Emmerich. In 2020 ist das Geschäft Becker-Scholz 195 Jahre alt geworden. Wegen Corona konnte das Jubiläum nicht gefeiert werden. Blick auf das 200-Jährige.

2020 hätte ein schönes Jubiläumsjahr sein sollen. Das Traditionsgeschäft Becker-Scholz hatte nämlich 195-Jähriges. Natürlich war es die Corona-Pandemie, die Rabea Kraus dieses Jubiläum verhagelte: „Wir steuern dann mal das 200-Jährige an“, sagt die 42-jährige Inhaberin.

1825 hatten Johann Wilhelm Becker und seine Frau – ein kinderloses Paar – damals noch in der Steinstraße das Geschäft für Galanterie- und Porzellanartikel gegründet. Das Ladenlokal wurde schnell zu eng, sodass der Umzug zum Kleinen Löwen erfolgte, wo Becker-Scholz heute noch angesiedelt ist. Um die Jahrhundertwende übernahmen nach dem Tod des Gründers die Gebrüder Paul und August Scholz das Geschäft – Paul war der Urgroßvater der heutigen Betreiberin. 1911 zog August Scholz nach Boppard und machte sich dort selbstständig.

Im Großangriff auf Emmerich vollkommen zerstört

Das Geschäft konzentrierte sich im Wesentlichen auf den Verkauf von Eisen- und Haushaltswaren sowie Baubeschlägen und wuchs ständig an.

Eine historische Ansicht des heutigen Gebäudes am Kleinen Löwe.
Eine historische Ansicht des heutigen Gebäudes am Kleinen Löwe. © Funke Foto Services GmbH | Thorsten Lindekamp

Am 7. Oktober 1944 wurden im Großangriff auf Emmerich nicht nur Paul Scholz und alle Mitarbeiter getötet, auch das Geschäftshaus im italienischen Baustil wurde in Schutt und Asche gelegt. Wilhelm Scholz, der Großvater der heutigen Betreiberin, der im Juli 1945 aus der Kriegsgefangenschaft heimkehrte, eröffnete vorübergehend in der Steinstraße ein Geschäft. Parallel begann er mit dem Wiederaufbau am Kleinen Löwen. Am 15. Dezember 1948 konnte am alten Stammsitz wieder eröffnet werden, als der erste Bauabschnitt beendet wurde. Nachdem das 125-jährige Jubiläum hier schon gefeiert werden konnte, wurde der zweite Bauabschnitt dann 1953 fertiggestellt.

Im Wirtschaftswachstum florierte auch Becker-Scholz

Paul Scholz in seinem damaligen Ladenlokal.
Paul Scholz in seinem damaligen Ladenlokal. © Funke Foto Services GmbH | Thorsten Lindekamp

In der Zeit des Wirtschaftswachstums florierte auch das Geschäft. Das Warensortiment vergrößerte sich. Elektrotechnik, Sicherheitstechnik, Gartengeräte und Co. ergänzten das Angebot. Nach dem 150-jährigen Jubiläum wurde auch die Freifläche hinter dem Haus für eine Erweiterung bebaut.

Rabea Kraus mit einer Darstellung des früheren Geschäftshauses am Kleinen Löwe. Dieses wurde im Krieg zerstört.
Rabea Kraus mit einer Darstellung des früheren Geschäftshauses am Kleinen Löwe. Dieses wurde im Krieg zerstört. © Funke Foto Services GmbH | Thorsten Lindekamp

Wilhelm Scholz verstarb im September 1978, sodass seine Frau Maria Scholz den Betrieb in die Hand nahm. Im Laufe der Jahre war der Handwerkerbedarf immer weniger gefragt, dafür mehr Haushaltswaren und Deko-Artikel, so Rabea Kraus.

Heilig Abend 2016 verstarb Alice Kraus plötzlich

Die Großmutter der heutigen Betreiberin verstarb dann 2002. Nun übernahm Alice Kraus, die Mutter. „Heilig Abend 2016 verstarb überraschend meine Mutter“, so Kraus, die selbst in die Geschäfte schon ganz gut integriert war und auch irgendwann übernehmen wollte: „Aber nicht so plötzlich.“ Zumal sie einem Job als Industriekauffrau nachging und ihren beiden Kinder, heute 7 und 9 Jahre alt, damals noch recht klein waren.

Das frühere Gebäude im italienischen Stil sah schon Spektakulär aus.
Das frühere Gebäude im italienischen Stil sah schon Spektakulär aus. © Funke Foto Services GmbH | Thorsten Lindekamp

Auch unter der Federführung von Rabea Kraus, die drei Mitarbeiter beschäftigt, lief das Geschäft Becker-Scholz weiterhin gut. Viel Zuspruch bekommt Kraus für die oft schön dekorierten Fenster. Auf der breiten Fensterfront zum Kleinen Löwen hat man auch viel Platz sich zu präsentieren. „Das macht Spaß. Da bleiben viele stehen und gucken“, freut sich die Chefin.

Den Satz „Ihr seid meine letzte Rettung“ bekommt Rabea Kraus häufig zu hören. Denn bei Becker-Scholz bekommt man ein sehr breites Warenangebot. Ein echter Allrounder. Und was nicht vorrätig ist, könne bestellt werden. Auch Schlüsselanfertigungen sind hier möglich.

Beim ersten Lockdown war die Stadt „tot“

Die Breite ist in der Wahrnehmung manch eines Emmerichers vielleicht auch ein Nachteil, weil einige nicht wüssten, was es hier alles gibt. „Wir wollen nicht mit jedem Kampfpreis konkurrieren, aber wird sind auch nicht zu teuer“, ist Kraus sicher. Letztendlich punktet man auch durch Beratung.

Dann kam Corona. Lockdown. „Die Stadt war tot“, erinnert sich Kraus. „Eigentlich wollten wir im Sommer einen großen Jubiläumsverkauf machen. Die Ideen hatten wir frühzeitig nicht weiter verfolgt. Dann hatten wir einen Jubiläumsverkauf vor Weihnachten geplant. Hier kam uns der zweite Lockdown dazwischen“, sagt Kraus. Dann halt zum 200-Jährigen wieder.