Haldern. Die NRZ startet die Serie der Band-Vorstellungen zum Haldern Pop Festival. Heute etwa mit den Idles, The Districts und Brandt Brauer Frick.
Heute startet die Serie der Bandvorstellungen zum Haldern Pop Festival vom 8. bis zum 10. August – präsentiert von der NRZ.
Idles
Es sind Bands wie die Idles aus Bristol, England, die in der jüngeren Vergangenheit beim Haldern Pop Festival wieder das grundlegende Element Rock-Musik gestärkt haben. Aus Sicht des Publikums ein ganz wichtiges Element. Denn seit je her wird das Zufriedenheitsgefühl der Zuhörer maßgeblich durch ein Gleichgewicht zwischen griffigen Saiten-Sounds auf der einen und eigentlich allen andern Stilrichtungen auf der anderen Seite beeinflusst. Ein Mindestmaß an Gitarre muss sein.
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Die Idles sind inzwischen eine der angesagtesten Rock-Formationen überhaupt. Wobei sie eher punkig daher kommen. „These Boots are made for... stompin’“, heißt es passender Weise in einer Textzeile analog zum Nancy Sinatra-Hit „These Boots Are Made for Walkin’“ Hier sind die Stiefel also nicht nur zum Gehen, sondern zum Stampfen da.
Die Idles stampfen sich rau und ungeniert in den Gehörgang. Live entwickeln sie eine enorme Dynamik. Der Pogo ist garantiert. Ihr zweites Album „Joy as an Act of Resistance“ ist mit den selben Viren infiziert wie das grandiose Debütalbum „Brutalism“. Die Singles sind vielleicht etwas weniger verspielt, dafür kompositorisch reifer.
Musik für: den rockigen Seelenfrieden. Erlebnispotenzial: 5/5 Sterne.
Hörproben: „Mother“, „Date Night“
Dylan Cartlidge
Der Engländer schafft mit einem Mix aus Rap, Soul, Pop, funky Gitarren und tanzbaren Beats seinen eigenen Stil. So hat er eine Art alternativen Rap kreiert. Ihm wird ein starkes Bühnencharisma attestiert. Die Branche hat ihn seit 2017 im Visier. Im April hat der Multiinstrumentalist nun nach einigen Aufmerksamkeit erregenden Singles wie „Up & Upside Down“ die Debüt-EP „Monsters Under the Bed“ veröffentlicht. Gut möglich, dass diese Karriere bald steil bergauf geht. Musik für: die garantierte Tanzparty. Erlebnispotenzial: 4/5 Sterne.
Hörproben: „Monsters Under the Bed“, „Wishing Well“.
Charlie Cunningham
Der Londoner Liedermacher packt den Zuhörer mit diversen Talenten. Er verbreitet mit seinem warmherzigen Gesang diese Lagerfeuer-Atmosphäre. Die helle, prägnante Stimme wechselt spielend ins Vibrato. Und er spielt geradezu hypnotisierend gut Gitarre, lässt typische Flamenco-Klopfer aufs Holz einfließen – es ist schwer, die Augen von der Spieltechnik zu lösen.
In Haldern hat er schon in der Pop Bar und beim Festival beeindruckt. 2017 ist das überzeugende Debütalbum „Lines“ erschienen. Eine neue Facette seines Könnens präsentiert der Engländer auf seinem im Juni veröffentlichten Album „Permanent Way“. Auf dem zweiten Album fließen auch Synthie-Pop-Elemente ein, wie in „Permanent Way“.
Aber keine Sorge, Cunningham-Fans werden bei schmachtenden Fetzen wie „Don’t Go Far“ weiterhin seinen typischen Sound genießen können. In den Stimmungen und kompositorisch bleibt er sich treu. Auch das flamenco-artige Gitarrenspiel schlägt immer wieder durch.
Das Album könnte ein weiterer Schritt nach vorne werden, für den Musiker, der online bereits millionenfach geklickt wird. Allein sein Hit „Minimum“ kommt bei Spotify auf über 75 Millionen Clicks.
Musik für: Lagerfeuer-Romantiker. Erlebnispotenzial: 4/5 Sterne.
