier Bewohnern seien bereits negative Folgen eingetreten.

Korian hat personelle Konsequenzen gezogen

In der Nähe der Pflegeeinrichtung wehen die Flaggen mit dem Slogan „bestens umsorgt“.
In der Nähe der Pflegeeinrichtung wehen die Flaggen mit dem Slogan „bestens umsorgt“. © FUNKE Foto Services | Arnulf Stoffel

Der MDK erläutert auf Nachfrage, dass man allgemein unter diesem Punkt die Förderung der Beweglichkeit fasse. Dabei gehe es zum Beispiel um die tägliche Lagerung von Menschen, die Begleitung beim Aufstehen und die Umbettung. Ansonsten können Druckgeschwüre auftreten. „Wenn die zu Pflegende nicht regelmäßig bewegt werden, können schnell Mängel oder Schäden eintreten“, sagt MDK-Sprecherin Barbara Marnach der NRZ.

Auf Anfrage schreibt uns das Unternehmen Korian zu den Pflegemissständen: „Zu unseren größten Bedauern kam es im Zentrum für Betreuung und Pflege Emmerich am Rhein bei der Versorgung unserer Bewohner:innen zu Defiziten. Unsere hohen internen Standards wurden nicht umgesetzt. Nachdem wir davon Kenntnis erlangt hatten, ergriffen wir sofort alle notwendigen Maßnahmen, um für unsere Bewohner:innen eine sehr gute Pflege und Betreuung sicherzustellen. Als erstes haben wir personelle Konsequenzen gezogen und ein neues Führungs- und Qualitätsteam eingestellt. Mit der Neueinstellung von Markus Selzer als Einrichtungsleiter gingen wir den ersten wichtigen Schritt Richtung Neuanfang.“

Enger Austausch mit den Behörden

Man stehe nun in einem engen, regelmäßigen Austausch mit den Behörden. „Schon heute können wir sagen, dass wir künftig unsere gewohnten, hohen Standards für die Pflege erfüllen werden. Gleiches gilt für die Arbeitsbedingungen unserer Mitarbeiter:innen. Darüber hinaus wird die Einrichtung eng von unserem regionalen und zentralen Qualitätsmanagement begleitet“, so das Unternehmen. Und: „Wir sind uns bewusst, dass Veränderungen der Prozesse, der Fachlichkeit der Mitarbeiter, der Schnittstellen und der Kommunikation in und zwischen den Teams ihre Zeit brauchen. Hier sind wir auf einem guten Weg.“

Den selbst auferlegten Pflegestopp wolle man nutzen, um interne Prozesse aufzuarbeiten und neu auszurichten: „Wir arbeiten hier eng mit den zuständigen Behörden zusammen und stimmen unsere Maßnahmen ab“, so Korian. Die Heimaufsicht des Kreises Kleve schreibt hierzu: „Hätte die Betreuungseinrichtung nicht von sich aus gehandelt, wäre der Belegungsstopp durch die WTG-Behörde [WTG = Wohn- und Teilhabegesetz, Anm. d. NRZ] des Kreises Kleve angeordnet worden.“ Die Einhaltung werde monatlich durch den Kreis überprüft. In den vergangenen sieben Monaten habe man drei Prüfungen vorgenommen.

Frei werdende Betten werden vorerst nicht neu vergeben

Ein Weiterbetrieb der Pflegeeinrichtung ist „selbstverständlich“ möglich, schreibt Korian. Vielmehr sei es Anspruch, das Zentrum für Betreuung und Pflege „zu einem der besten Häuser“ für pflegebedürftige Senioren zu machen. Die Heimaufsicht schreibt der NRZ, dass die zu pflegenden Menschen in der Einrichtung verbleiben konnten. Derzeit dürfen aber keine neuen Bewohner aufgenommen werden. „Frei werdenden Betten werden somit nicht neu vergeben“, so der Kreis.

Dass die Pflegeeinrichtung von Beginn an personell unterbesetzt gewesen sein soll, widerspricht Korian. „Die Einrichtung hielt von Beginn an mehr Personal vor als vorgeschrieben.“ Kurzfristig, unvorhersehbare Ausfälle könnten aber vorübergehend zu einer Unterbesetzung führen. Das Unternehmen zeigt sich zuversichtlich, weitere Mitarbeiter gewinnen zu können.

>> Die Ergebnisse des MDK-Berichts

Schwerwiegende Qualitätsdefizite bescheinigte der MDK am 22. Juni 2021 für die Bereiche „Unterstützung der Mobilität“ und „Unterstützung bei der Körperpflege“.

Erhebliche Qualitätsdefizite sah der MDK bei der Unterstützung beim Essen und Trinken.

Moderate Qualitätsdefizite gab es in der Unterstützung bei Kontinenzverlust, bei der Unterstützung der Medikamenteneinnahme sowie bei der Wundversorgung.

Keine oder geringe Qualitätsdefizite gab es laut MDK beim Schmerzmanagement oder bei der Unterstützung bei besonderem medizinisch-pflegerischen Bedarf.