Emmerich. . Franz-Josef (Bob) Heiming war zehn, als seine Kindheit im Zweiten Weltkrieg endete. Der heute 80-Jährige überlebte mit neun weiteren Personen im Luftschutzkeller. - Was wissen Zehnjährige heute vom Krieg?

Am 7. Oktober 1944, heute vor 70 Jahren, war die Kindheit für Franz-Josef (Bob) Heiming zu Ende. Er ist zehn Jahre alt, als Emmerich bei einem Bombenangriff zu 97 Prozent zerstört wird. In den Trümmern liegen rund 600 Tote, etwa 1000 Menschen werden verwundet, zwei Dutzend vermisst. „Auf der Kaßstraße brannte der Asphalt“, erinnert sich der heute 80-Jährige. Auf der Kaßstraße befand sich sein Elternhaus, das Spielwarengeschäft Heiming. Auch das war ausgebrannt, lag in Trümmern.

An jenem Samstag schien die Oktober-Sonne. Den Bomberverbänden bot sich nach 14 Uhr beste Sicht, um 1283 Tonnen Brandbomben abzuwerfen. „Wir sahen die silbernen Geschwader am blauen Himmel und konnten deutlich das Brummen hören.“ Zuerst dachte man noch, die Verbände drehten wieder ab: „Doch dann sagte Vater: ‘Die kommen zurück’. Und dann sind wir sofort in den Luftschutzkeller gerannt, und dann ging das Theater auch schon los.“

Schutzengel gehabt

Bob, das einzige Kind im Keller, war in Panik. In dem Verbindungsgang zwischen zwei Kellern harrten zehn Personen aus – und konnten sich retten: „Wir hatten einen Schutzengel.“ Ein Soldat hatte nach dem Bombardement versucht, den kleinen Bob aus dem Kellerfenster zu ziehen, aber die Mutter hielt ihn zurück: „Sie wollte, dass wir zusammenbleiben.“

Über Stockhoffs Hof gelangte man zum Kirchplatz, wo ihnen Dechant Sprünken mit wehender Soutane und dem Käfig mit seinem Papagei in der Hand, entgegenkam: „Der Turm von Aldegundis brannte wie eine übergroße Fackel.“ Die Überlebenden zog es in den Rheinpark, wo die Luft noch gut war, gleichwohl Tiefflieger „auf uns zugeschossen kamen“, worauf Bob sich in einem Einmannloch am oberen Ufer versteckte. Erst als es dunkel wurde, wagte man aufzubrechen.

Seit dem ersten Angriff am 28. September 1944 war an einen geordneten Unterrichtsbetrieb nicht mehr zu denken gewesen. „Ab da hatten wir keine Schule mehr. Dagegen hatte ich nichts, Schule war mir lästig“, erinnert sich Heiming. Ein Jahr besuchte er die Schule am Brink, bis sie als Lazarett benötigt wurde, und zuletzt die Wallschule. „Bei Alarm gingen wir in die Bunker, das waren halbrunde Röhren, vorn mit Splitterschutz, das war alles.“ Zu spielen gab es nichts mehr. Das elterliche Geschäft hatte keine Spielsachen mehr, es verkaufte nur noch Feldpostkartons.

Wer das Inferno überlebt hat, trägt es Zeit seines Lebens mit sich. Die Angst ist ein ständiger Begleiter. „Die Ereignisse müssen bis heute verarbeitet werden“, sagt Bob Heiming.

Er blickt 70 Jahre später auf das nach dem Krieg wieder aufgebaute Elternhaus auf der Kaßstraße. Trotz der schrecklichen Kriegserlebnisse ist Heiming seiner Heimatstadt treu geblieben. Er gründete eine Familie, arbeitete 44 Jahre als Banker, engagiert sich sozial und wohnt im Ortsteil Leegmeer. Dass heute immer noch Krieg geführt wird, kann er nicht verstehen: „Das bringt doch keinem was.“

Berit Niemann, Madita Hemke und Finn Tiemer sind zehn Jahre alt. Und damit genau so alt wie Bob Heiming, als der 1944 die Schrecken des Krieges in Emmerich miterleben musste. Was denken drei Fünftklässler des Willibrord-Gymnasiums heute, wenn sie mit dem Begriff „Krieg“ konfrontiert werden? In der Schule ist der II. Weltkrieg für sie noch kein Thema, da geht es eher um Demokratie in der Schule und Wahlen.

„Ich höre gerne zu“

Was aber nicht heißt, dass die Kinder von Krieg noch nichts gehört hätten. Noch können ja Zeitzeugen Erlebnisse und Lehren weitertragen. „Meine Oma ist über 80 und war im Krieg und erzählt mir oft davon“, berichtet Berit aus der 5b.

Finn aus der 5a kann auf einen Nachbarn verweisen: „Der hat den Zweiten Weltkrieg auch durchgemacht. Einmal hat er mir erzählt, dass das alles schlimm war.“ Und kurz bevor sie einschläft, spricht auch Maditas Opa über den Krieg: „Ich höre ihm gerne zu und finde es tragisch, dass alles so kaputt war“, so Madita von der 5c.

Natürlich bekommen auch die Kinder mit, was Zeitungen, Radio, Fernsehen und Internet so alles an trauriger politischer Realität abbilden, ob aus Syrien oder dem Nordirak. Berit: „Wenn ich die Nachrichten gucke, dann kann ich erfahren, wo Kriege sind und Menschen schlimm leiden müssen.“

Aber warum ist das so? Warum tun sich die Menschen das seit ewigen Zeiten an? „Die Menschen greifen andere an, um Länder zu erobern, und dann ist es oft so, dass Menschen getötet werden“, ist für Finn ganz klar. „Und dabei werden Menschen getötet, die gar nichts gemacht haben“, ergänzt Madita: „Das ist gar nicht schön.“ Häuser würden zerstört, und Menschen müssten fliehen, obwohl sie gar nicht von zu Hause wegwollten.

Man ahnt, wie viel Friedensarbeit auf die Menschheit noch wartet, wenn man Berits Schlusssatz im Ohr hat: „Einfach kann man Krieg nicht vermeiden.“