Gurr
Das Berliner Duo spielt eine leichtfüßige Musik. Der Indie-Rock wird mit Pop, Wave und Surf-Riffs angereichert. Andreya Casablanca und Laura Lee wird auf der Bühne Spielfreude nachgesagt. Das könnte für Haldern Pop gut passen.
Im April ist das Album „She Says“ erschienen. Ob das treibende „Of Hollywood“ oder „Bye Bye“, das durch eine gelungene Dramaturgie und gefälliges Gitarrenspiel überzeugt – der Tonträger hat seine Stärken. Vereinzelt singen Gurr auf Deutsch, ansonsten auf Englisch.
Musik für: Rock’n’Roll-Strahlemänner und -frauen. Erlebnispotenzial: 4/5 Sterne.
Durand Jones & The Indications
Der Retro-Soul der 60er/70er dieser US-Formation aus Indiana entlockt dem Zuhörer gleich mal ein grooviges Mitwippen. Vergleiche mit Otis Redding oder Curtis Mayfield sind überflüssig, aber ergeben sich von selbst. Die Stimme des Frontmannes liefert alles, was man sich bei dieser Musikrichtung wünschen kann: vom besonderen Soul-Gefühl bis zum Falsett.
Auch der 2019 erschienene Tonträger „American Love Call“ folgt einer selbst entwickelten Formel: Eine Soulplatte muss ein Partygefühl, soziales Bewusstsein und Herzschmerz zu gleichen Teilen vermitteln. Funk-Gitarre, Hammond-Orgel und der beseelte Hintergrundgesang definieren die Musik. Schlagzeuger Aaron Frazer, der für die lässige Dynamik sorgt, wird auch auf der Bühne als zweiter Bandkopf erkennbar sein.
Musik für: Freunde des zeitlosen Souls. Erlebnispotenzial: 5/5 für Fans dieser Richtung, ansonsten 3/5 Sterne.
Hörproben: „Don’t You Know“, „Morning in America“.
Jesse Mac Cormack
: Der Sänger und Multi-Instrumentalist aus Montreal stellt sich gerade modern auf. Nach kürzeren Tonträgern hat er mit seinem im Mai veröffentlichten Debütalbum „Now“ sein Profil geschärft, sich vielleicht sogar gefunden und macht damit einen riesigen Sprung vorwärts.
Verwurzelt in Folk und Roots-Rock klingt die Musik nun poppiger, wie in der Single „No Love Go“. Aber auch rockigere Passagen bekommen ihren Raum, wie in „Stay“ – ein gelungener Kompromiss für Rock- und Pop-Fans gleichermaßen. Folktronica und Psychedelic Rock finden ihren Platz.
Eine interessante helle Stimme hatte Mac Cormack vorher schon. Nun wirken die Kompositionen stimmiger, halten spannende Wendungen im Detail vor.
Für gute Live-Konzerte war der Kanadier vorher schon bekannt, mit den neuen Liedern hält er das Potenzial für einen großartigen Auftritt vor.
Musik, die: diverse Geschmäcker auf ihre Art bedienen kann. Erlebnispotenzial: 5/5 Sterne.
Brandt Brauer Frick
Daniel Brandt, Jan Brauer und Paul Frick haben mit ihrer elektrisch anmutenden, aber handgemachten Musik bereits ihre Spuren beim Haldern Pop 2013 hinterlassen. Live treten sie auch gerne mit Ensemble auf. Die klassischen Instrumente von Posaune über Tuba bis zu etlichen Percussions sorgen durch einen repetitiven Ansatz für den Flow, auf den sich Freunde elektronischer Musik schnell einlassen können.
Im Juni ist ihr fünftes Album „Echo“ erschienen. Stücke wie „Rest“ oder „Decades“ bauen eine schöne Opulenz auf. Die sonst instrumentale Musik hat in zwei Liedern auch eine Stimme bekommen. Bei „Echoes“ ist Friedberg zu hören; bei „Encore“ Catherine Ringer – der Gewinn hält sich in Grenzen. Überzeugender ist die instrumentale Leistung. Manche Lieder, wie etwa „Fuel“, geben dem sonst durchaus auch mal flachen Genre eine geradezu haptische Ebene.
