Hüthum. Zahlreiche Wiesenvögel brüten am Unteren Niederrhein. Der Nabu war nun unter anderem in der Hetter in Emmerich unterwegs, um sie zu kartieren.

Für manche ist es noch mitten in der Nacht, wenn Stanislav Grebennikov sich auf den Weg zur Kartierung in die Hetter macht, einem Naturschutzgebiet östlich von Emmerich. Zwischen Ende März und Anfang Juni stiefelt der Biologe regelmäßig eine halbe Stunde vor Sonnenaufgang los, um das Vorkommen der verschiedenen Vogelarten dort festzuhalten. Für die NABU-Naturschutzstation Niederrhein beobachtet und erfasst er den Bestand der bedrohten Tiere.

Dafür zieht er Kreise durch das Gebiet, bleibt regelmäßig stehen und beobachtet – allerdings nicht nur mit dem Fernglas: Sein wichtigstes Instrument ist sein Gehör. Nur anhand ihrer Stimmen und Rufe erkennt Grebennikov die Vögel. Wie lange es dauert, um das zu können?

Nabu ist unter anderem in der Hetter und dem Naturschutzgebiet Moiedtjes unterwegs

„Das kommt ganz auf deine Motivation an. Ich habe ein Jahr gebraucht, um die häufigsten Arten zu lernen. Manche schaffen es schneller, manche brauchen länger. Das Lernen geht aber auch ständig weiter.“

Die Biologen der NABU-Naturschutzstation Niederrhein kartieren, das heißt erfassen, in fünf der sechs von ihnen betreuten Naturschutzgebiete Wiesenvögel. Dazu gehört neben der Hetter, die die NABU-Station zusammen mit dem Naturschutzzentrum im Kreis Kleve betreut, unter anderem auch Teile der Düffel und das kleine Naturschutzgebiet Moiedtjes.

Feuchtwiesen sind ein idealer Lebensraum

Stanislav Grebennikov in der Hetter in Emmerich auf der Suche nach besonderen Wiesenvögeln.
Stanislav Grebennikov in der Hetter in Emmerich auf der Suche nach besonderen Wiesenvögeln. © Otto de Zoete

Hetter und Düffel sind über Jahrhunderte hinweg durch feuchte Grünlandflächen und kleinbäuerliche Kulturlandschaft geprägt gewesen. In den Moiedtjes, die westlich von Emmerich liegen, sind hauptsächlich Kleingewässer und Gehölze zu finden. Genau diese Feuchtwiesen sind der ideale Lebensraum für Wiesenvögel. Die erwachsenen Tiere stochern dort nicht nur mit ihren langen Schnäbeln im feuchten Untergrund nach Würmern und Larven, sondern brüten auch hier.

Ihre Küken suchen direkt nach dem Schlüpfen selbstständig zwischen den blühenden Wiesenblumen nach Nahrung, etwa in Form von Insekten. Da Wiesenvögel Bodenbrüter sind, ist der Artenschutz hier besonders auf die Zusammenarbeit mit der Landwirtschaft angewiesen. So pachten Landwirte für einen geringen Pachtzins Flächen im Besitz des Naturschutzes und bewirtschaften sie wiesenvogelgerecht.

Kartierer markieren die Nester für die Landwirte

Besonders wichtig ist dabei eine lange Bewirtschaftungsruhe während der Brutzeit. Konventionell bewirtschaftete Flächen, auf denen erfahrungsgemäß Wiesenvögel brüten, werden von Kartierern im Auftrag des Kreises Kleve kartiert.

Wenn dort Tiere gesichtet werden, wird das Nest markiert, so dass der Landwirt es bei Arbeiten umrunden kann. Weil in ganz Deutschland die Bestände der Wiesenvögel stark zurückgehen, ist eine engmaschige Kartierung wichtig, um das Brutgeschehen sowie Veränderungen und Trends im Bestand zu dokumentieren. Darauf aufbauend können weitere erforderliche Maßnahmen abgeleitet werden.

Die Hetter ist ein besonderes Gebiet

So ist die Hetter nach Maßnahmen, die die Flächen länger feucht halten, das einzige Gebiet in ganz Nordrhein-Westfalen, wo Uferschnepfe, Großer Brachvogel, Kiebitz und Rotschenkel noch zusammen brüten.

Die vier Wiesenvogelarten sind natürlich nicht die einzigen Vögel, denen Grebennikov bei der Kartierung begegnet. In der Hetter fühlen sich beispielsweise Dorngrasmücke, Gartenrotschwanz und Wiesenpieper, aber auch Feldlerche, Rohrammer und Turmfalke wohl. Allerdings werden nicht alle Vögel kartiert, die im Gebiet unterwegs sind. Es werden nur die Vögel erfasst, die auf der Roten Liste der bedrohten Arten stehen und die streng geschützt sind.

Lohn für das frühe Aufstehen

Darüber hinaus gibt es noch die wertgebenden Arten für das Gebiet. „Wertgebend“ bedeutet, dass diese Vögel für die Umgebung besonders charakteristisch sind und oftmals außerhalb dieser Naturschutzgebiete kaum oder gar nicht mehr vorkommen.

„Das Schönste an der Kartierarbeit ist, so viel Zeit draußen zu verbringen und immer wieder tolle Sonnenaufgänge und andere spannende Naturbeobachtungen zu erleben“, sagt Grebennikov. „Dafür schafft man es dann auch, so früh aufzustehen.“