Kreis Kleve. Leiharbeiter wohnen teilweise unter menschenunwürdigen Bedingungen. Wenn sie ihren Job verlieren sind sie obdachlos und schlafen auch im Wald.

Die Situation schreit zum Himmel: Menschen aus Osteuropa arbeiten unter menschenunwürdigen Bedingungen, sind untergebracht in verheerenden Verhältnissen und haben Angst den Mund aufzumachen. Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) möchte die Situation der Leiharbeiter in der deutsch-niederländischen Grenzregion nicht länger hinnehmen.

Am Dienstag gab es die erste große Konferenz zu diesem Thema im Euregio-Haus und der Tenor war eindeutig: „Wir brauchen eine koordinierte Zusammenarbeit von deutschen und niederländischen Behörden“, sagte Manfred Wotke, Sprecher der grenzüberschreitenden Arbeitsgruppe „EU-Leitarbeiter“.

Blick in eine Schlafstätte.
Blick in eine Schlafstätte. © GGD Gelderland Zuid | Wendy Broeren

Wotke und andere Diskussionsteilnehmer machte auf erschreckende Art deutlich, was sich in unseren Kommunen tagtäglich abspielt: Menschen schlafen in Zelten im Reichswald, auf den Straßen, sie werden mit zehn bis 20 Personen in ein Haus gepfercht, welches maximal für zwei Familien ausreichen würde. „Das Bett wird nie kalt“, sagte Wotke.

Die Situation ist schlimm

Die Situation der Leiharbeiter aus Polen, Rumänien oder Bulgarien, die in den Niederlanden arbeiten und in Deutschland wohnen, sei schlimm. Der Arbeitsvertrag sei meist in Ordnung, es wird in niederländischen Schlachtereien oder auf dem Bau ein normaler Mindestlohn gezahlt. Doch dann kommen die Abschläge für Miete oder Fahrkosten, die happig sind. 350 Euro im Monat für ein Zimmer, welches man sich mit mehreren Männern teilen müsse, seien keine Seltenheit, so Wotke.

Nach den ersten Berichten in der regionalen Tagespresse seien die Leiharbeitsfirmen vorsichtiger geworden. In den Straßen stehen jetzt Lieferwagen mit Klever Kennzeichen und Autos werden an die Mitarbeiter für zehn Euro am Tag vermietet.

Das Geld können sich die Arbeiter dann bei den Kollegen, die sie mit zur Arbeit nehmen, wieder einspielen. Die Abzüge seien mithin so hoch, dass den Arbeitnehmern kaum noch etwas übrig bleibe. Arbeitszeiten von 16 Stunden seien keine Seltenheit: „Ja das findet alles hier statt. Und wird bekommen das nicht mit“, sagte Wotke.

Aufklärer müssen vorsichtig sein

Der Gewerkschafter weiß um die Brisanz des Themas: „Man muss vorsichtig sein, wie man es ausdrückt: Die Verhältnisse können für Leute, die sich an die Aufklärung machen, schon gefährlich werden. Die Strukturen sind durchaus kriminell. Die Erhaltung des Arbeitsschutzes steht nicht im Mittelpunkt.“

Der Mensch ist das schwächste Glied in der Kette

Auch Emmerichs Bürgermeister Peter Hinze sprach über die Situation. In der Rheinstadt gibt es zehn Leiharbeitsfirmen und trotzdem sei es schwer, mit den Betroffenen Kontakt aufzunehmen. „Meist sind es Männer, um die 30 Jahre alt, die nach anderthalb Jahren wieder nach Rumänien zurück wollen. Da ist die Bereitschaft, sich zu integrieren, sehr gering“, sagte Hinze.

Als Stadt habe man wenig Befugnisse, die Situation für die Menschen zu ändern. Es gebe bereits Kontakte ins Ministerium. „Das schwächste Glied in dieser Kette ist der Mensch“, sagte Hinze.

Vertreter von Caritas und des niederländischen Sozialdienstes GGD berichteten ähnliche Fälle. Besonders schlimm sei es, wenn die Leiharbeiter aufgrund von Krankheit nicht mehr arbeiten können: „Dann sind sie sofort obdachlos, weil Arbeitgeber und Wohnungsgeber oft identisch sind“, sagte Gerrit Hermans von der Caritas.

Für die betroffenen Leiharbeiter besonders schlimm: Sie haben kein Recht auf Sozialleistungen, keine Krankenversicherung, keine soziale Fürsorge ihrer Kommune vor Ort: „Die Menschen sind ja oft nicht mit Wohnsitz gemeldet. Das heißt: Sie wohnen hier offiziell gar nicht. Sie sind quasi Touristen“, verdeutlichte Gerd Engler von der Caritas.

Das alles kann dramatische Folgen haben: So wurde einem polnischer Leiharbeiter aufgrund einer Alkoholsucht gekündigt, der Mann lebt in einem Zelt im Reichswald und er erlitt starke Erfrierungen. Ihm mussten die Zehen amputiert werden. „Da aber die Amputation eines ganzen Beines billiger ist, wollten die Ärzte ihm den Unterschenkel abnehmen. Er war ja nicht krankenversichert“, schildert Wotke. Mithilfe der sozialen Verbände konnte das Schlimmste abgewendet werden. Ein glückliches Ende gab es für den Leiharbeiter dennoch nicht: „Er hat sich vor anderthalb Jahren selbst umgebracht.“