Musik für: jene, die beim Auto auch unter die Motorhaube gucken wollen würden. Erlebnispotenzial: 4/5 Sterne.
Faraj Suleiman
Der Palästinenser verbindet die Musik zweier Welten. Der Komponist und Pianist lässt die arabischen Einflüsse in eine ansonsten doch eher westliche Musik einfließen. Das Piano steht im Fokus. Spätestens wenn der Gesang auf Arabisch ertönt, klingt es neuartig – auch wenn die Titel auf Englisch etwa bei Spotify angegeben werden.
Die älteren Stücke sind noch stärker durch Jazz und Tango geprägt. Das in 2019 erschienene Album „Second Verse“ ist musikalisch noch westlicher geworden. Die Melodien tänzeln nach Pop-Mustern ins Ohr.
Beim Haldern Pop ist er auch für ein Trio mit Shida Shahabi und Tony Carey im Tonstudio Keusgen vorgesehen.
Musik für: Piano-Entdecker. Erlebnispotenzial: 3/5 Sterne.
Hörproben: „Mountain St.“, „Marriage Proposal“.
Another Sky
Die Stimme von Catrin Vincent ist wahrlich einzigartig. Sie klingt androgyn, wirkt fast vom Computer nachbearbeitet, besonders dann, wenn sie die tiefen Töne anschlägt. Erst in den höheren Lagen kommt die Weiblichkeit durch. Mit ihrer „Zweistimmigkeit“ spielt sie geradezu.
Das Quartett aus London hat aber auch instrumental einiges zu bieten. Der Indie-Rock ist durchdrungen von sphärischen Gitarren-Klängen wie in „Apple Tree“. Eines der Lieder der im Juni veröffentliche EP „Life Was Coming in Through the Blinds“. Die Kompositionen sind abwechslungsreich, bieten etwa spannende Percussions wie in dem Titelsong der EP. Zweifelsohne dürfen Another Sky als Jünger der Generation Radiohead verstanden werden. „Avalanche“, ein Lied aus 2018, wäre auf einem Tribute-Album im Sinne der Vorreiter gut geeignet.
Musik für: die zeitlose Evolution des Indie-Rock. Erlebnispotenzial: 4/5 Sterne.
The Districts
Festivalchef Stefan Reichmann liebt diese Band. Und man muss sie auch lieben. The Districts sind die Bewahrer. Bewahrer des Rock’n’Roll. Bewahrer der Lagerfeuer-Atmosphäre. Bewahrer der Motive, warum jemals ein Rock-Musiker die Gitarre in die Hand genommen hat.
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2014 und 2015 hat die US-Band um Sänger Rob Grote schon beim Haldern Pop überzeugt. Nun kommt sie zurück, nicht runderneuert, aber offenkundig sich selbst in einer neuen Epoche sehend. Ihr Rock’n’Roll ist hymnischer, opulenter geworden. So zumindest auf dem jüngsten Album von 2017 „Popular Manipulations“ – als Beispiel sei der Song „Ordinary Day“ genannt.
Dadurch, und das hat Haldern Pop auch schon so formuliert, erinnern sie an die frühen The Killers. Man könnte behaupten, sie haben das Versprechen eingehalten, dass die deutlich poppiger gewordenen Killers späteren Verlauf nicht mehr eingelöst haben. Selbst der Gesang von Grote, der höhere Töne anschlägt, gibt ein neues Bild ab.
Musik für: Freunde von Indie-Rock-Hymnen. Erlebnispotenzial: 5/5 Sterne.
Hörproben: „6 am“ (als Beispiel der Lagerfeuer-Atmosphäre).
Shida Shahabi
Die schwedisch-iranische Musikerin bringt ihr Tastenspiel mit einer klassischen Piano-Ausbildung zu Gehör. Seither ist sie in etlichen Genres unterwegs. Beim Haldern Pop wird sie am Samstag im Tonstudio Keusgen auch im Trio mit Tony Carey und Farej Suleiman zusammen auftreten.
