Rees. Im Doppelinterview sprechen die Reeser Ortsvorsteher Manfred Dicker und Waldemar Prust über ihre Sonderrollen. Prust sorgt sich um den Karneval.

Im Ortskern braucht eine Stadt oftmals keinen Ortsvorsteher – der Weg zum Rathaus ist ja kurz. Rees hat sogar zwei. Waldemar Prust und Manfred Dicker, die wir für ein Doppelinterview getroffen haben in der Serie „Die Ortsversteher“.

Warum haben Sie sich als Ortsvorsteher aufstellen lassen?

Manfred Dicker: Ich bin gefragt worden von Christoph Gerwers, ob ich das machen würde. Da habe ich gesagt, das wäre ok, aber alleine würde ich das nicht machen. Ich wusste von einem ehemaligen Ortsvorsteher, Walter Rohm, dass es sehr viele Termine sind. Ich bin Rentner und möchte meine Zeit eingeteilt haben. Es sollte nicht zu stark in Arbeit ausarten. Daraufhin meldete sich Herr Gerwers irgendwann und sagte: ‘Wir haben da jemanden’. Dann haben wir uns getroffen bei der Stadt. Waldemar war da und sagte, er mache es auch. Dann habe ich auch Ok gesagt.

Mit den Leuten die Gespräche zu führen, das lag mir, weil ich früher bei der Bank war. Da hatte ich viel mit älteren Kunden zu tun. Das fand ich ganz angenehm. Ich denke, das ist kein großer Unterschied zu dem, was ich Jahrzehnte gemacht habe.

…dann haben Sie ein Händchen dafür...

Dicker: Die Gespräche zu führen ist sehr nett und die älteren Bürger sind auch sehr dankbar. Oft erfährt man viele interessante Dinge, was ich besonders toll finde.

Wie entstand es bei Ihnen, Herr Prust?

Waldemar Prust, links, und Manfred Dicker sind die beiden Ortsvorsteher in Rees.
Waldemar Prust, links, und Manfred Dicker sind die beiden Ortsvorsteher in Rees. © FUNKE Foto Services | Markus Weissenfels

Waldemar Prust: Ganz anders. Ich hatte Kämmerer Andreas Mai mal beim Schützenfest aus Jux gesagt: ‘Was der Walter Rohm da macht, das kann ich mir auch gut vorstellen. Auf anderer Manns Kosten sich beköstigen lassen...’ Dann ging irgendwann im November 2016 das Telefon. Andreas Mai: ‘Der Bürgermeister ist gerade hier. Wir wollen dich als Ortsvorsteher haben.’

Der hat einen Knall, habe ich gedacht. Ich bin in keiner Partei, habe doch damit nichts zu tun. Aber er erklärte mir, ich sei in Rees bekannt wie ein bunter Hund. Sie hätten mit Manfred Dicker einen Ortsvorsteher, der es nicht alleine machen wollen würde. Ob ich mir das mit ihm zusammen vorstellen könnte.

Wir haben uns dann mit der Stadt getroffen, uns unterhalten und seitdem machen wir das.

Es ist gigantisch. Unwahrscheinlich schön finde ich es, wenn man zu den älteren Reesern kommt, die des Platts noch mächtig sind. Aber auch Zugezogene zu besuchen ist schon toll. Die Leute fühlen sich in Rees sehr wohl. Man hört immer mehr, Rees sei eine Rentnerstadt. Jein. Ich vermisse, dass für die Jugend nicht mehr getan wird. Aber da ist in Rees noch nie etwas getan worden. Ist auch schwierig.

Oft gibt es im Ortskern einer Stadt keine eigenen Ortsvorsteher – warum in Rees?

Dicker: Ich weiß es gar nicht, weißt Du das? (zu Prust)

Ich weiß es: Jörn Franken, Stadtsprecher in Rees, hat mir gesagt, es gebe in Rees viele Seniorenheime und ältere Menschen im Zentrum und deshalb viele runde Geburtstage, die zu besuchen sind. Man hatte die Sorge, dass es für den Bürgermeister zu viele werden könnten.

Dicker: Ja, das würde der gar nicht mehr auf die Kette kriegen.

Prust: Dann wäre er nur unterwegs.

Deshalb haben sie eine etwas speziellere Aufgabe. Weniger verlängerter Arm der Verwaltung. Das Rathaus ist nah. Da gehen die Menschen oft direkt hin.

Dicker: Ja, das ist vollkommen richtig. Den Zugezogenen gefällt diese Stadt der kurzen Wege. Sie sind innerhalb der Stadt schnell beim Bäcker, beim Metzger, im Bekleidungsgeschäft. Das schätzen auch die älteren Leute.

Prust: Man kann alles zu Fuß erreichen. Das ist es, was sie lieben.

Wie teilen sie sich die Aufgaben auf?

Prust: Er wohnt im Zentrum, ich außerhalb in der Queckvoor. So teilen wir die Termine auf. Wir wechseln es aber auch schon mal ab. So, wie es gerade auskommt und wen man gut kennt.

