Haldern. Bei der 36. Auflage des Haldern Pop präsentiert sich das Dorf wieder mit musikalischer Seele. Es ist ein Festival für Frühaufsteher geworden.

Die einen bauen eine künstliche Stadt namens Parookaville, die anderen haben ein gewachsenes Dorf. Eines mit Kirche und Kneipe, mit Bäckerei und Eisdiele. Und dazu: ein Dorf mit musikalischer Seele. Die hat Haldern Pop auch bei seiner 36. Auflage wieder zum Singen und Schwingen gebracht. Es waren, zugegeben, aber auch ideale Bedingungen zum Auftakt des Festivals, zu dem mehr als 70 Bands und 7000 Besucher ins Lindendorf kommen – das zum Start auch Ortsfremden direkt klar macht, wo man ist: Vor die ersten Jauchzer haben die Landwirte die Jauche gesetzt.

Durfte als erster auf die Hauptbühne: Durand Jones & The Indications
Durfte als erster auf die Hauptbühne: Durand Jones & The Indications © FUNKE Foto Services | Katharina Kemme

Das ist der oft zitierte Spirit of Freedom und Landluft. Hinzu kommt: Haldern ist mittlerweile ein Festival für Frühaufsteher. Zumindest wenn man, wie so viele, von weiter anreist und tatsächlich beim ersten Akt zur Mittagsstunde dabei sein will. Dann muss man sich schon entscheiden: In der Popbar sich drängeln für Kuersche. Oder in die Kirche zu Opus M.

Das Streicherensemble unter Leitung von Heiner Frost eröffnete mit Schostakovitch das Programm. Nichts, was hier rein und da wieder rausgeht. Frost hatte Sorge, dass sich zu dieser besonderen Frühmesse die Kirche nicht füllen würde. Weit gefehlt: Das Hauptschiff zumindest war voll, die Zuhörer voller Begeisterung.

Vollfette Klänge und entspannte Melodien zum Mitsingen

Für Klänge, die bewegen. Was ja durchaus programmatisch ist. Es dürfen dann später am Tag auch Tanzschritte sein. Wie beim berührenden Retrosoul von Durand Jones & the Indications, der als erster auf die Hauptbühne darf. Was immer ein wackliger Schritt ist in heller Nachmittagssonne. Aber Jones setzt mit vollfetten Klängen und entspannten Melodien zum Mitsingen direkt den richtigen Akzent. Schon um 18 Uhr darf getanzt und mitgesungen werden. Und Gerry Cinnamon aus Schottland gelingt es mit schnellen Rhythmen und Liedern zum Mitklatschen den Spielball hochzuhalten.

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An den meisten der mittlerweile sieben Spielorte gelingt an diesem wohltemperierten Donnerstag der Auftakt, fließt die Energie von der Bühne ins Publikum und wieder zurück. So beispielsweise auch im Jugendheim, das zwar heimelig, aber irgendwie auch viel zu klein ist für die großen Klänge von den (männlichen) Sea Girls. Die können es kaum erwarten, loszulegen und beginnen ihr Set tatsächlich fast 30 Minuten früher als geplant. Und rocken direkt den viel zu kleinen Saal mit wahren Pophymnen zum Mitklatschen und Mitfeiern. Dass auch Musiker Frühaufsteher sein können, überrascht durchaus.

Halder Pop heißt auch Familienzeit: Hier dürfen auch die Kleinsten erste Festivalluft schnuppern, wenn auch noch mit Kopfhörern.
Halder Pop heißt auch Familienzeit: Hier dürfen auch die Kleinsten erste Festivalluft schnuppern, wenn auch noch mit Kopfhörern. © Foto: Katharina Kemme / Funke Foto Services

Es folgt an gleicher Stelle Another Sky, die eine mehrere hundert Meter lange Warteschlange hervorrufen – kein Wunder bei der sirenenhafter Stimme von Catrine Vincent zu elegischen Melodiebögen. Ein bisschen U2 aus der Rattle&Hum-Phase mit einer noch besseren Stimme als Bono Vox. Apropos bessere Stimme: Nach den Lokalmatadoren von Opus M geht es sehr weit in die Welt hinaus: Der geschulte Tenor von Jeremy Dutcher füllt das Kirchenschiff auch ohne Verstärkung.

Im Biergarten sitzen und zuhören

Der Kanadier indianischer Abstammung verzaubert nicht nur mit Klangcollagen der Musik seiner Vorfahren, sondern auch mit guten Kenntnissen von Land und Leuten: „Ich bin Indianer, aber nicht wie bei Karl May. Ich bin nicht Winnetou und bin auch nicht mit dem Pferd gekommen“, erklärt er auf Deutsch. Die Verbeugung vor seinen Ahnen besteht für das Publikum darin, sich zu erheben: Zur Hymne seines Volkes. Auch das sind die Schwingungen, die Haldern Pop zu einem besonderen Festival machen. Auch im Spiegelzelt gelingt der Start mit den ersten Bands gut.

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Anders als in den Vorjahren ist hier bei herrlichem Wetter der Andrang nicht so groß. Man kann ja auch im Biergarten sitzen und zuhören. So geht Haldern Pop in die erste von drei langen Festivalnächten, in denen Überraschungen, Newcomer, Legenden und bekanntere Musiker abwechseln, darunter Faber, Sophie Hunger, Michael Kiwanuka, Loyle Carner und Father John Misty. Doch nach Haldern kommt man wegen der alten Bekannten vor und auf der Bühne. Stargaze, Giant Rooks und einige mehr sind mittlerweile Haldern-Wiederholungstäter.