Rees. Naturschutzgebiet Reeser Altrhein hat noch Verbindung zum Strom. Auch dadurch ist es so wertvoll für die Tier- und Pflanzenwelt. Eine NRZ-Serie.
Er ist 3,5 Kilometer lang, vielleicht im Schnitt etwa 50 Meter breit: Doch auch wenn es sich beim Naturschutzgebiet Reeser Altrhein nur um einen schmalen, sich bogenförmig zwischen Reeser Eyland und Banndeich erstreckenden Altarm handelt, den die NRZ in ihrer Serie Naturschutzgebiete vorstellt, ist er doch ein besonders wertvoller Bereich. „Weil es ein Altrheinarm ist, der noch Verbindung zum Strom hat“, sagt Landschaftsökologin Mareike Büdding vom Naturschutzzentrum in Bienen. Das mache dieses Gebiet so einzigartig und ist einer der Gründe für den Artenreichtum sowohl botanisch als auch zoologisch.
Am unteren Niederrhein, also ab Duisburg rheinabwärts, gibt es nur noch wenige Altrheinarme, die an den Rhein angebunden sind. Einer davon ist das gut 45 Hektar große Naturschutzgebiet Reeser Altrhein. Es liegt südlich von Rees im Deichvorland und wird bei Hochwasser regelmäßig überflutet.
Ausgedehnte Teichrosen-Bestände
„Das Gewässer mit Verbindung zum Rhein ist von großer Bedeutung für die Tier- und Pflanzenwelt“, weiß die 37-Jährige. Im Oberlauf ist der Altrhein vollständig verlandet und führt nur noch in niederschlagsreichen Jahren etwas Wasser. Auf Höhe von Bergswick präsentiert sich der Altrhein hingegen dann mit ausgedehnten Teichrosen-Beständen und schönen Uferröhrichten, so die Expertin. Die Haffensche Landwehr, die kurz darauf in den Altrhein mündet, ist für das Gewässer von großer Bedeutung, da sie den Mittel- und Unterlauf ganzjährig mit Wasser speist.
Hier im Mittellauf kommt es bisher auch bei niedrigen Wasserständen nicht zum gänzlichen Austrocknen des Altrheins, jedoch war die Tendenz eines sich verstärkenden Wassermangels in den vergangenen Jahren deutlich erkennbar. Prägend für den Mittellauf sind die sehr artenreichen und bunten Uferröhrichte, die sich beidseitig entlang des Gewässers erstrecken. Stromabwärts ab der Brücke Höhe Lindenallee, an der sich auch eine regulierbare Stauklappe befindet, hat sich der Altrhein stark bachartig ins Gelände eingetieft. Im direkt an die Stadt Rees angrenzenden Silberweiden-Auwald mündet der Altrhein in den Hauptstrom.
Im Moment blüht die Schwanenblume
Im Moment sieht man im Gebiet die sehr schön rosa blühende Schwanenblume, die ebenso auf der roten Liste bedrohter Pflanzen steht wie die Reisquecke, ein seltenes Gras. Beides sind Pflanzenarten der Röhrichte. Aber auch die gelbblühende Seekanne, der weiße Froschbiss oder der pinke Blutweiderich sind zu sehen: „Jetzt, wo das Röhricht bunt wird, ist es sicher optisch die schönste Zeit im Naturschutzgebiet“, findet Mareike Büdding. Je bunter, desto mehr Insekten und Vielfalt gibt es im Gebiet. Zum Röhricht gehören sowohl das hoch gewachsene Schilf als auch die niedrige Ufervegetation mit zum Beispiel Iris, Blutweiderich und Wasserminze.
Mit den stark wechselnden Wasserständen in der Aue – auch den diesjährigen hohen Wasserständen -- kommen diese Pflanzenarten gut zurecht, schließlich sind sie daran von Natur aus angepasst, erklärt Mareike Büdding. Damit die ökologisch wertvollen Röhrichtbereiche langfristig erhalten bleiben, ist es wichtig, dass der Altrhein besonders während der Sommermonate nicht zu lange und zu hoch aufgestaut ist.
