Emmerich/Rees. Um die Schotterwüsten zu beseitigen, sollen sogar Prämien an Hausbesitzer gezahlt werden. Dabei sind sie gesetzlich lange illegal.

Für viele sind sie die „Gärten des Grauens“ und manch ein Privatmann macht sich mittlerweile über das „ABC-Gärtnern“ schon lustig: Die Deutschen fällt außer „Asphalt, Beton und Cotoneaster“ nicht viel ein. Dabei könnten die Vorgärten in unseren Wohnsiedlungen doch so schön und artenreich sein – wenn man denn etwas Phantasie walten lässt.

Emmerich verhindert Schottergärten bei neu aufzustellenden Bebauungsplänen

Aber die „Gärten des Grauens“ sind nicht nur Ausdruck klein-gärtnerischer Einfältigkeit, sie sind mittlerweile auch ein echtes Ärgernis im Hinblick auf Insektenschutz und städtisches Kleinklima. Schotterwüsten heizen Innenstädte im Sommer deutlich stärker auf und auch die Abfuhr von Regenwasser wird erheblich erschwert. Folge: Viele Städte im Kreis Kleve gehen dazu über, die grauen Kiesel vor der Haustür über neue Bebauungspläne zu verhindern. Auch in Emmerich geht man diesen Weg.

Doch ist das überhaupt notwendig? Die Landesbauordnung ist bezüglich der Gestaltung von Vorgärten ziemlich eindeutig: Im Paragrafen 8 heißt es, dass nicht überbaute Flächen „(1.) wasseraufnahmefähig zu belassen oder herzustellen sind und (2.) zu begrünen oder zu bepflanzen“ sind. Und da graue Schottergärten keine Begrünung darstellen, kommt der Münchner Fachanwalt Martin Kliemesch in einem Aufsatz zum Schluss, dass Schottergärten eigentlich wie Schwarzbauten zu behandeln sind.

Landesbauordnung: Gärten sind zu begrünen

Auch der Städte- und Gemeindebund NRW weist in seinen „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit Schottergärten“ explizit darauf hin, dass nach Landesbauordnung, unbebaute Flächen zu begrünen sind und dies durch die Anlage von Rasen oder Wiese erfolgen könne. Eine Qualität der Begrünung oder Bepflanzung werde nicht verlangt. Gemeindliche Gestaltungssatzungen sollten einen Verweis auf §8 aufnehmen, „um hervorzuheben, dass die Satzung lediglich bereits geltendes Recht abbildet“, so der Städte- und Gemeindebund.

Ob und inwieweit vorhandene Schottergärten untersagt werden können, ist noch strittig. Es mangele an der Rechtsprechung, so der Städte- und Gemeindebund. In Thüringen jedoch hätte das dortige Oberverwaltungsgericht im Falle einer zu NRW sehr ähnlichen Bauordnung entschieden, dass ein Vorgarten wieder begrünt werden musste.

Müssen Bebauungspläne überhaupt angepasst werden?

Können sich Emmerich und Rees also die ganzen Bebauungsplanänderungen sparen und müssen nur geltendes Recht durchsetzen? Auf NRZ-Anfrage teilt die Stadt Emmerich mit, dass man die Landesbauordnung diesbezüglich nicht so auslegt wie das Landesministerium. Rechtlich sei die Sache in der Praxis nicht so eindeutig. „Denn was heißt begrünen“, fragt Sprecher Tim Terhorst. Sind das schon drei Pflanzen im Schotterbeet? Oder sind drei Pflanzen doch nicht eine „begrünte Fläche“? Hier benötige man noch eine deutliche Handhabe.

Ferner sei eine Kontrolle von Schottergärten schon allein personell nicht zu gewährleisten. Nach der privaten Meinung von Sprecher Terhorst gefragt, sagt er: „Das Thema muss in die Köpfe der Menschen rein. Verbote bringen da wenig.“

So viele Schottergärten kann man ordnungsbehördlich kaum kontrollieren

Das NRW-Bauministerium stimmt auf NRZ-Nachfrage zu: Schottergärten sind als Schwarzbauten zu bewerten. Die Baufaufsichtsbehörden der Kommunen können dagegen vorgehen.
Das NRW-Bauministerium stimmt auf NRZ-Nachfrage zu: Schottergärten sind als Schwarzbauten zu bewerten. Die Baufaufsichtsbehörden der Kommunen können dagegen vorgehen. © FUNKE Foto Services | Markus Weissenfels

Ähnlich sieht es auch Christoph Gerwers, Bürgermeister der Stadt Rees. „Wenn die Bauordnungsbehörde des Kreises dieses Thema wirklich angehen würde, dann müsste man da salopp gesagt 20 neue Stellen schaffen.“ Im Baurecht habe man landauf, landab mit so vielen Rechtsverletzungen zu tun, die man alle gar nicht ahnden könne. So ziemlich jeder Häuslebauer habe seinen Schuppen und sein Gartenhaus garantiert ohne Baugenehmigung errichtet. Dies könne man unmöglich alles kontrollieren.

Und bis 2015 habe die Schottergärten auch noch niemanden interessiert. Das sei erst ein Thema mit dem Aufkommen des Insektenschutzes und des Klimawandels geworden. Gerwers hielte es allerdings für nicht richtig, wenn man auch noch Prämien für die Umgestaltung von Schotterwüsten zahlt. Dies wäre zutiefst ungerecht, den Gärtnern gegenüber. Das Problem mit den Steinen sei allerdings auch nicht nur in den Gärten zu beobachten, sondern auch auf den Friedhöfen. Auch hier werde immer mehr Schotter ausgekippt: „Die Leute haben einfach keine Lust mehr aufs Gärtnern. Jeder macht was er will.“

>> Ministerium: Schottergärten sind Schwarzbauten

Die NRZ fragte beim Landesbauministerium nach, ob Schottergärten als Schwarzbauten zu werten sind. In der Antwort des Sprechers heißt es: „Wir stimmen Ihnen in Bezug auf Ihre Ausführungen zu § 8 BauO NRW 2018 zu. Auf dieser Basis sind beispielsweise untere Bauaufsichtsbehörden in anderen Städten gegen sogenannte Schottergärten vorgegangen.“

Im Landtag sei die Bedeutung der Ökosystemleistung von Insekten unterstrichen worden, die unmittelbare Auswirkungen auf die Umwelt und uns Menschen hat. Das Ministerium führt dann die Agenda 21 der Uno auf und weitere internationale Verträge. Dies ableitend kommt das Ministerium zum Schluss, dass die Umsetzung überwiegend vor Ort – in der eigenen Kommune oder Region – erfolgt.

Fett unterstrichen betont das Ministerium, dass nicht überbaute Flächen zu begrünen sind. „Jede und jeder Einzelne kann – neben den vielfältigen Anstrengungen der öffentlichen Hand – ihren und seinen Beitrag dazu leisten, den Lebensraum für Mensch und Umwelt mitzugestalten“, so das Bauministerium.