Emmerich. Zum Auftakt der Serie Klingendes Emmerich spricht die NRZ mit Heribert Feyen über die aktuelle Musikszene in Emmerich und seine Zukunftsvisionen.
Heribert Feyen sorgt sich um die Zukunft von Chören, Musikvereinen, Spielmannszügen und Orchestern in Emmerich. Und das nicht erst seit Corona. Denn das Mitglied des Stadtverbands für Musik beobachtet seit längerem eine Abwärtsspirale. Der Nachwuchs fehlt. In den kommenden Wochen wird die NRZ die musikalische Vielfalt, die sich im Stadtverband für Musik zusammengeschlossen hat, in einer kleinen Serie präsentieren. Zum Auftakt spricht Heribert Feyen im Interview über den aktuellen Stand, seine Zukunftsvision und zusätzliche Probleme durch das Coronavirus.
Herr Feyen, Sie haben schon vor einiger Zeit Alarm geschlagen. Der Nachwuchs fehlt. Warum finden immer weniger Kinder und Jugendliche den Weg zur Musik?
Das Problem ist da schon vielschichtig. Ich gebe Ihnen mal ein ganz konkretes Beispiel. Der Musikverein Elten betreibt etwa eine hervorragende Nachwuchs- und Ausbildungsarbeit. Mir hat aber mal eine Mutter von zwei Kindern erzählt, dass sie nur für eines ihrer Kinder die Ausbildungskosten dort bezahlen kann. In dem Moment habe ich gedacht, daran darf es nicht scheitern.
Wie lässt sich so eine Problematik denn lösen?
Wenn Kinder und Jugendliche da sind, die irgendwo in den Bereich Musik hinein wollen, müsste es irgendwo Möglichkeiten der finanziellen Unterstützung geben, um sagen zu können, so können wir Musikvereine entsprechend unterstützen. Ganz früher gab es beim Stadtverband für Musik für Jugendarbeit einen separaten Topf. Damals wurden nach Anzahl der Jugendlichen, die in Ausbildung stehen, auch Mittel an die Hand gegeben. Wobei hier auch noch ein Unterschied gemacht werden muss, ob jemand „nur singt“, oder eine Posaune lernt.
Das heißt, es geht irgendwo auch um Rahmenbedingungen?
Das ist richtig. Für den Stadtverband für Musik stehen immer 5000 Euro pro Jahr zur Verfügung. Egal, wie viele Vereine dem Stadtverband angehören. Es wurden mal mehr, mal weniger Vereine im Stadtverband. Der Zuschuss ist jahrelang immer so geblieben. Da ist auch nie dran gerührt worden. In den vergangenen zwei Jahren ist dann ein Topf los gemacht worden, um Vereine zu unterstützen, die enorme Kosten haben im Hinblick auf Saal- oder Raummiete. Und das haben die Vereine, aber leider nicht alle Vereine, auch in Anspruch genommen.
Ist das dann nur ein Tropfen auf den heißen Stein?
Neben den städtischen Geldern muss jeder Musikverein oder jedes Blasorchester selber sehen, dass es sowohl seine ganze Ausbildungsarbeit als auch Saalmieten und Dirigenten, die ja teilweise auch mit ihren Honoraren sehr unterschiedlich sind, finanziert bekommt. Das geht dann nur über die Höhe der Mitgliedsbeiträge, die von den Vereinen erhoben werden.
Sie haben im vergangenen Jahr mal vom Horrorszenario Schützenfest ohne Live-Musik gesprochen. Nun gibt es in diesem Jahr wegen der Corona-Pandemie überhaupt keine Schützenfeste. Das gilt eigentlich in einem gewissen Rahmen auch für Konzerte. Selbst das Proben musste auf Eis gelegt werden. Sie sind ja auch Chorleiter bei SingOut Kulturbrücke. Wie haben sie die vergangenen Monate vor diesem Hintergrund erlebt?
Viele Sängerinnen und Musiker zeigen bereits Entzugserscheinungen. Diese Mitteilung habe ich von einem Mitglied meines Chores erhalten. Die Übungsarbeit ruht, geplante Konzerte in der Öffentlichkeit mussten abgesagt werden. Wie in vielen Bereichen von Kommunikation untereinander gab es auch in der Kulturarbeit, sprich an dieser Stelle im Musikleben unserer Stadt, einen abrupten Stopp. Ich kann etwa mit meinen 40 Leuten im Chor momentan keine Probenarbeit durchführen.
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Das ist dann schon sehr frustrierend?
Absolut. Wir sind ja schließlich alle Amateure und die möchten alle gerne singen. Die Mitglieder meines Chores entdecken jetzt auch den Wert der Gemeinschaft und den Wert des Singens ganz neu. Ein riesiges Problem ist, wie fangen wir jetzt eigentlich wieder mal an. Nur unter den gegenwärtigen Corona-Bedingungen im Kulturbereich ist es für uns gar nicht machbar, dass ein ganzes Orchester mit den Abstandsregeln üben beziehungsweise spielen kann. Zumindest nicht hier bei uns auf dem Land.
Welche mittel- oder langfristigen Folgen wird dies haben?
Wie ich schon sagte, bewegen wir uns in Emmerich im Amateurbereich. Es geht durch den Stopp enorm viel an Qualität verloren. Die Musiker und Sänger vergessen natürlich, das Repertoire will gefestigt werden. Viele machen jetzt, wenn normalerweise Proben angestanden hätten, vielleicht eine Fahrradtour. Ich hoffe nur, dass sie wieder zurück zum Singen und Musizieren kommen können. Denn ich hatte im vergangenen Jahr ursprünglich ja auch mal gehofft, dass ehemalige Aktive vielleicht wieder reaktiviert werden können. In diesem Zusammenhang habe ich einen guten Bekannten von mir angesprochen. Der ist aber so lange schon raus, dass er mir auch gesagt hat, er müsse sein Instrument quasi ganz neu erlernen. Das gilt ganz speziell für Blechblasinstrumente, bei denen eine gewisse Regelmäßigkeit beim Proben gewährleistet sein muss.