Das Gewässersystem ist sehr komplex
Andererseits dürfen die Wasserstände gerade auch während der heißen Sommermonate nicht zu sehr absinken, damit Fische und Muscheln keine Probleme bekommen. Dafür arbeitet das Naturschutzzentrum seit Jahren erfolgreich mit dem Deichverband und dem Angelverein zusammen. Das Gewässersystem des Altrheins ist sehr komplex und erstreckt sich über die Haffensche Landwehr, das Hagener Meer und die Lange Renne bis in den Kreis Wesel.
Damit dieser Balanceakt gelingt, stimmen sich die Beteiligten ab, öffnen beziehungsweise schließen entsprechend die Stauklappe hin zum Rhein – je nachdem, wie viel Wasser von der Haffenschen Landwehr einströmt. „Unterhalb der Klappe hat sogar ein Biber seinen Damm gebaut“, sagt die Landschaftsökologin anerkennend ob der genialen Ingenieurkunst der Nager.
Je nach Wasserstand wandern Fische zwischen Rhein und Altrhein
Je nach Wasserstand können Steinbeißer, Bitterling, aber auch Brassen und Hechte zwischen dem Rhein und dem Altrhein wandern. Und der Fischbestand ist in gutem Zustand. Das hat 2018 ein Fischgutachten im Zuge der Deichsanierung gezeigt. „Auf Dauer könnte die Verlandung jedoch Probleme machen“, weiß Mareike Büdding. Deshalb werde überlegt, Teile des Altrheins eventuell zu entschlammen. Was nicht unproblematisch sein könnte. „Denn wir wissen nicht, wie belastet der Untergrund, etwa mit Schwermetallen, ist“, sagt die Expertin.
Wünschen würde sich die Landschaftsökologin, dass wieder mehr Kühe auf den extensiv bewirtschafteten Grünlandflächen entlang des Rheinarms weiden würden als derzeit. „Weil Weidevieh förderlich ist für Insekten und die wiederum als Nahrung für Vögel und Fledermäuse wichtig sind“, sagt die Mitarbeiterin des Naturschutzzentrums. Im Moment seien es gerade einmal sechs Kühe, die auf den extensiv genutzten Flächen stünden, sowie eine Schafherde.
Freilaufende Hunde sorgen immer wieder für Probleme
Für Probleme sorgen die vielen freilaufenden Hunde im Gebiet, die zum Beispiel die Kühe auf der Weide so sehr beunruhigen, dass die Tiere mehrfach ausbrechen würden. Das ist nicht nur gefährlich, sowohl für Mensch als auch Tier, sondern auch sehr ärgerlich für den Landwirt, der die verstörten Tiere dann wieder aufwendig einfangen und Zäune reparieren muss.
Dennoch ist das Naturschutzgebiet Reeser Altrhein ein wertvolles Natur-Kleinod, meint die Naturschützerin. Die sehr selten gewordene Sumpfschrecke liebt das feuchte Grünland, ebenso wie Knäkente, Teichrohrsänger und der wie eine Heuschrecke klingende Feldschwirl das Gewässer mit seinen Röhrichten. Auch die Trauerseeschwalbe, die zusammen mit dem Bienener Altrhein und dem Millinger Meer hier das letzte große Brut-Vorkommen in NRW vorweist, brütet hier erfolgreich.
Trauerschwalben haben Flöße für ihre Nester sofort angenommen
Mareike Büdding: „Die Trauerseeschwalbe bevorzugt als natürlichen Neststandort auf dem Wasser schwimmende Pflanzen wie die Krebsschere. Da es die aber hier nicht gibt, haben wir vom Naturschutzzentrum eigens Schwimmflöße gebaut. Die haben die Vögel sofort angenommen!“