Auf ihrem bisher einigen Album „Homes“ aus 2018 sind instrumentale Piano-Klänge zu hören, mal verspielt wie bei „Petula“, meist verträumt-andächtig wie bei „Abisme“. Die Musik ist mit ihrer Intimität sicher genau richtig in der sehr unmittelbaren Atmosphäre des Tonstudios.
Musik für: meditative Momente. Erlebnispotenzial: 2/5 Sterne.
Black Midi
Mit „Schlagenheim“ haben Black Midi im Juni ihr erstes Album auf den Markt gebracht. Ihr progressiver Post-Punk hatte sich davor auch ohne Tonträger Gehör verschafft – es lebe das Internet.
In Haldern dürfen sich die Musikfreunde auf einen experimentellen Ansatz zu dieser Musikrichtung freuen. Oder auch nicht. Das ist schon ein spezieller Sound. Man darf auf den Live-Effekt hoffen. Manche Stücke gehen ziemlich voran und brüllen sich in den Gehörgang wie „Near DT, Mi“. Diese Lieder könnten beim Festival am ehesten funktionieren.
Musik für: maximale Gefühle durch pointierte Stimmungen. Erlebnispotenzial: 2/5 Sterne.
Hörproben: „Reggae“, „Years Ago“.
Blanco White
Im April 2018 ließ der Londoner das Publikum in der Haldern Pop Bar träumen. Er hat einfach die ideale Stimme für diese schmachtend-leidenden Lieder. Ein sanftes Vibrato, wie etwa in „Nocturne“, vermittelt eine ganz besondere Stimmung. Die Folk-Melodien überzeugen live auch durch einen guten Sinn für Intensität.
Nach dem Gitarrenstudium in Cádiz erlernte Josh Edwards, der Blanco White einst als Solo-Projekt startete und inzwischen als Band auftritt, in Bolivien das Zupfinstrument Charango, was einen Flamenco-artigen Einfluss auf das Gitarrenspiel mit sich bringt.
Seit der EP „Nocturne“ in 2018 ist nichts Neues von Blanco White erschienen. Ohnehin steht ein vollwertiges Album noch aus. Womöglich gibt es da schon neue Lieder beim Haldern Pop zu hören.
Musik mit: einem großen gemeinsamen Nenner. Erlebnispotenzial: 4/5 Sterne.
Hörprobe: „Olalla“, „Colder Heavens“.
Jungstötter
Irgendwo zwischen Morrissey und Bryan Ferry lässt sich Fabian Altstötters Stimme ansiedeln. Morrisseys Vibrato und Ferrys Klangfarbe. Zweifelsohne eine großartige Stimme. Der Pfälzer bringt in seinem im Februar veröffentlichten Debütalbum „Love Is“ zur Melodie gewordene Geschichten gefühlvoll rüber.
Die Musik hat eine gewisse dramaturgische Schwere. Das Klavier ist Altstötters Hauptbegleiter, aber auch die Gitarre erfüllt ihren Zweck. Lieder wie „Silence“ oder „Systems“ sind kaum radiotauglich, aber sicher Haldern Pop-tauglich.
Musik für: Leidensgenossen. Erlebnispotenzial: 3/5 Sterne.
Alyona Alyona
Die Ukrainische Rapperin erlebte nach der Veröffentlichung ihres Albums „Puschka“ (Kanone) im April einen wahren Hype in ihrer Heimat. Dass eine Frau in der Männerdomäne Rap in dem Land millionenfach geklickt wird, gilt als ungewöhnlich. Ihre Texte über abweichende Frauenbilder oder das Verlassen der Heimat treffen den Gusto der Ukrainer.
Für das Gros des Haldern Pop-Publikums, nämlich alle, die kein Ukrainisch verstehen, wird es keinen leichten Zugang zu der Musik geben. Es ist beat- und wortlastige Musik. Keine leicht eingängigen Melodien und natürlich keine Wörter, die einen mitreißen können. Ein Stil, der beim Haldern Pop recht fremd wirken könnte.
Musik für: Ostblock-Ghetto-Rap-Fans. Erlebnispotenzial: 1/5 Sterne.
Hörproben: „Пушка“, „Падло“.
Karten fürs Festival gibt es unter www.haldern-pop.com. Preis: 125,40 Euro.