Emmerich. Am 26. März 1995 kam es zur Inkraftsetzung des Schengen-Abkommens. In der Emmericher Stadtgeschichte findet das bedeutende Datum kaum Erwähnung.

Durch ihre geografische Lage hat die Stadt Emmerich viele Jahrhunderte Zollgeschichte erlebt. Der Schlagbaum beziehungsweise die Grenzkontrolle gehörte für viele Einwohner einfach zum Leben dazu. Besonders donnerstags. Denn ab dem Jahr 1957 wurde in ‘s-Heerenberg der Donnerstagsmarkttag eingeführt.

Mit dem Beginn des Reiseverkehrs verbrachten dann auch viele Touristen etliche Stunden in Emmerich. Allerdings unfreiwillig. Denn in der Ferienzeit staute sich am Grenzübergang der Autobahn in Elten der Verkehr.

Grenzkontrollen zwischen Deutschland und den Niederlanden fallen weg

Doch exakt vor 25 Jahren endete dieses Kapitel. Mit der so genannten Inkraftsetzung des Schenger Abkommens am 26. März 1995 fielen die Grenzkontrollen zwischen Deutschland und den Niederlanden weg.

Alte Grenzstation an der Autobahn nach Holland existiert nicht mehr.
Alte Grenzstation an der Autobahn nach Holland existiert nicht mehr. © NRZ | SCHUSTER, Dirk

Ein wichtiges Datum in der Stadtgeschichte. Könnte man meinen. Und doch wird es von Heimatforschen und Historikern eher stiefmütterlich behandelt. Der pensionierte Zollbeamte Karl Hermann Lang erwähnt das Datum in seiner 2018 vom Geschichtsverein herausgegebenen Publikation „Die Stadt Emmerich am Rhein und der Zoll“ mit einem Satz: „Es fanden ab 26.03.1995 keine Pass- und Ausweiskontrollen mehr am Grenzübergang Elten statt.“

Franz-Josef Gabriel aus Elten, lange Chef des Hauptzollamts Duisburg, veröffentlichte im „Kalender für das Klever Land“ (2016 und 2017) eine zweiteilige Serie über die Stationen auf dem Weg zum EU-Binnenmarkt. Im zweiten Teil sucht man den 26. März 1995 vergeblich.

Idee des europäischen Binnenmarkts

Wieso ist dieses eigentlich so wichtige Datum für eine Grenzstadt wie Emmerich nicht präsenter in der kollektiven Erinnerung geblieben? Ein Erklärungsversuch: Seit den frühen 80er-Jahren des vorigen Jahrhunderts wurde immer intensiver über die Idee eines europäischen Binnenmarkts gesprochen. Am 14. Juni 1985 unterzeichneten die Bundesrepublik Deutschland, Frankreich, Belgien, Luxemburg und die Niederlande das Abkommen von Schengen über den schrittweisen Abbau der Personenkontrollen an den Binnengrenzen zwischen den Vertragsparteien.

Fast auf den Tag genau fünf Jahre später, am 19. Juni 1990, wurde zur Umsetzung des Schengener Abkommens das Übereinkommen zur Durchführung des Schengener Abkommens (kurz: SDÜ) unterzeichnet. Regelungsgegenstand des Abkommens waren Ausgleichsmaßnahmen, die infolge der Abschaffung der Binnengrenzkontrollen einen einheitlichen Raum der Sicherheit und des Rechts gewährleisten sollten.

Technische und rechtliche Voraussetzungen

Das SDÜ trat am 1. September 1993 in Kraft. „Die praktische Anwendung seiner Einzelbestimmungen

Undatierte Aufnahme des Zollamts 's-Heerenberger Brücke aus dem Buch „2001 feiern Hüthum und Borghees 100 Jahre Georgskirche
Undatierte Aufnahme des Zollamts 's-Heerenberger Brücke aus dem Buch „2001 feiern Hüthum und Borghees 100 Jahre Georgskirche". © Geschichtsverein | ARCHIV

erfolgte jedoch erst nach Schaffung der erforderlichen technischen und rechtlichen Voraussetzungen – zum Beispiel Einrichtung von Datenbanken und der dafür erforderlichen Datenschutzbehörden“, heißt es dazu vom Auswärtigen Amt in Berlin.

Zollamt ‘s-Heerenberger Brücke bereits seit 1993 geschlossen

Die nötigen Voraussetzungen sah man schließlich am 26. März 1995 als gegeben an. Doch schon vor der Inkraftsetzung hatte sich in einem schleichenden Prozess vieles auf beiden Seiten der Grenze geändert. So wurde gerade zwischen Emmerich und ‘s-Heerenberg nur noch sehr lückenhaft kontrolliert. Das Zollamt ‘s-Heerenberger Brücke, das heute noch steht und mittlerweile anderweitig genutzt wird, etwa war bereits 1993 geschlossen worden. Der eigentliche Tag als die Grenzkontrollen auch offiziell endeten, war da nur noch ein Nebenaspekt.

>>> Der Unterzeichnungsort

Das Abkommen vom 14. Juni 1985 sollte vor allem die Schaffung eines europäischen Binnenmarktes vorantreiben und wurde nach dem Unterzeichnungsort benannt, der Gemeinde Schengen im Großherzogtum Luxemburg. Die rund 4800 Einwohner zählende Gemeinde am Ufer der Mosel grenzt an Deutschland und Frankreich.

Vor dem Europäischen Informationszentrum Centre Européen in Schengen wurde am 8. Februar 2010 ein Stück Berliner Mauer aufgestellt. Anschließend wurde am 13. Juni 2010, zur Feier des 25-jährigen Bestehen des Schengener Abkommens, das Europäische Museum eingeweiht.