Dicker: Die Zugezogenen wissen oft gar nicht, dass es sowas gibt. Ich war letztens bei einer älteren Dame in der Neustraße, die aus Düsseldorf nach Rees gezogen ist. Wir haben uns ziemlich lange unterhalten. Sie hat sich gefreut. Das ist es, was auch Spaß macht.

In Rees ist es eben persönlicher als in einer Großstadt wie Düsseldorf...

Prust: Die Leute, die es nicht kennen, sind sehr überrascht, dass Rees sowas macht. Sie fragen dann auch, warum wir kommen. Es ist eine Wertschätzung der Stadt gegenüber den älteren Herrschaften. Der Besuch zu Geburtstagen ist auch mit einem kleinen Geldbetrag verbunden. Das macht auch nicht jede Stadt. Der Bürgermeister geht zum Teil mit bei Diamantenen Hochzeiten oder Geburtstagen ab 100 Jahren. Der Mann beißt nicht, er ist ein ganz normaler Mensch.

Dicker: Ja, dann fragen die Leute, ob das sein müsse.

Prust: Genau, und wenn man dann raus geht, dann sagen sie: ‘Boah, das war aber toll. Wir haben uns nett unterhalten.’

Kommen überhaupt Bürger mit irgendwelchen Anliegen zu ihnen?

Prust: Das ein oder andere mal schon. Rathaus? ‘Wo muss ich da hin? Wen kann ich ansprechen?’ Ich nehme immer den Seniorenratgeber mit. Viele sagen: ‘Tolles Ding. Da steht alles drin, was man haben muss.’

Oft sprechen mich die Leute mit der Einleitung an: „Wo Sie gerade hier sind...“ Sehr viel werde ich von behinderten Mitbürgern angesprochen, die mit dem Straßenpflaster, mit hohen Bordsteinkanten nicht zufrieden sind. Es haben mich zwei Leute angesprochen, die mit Dreirädern unterwegs sind: Wenn sie über den Damm fahren und müssen die Bergswicker Straße kreuzen, um zum Reeser Meer zu kommen – da kommt man an den Pöllern nicht durch. Das habe ich bei der Stadt auch kund getan. Sowas geben wir gerne weiter.

Haben Sie sowas auch, Herr Dicker?

Ja, wenn den Leuten etwas nicht passt, dann geben wir das weiter. Manchmal muss man auch vermitteln. Wir sind Ansprechpartner, aber in erster Linie werden viele Mitarbeiter der Stadt Rees, die ja auch in Rees wohnen, angesprochen.

Welche Herausforderungen sehen sie in Rees, die angegangen werden müssten?

Prust: Karneval steht in Rees auf der Kippe. Sehr schade, dass in Rees auf dem Marktplatz kein Zelt stehen kann. Es wurde für Rosenmontag zum Westring verlagert. Aber man hört schon, es soll da auch nicht mehr stattfinden. Auch der Karnevalszug, ich glaube, der liegt auch in den letzten Zügen...

...selbst der Karnevalszug?

Prust: Ja, weil sich sehr viele Leute beschweren. Kurioser Weise. Oder die Pumpenkirmes. Das sind für mich Brauchtumsfeste. Und dann kommen die Leute um 23.15 Uhr und sagen, die Musik müsse ausgeschaltet werden. Das liegt eher an den Leuten, die zugezogen sind. Das finde ich sehr schade. Man sollte nicht alles verbieten. Da muss man als Stadt auch mal sagen: ‘Jetzt ist gut gewesen’.

Sehen Sie weitere Herausforderungen, Herr Dicker?

Dicker: Wenn hier ein Steiger für ein Flusskreuzfahrtschiff entsteht, dann muss man den Gästen gastronomisch auch etwas bieten.

Prust: Da war der Einwand von Helmut Wesser von den Grünen im Ausschuss schon berechtigt. Was sollen die Leute hier, wenn man kaum Gastronomie hat oder diese geschlossen ist?

Dicker: Wenn schlechtes Wetter ist, was machst Du dann? Das muss auch im Interesse der Stadt sein. Mehr Außengastronomie an der Promenade wäre schön. Auch weitere Industrieansiedlungen wären gut für Rees. Dass hier mehr Arbeitsplätze entstehen könnten. Rees hat halt viele landwirtschaftliche Flächen.

>> Beide Ortsvorsteher sind parteilos

Manfred Dicker ist 67 Jahre alt, stammt aus Rees und war vor seinem Rentner-Dasein bei der Volksbank Emmerich-Rees tätig. Waldemar Prust ist 65 Jahre alt, stammt aus Rees und war Industriekaufmann, bevor er in Rente ging. Beide sind seit dem 1. Januar 2017 Ortsvorsteher und würden nach der Kommunalwahl im Herbst erneut zur Verfügung stehen. Beide sind parteilos und legen da auch Wert drauf.