Millingen. . Heimatforscher Norbert Behrendt kann anhand von Fundstücken die lange Siedlungsgeschichte des Ortsteils Rees-Millingen nachweisen.
Landwirt Martin Heuvel pflügt im Herbst 2018 seinen Pachtacker am Kirchenhügel in Millingen. Er kann nicht ahnen, dass sein Maisfeld einen Nachweis für die lange Siedlungsgeschichte des Ortsteils birgt. Nur wenige Monate später, im Februar 2019, sind Heimatforscher und Hobbyarchäologen auf dem Feld unterwegs, um Funde aus einer Zeitspanne von fast 3000 Jahren zu bergen. „Wir gehen davon aus, dass der hiesige Raum weit früher besiedelt war, als nachweislich Haffen und überhaupt ganz Nordeuropa, nämlich schon vor 5000 Jahren“, ist Adi Kranz sicher. Der Anholter hat Heimatforscher Norbert Behrendt aus Millingen mit Rat und Tat zur Seite gestanden bei dessen neuestem Forschungsprojekt.
Das Beigefäß einer Brandbestattung wurde gefunden
Bei dem ältesten Fundstück handelt es sich um eine Tonschale „als potenzielles Beigefäß einer Brandbestattung in der Eisenzeit“, das haben die Experten vom Landschaftsverband Rheinland, Außenstelle Archäologie, in ihrer Dokumentation festgehalten. Zwei Monate nach Einlieferung der vielen Fundstücke beim LVR hat das Ergebnis in Millingen bereits vorgelegen. „Wir haben ein bisschen Druck gemacht, schließlich steht 2020 das Jubiläum 900 Jahre Kirche St. Quirinus Millingen an“, sagt Norbert Behrendt und lächelt verschmitzt.
Dabei hat er die Erforschung der Siedlungsanfänge in Millingen zunächst gar nicht im Blick. Norbert Behrendt ist im Frühjahr 2017 auf der Suche nach einer Bauernschanze aus dem 80-jährigen Krieg 1568-1638. Einen Hinweis auf die „Schantz im Millinger Kierspel (Kirchspiel), zur Vermeidung von Gefahren und Schäden“ hat er in Archivalien des Landesarchivs NRW mit Sitz in Duisburg entdeckt. „Die zwei Schanzen von Vehlingen waren mir zu diesem Zeitpunkt schon aus Dokumenten vom Schlossarchiv Anholt bekannt“, sagt Behrendt. Die Millinger nicht.
Bauernschanzen sind Erdwälle, umgeben von Wassergräben
Militärische Festungsanlagen sind bekannt, Bauernschanzen weniger. Dabei handelt es sich um Erdwälle, umgeben von Rinnen, Gräben, die geflutet werden. Besetzt war die Millinger Schanze im Notfall mit zehn bis 15 Soldaten. Im Innern finden Tier und Mensch Schutz vor den plündernden und marodierenden Banden im 80-jährigen Krieg. „Man muss dazu wissen, dass die Offiziere mit Verpflegung versorgt wurden, der begleitende Tross, angefangen von Kämpfern und Logistikern über Handwerker, Soldatenfamilien bis hin zu den Prostituierten aber fast nicht“, erklärt Norbert Behrendt. Diese Klientel stiehlt und raubt bei Freund und Feind, um sich durchzubringen. Aus Unterlagen weiß man, es beispielsweise 100 Menschen in einer solchen Bauernschanze in Kevelaer niedergemetzelt worden sind. Auch Vater und Sohn, Bewohner des Junkermannshofs/Stummenhofs in der Schaffeld in Millingen, kommen damals ums Leben. Sie werden erschlagen.
„Nur, wo war die Millinger Schanz, die 1583 erstmals erwähnt wird?“, fragt sich Behrendt. Er nimmt Kontakt zur Reeser Stadtarchivarin Tina Oostendorp auf. Sie wiederum fragt beim Landesarchiv nach. Dort gibt es Archivalien zur Millinger Schanz. Doch mit den Unterlagen auf einer CD, extra für uns zusammengestellt, kann Behrendt wenig anfangen. Den mittelalterlichen handschriftlichen Text kann er nicht entziffern. Der Isselburger Heimatforscher Fritz Stege stellt den Kontakt zu Dr. Volker Tschuschke vom Institut Westmünsterland Cult her. Tschuschke übersetzt (kostenlos!), aber einen Hinweis auf die genaue Lage der Schanz enthalten die Dokumente nicht.
Einer seiner ersten Wege führt zum Computer
Im 31. Januar 2019, Heimatforscher Behrendt will gerade zu Bett gehen, macht es in seinem Kopf „klick“. „Die Fluchtburg muss in Kirchennähe gewesen sein“, wird ihm mit einem Mal klar. Am nächsten Tag führt einer seiner ersten Wege zum Computer. Er sieht sich die Flurstücke rund um die Kirche mit einem speziellen Computerprogramm an. Das Programm Tim-online 2.0 scannt den Boden ab, so dass alte Erhebungen und Senken sichtbar werden. Und siehe da: Südwestlich von St. Quirinus ist deutlich ein Rechteck mit den Ausmaßen 60 mal 80 Meter zu erkennen. Es liegt hinter dem Anwesen von Albert Verbeet, Luisendorf 2.
Der Acker wird nach Spuren abgesucht
Behrendt beschließt, das Feld nach Spuren abzusuchen. Er und Kranz warten den nächsten großen Regen ab. „Weil dann die Stücke besser sichtbar sind“, erklärt Kranz. Fünfmal gehen sie im Februar 2019 über den Acker, Behrendt, Kranz und drei hilfsbereite niederländische Geschichtsforscher aus Gendringen und Silvolde. Dabei finden sie die Tonschale aus der Eisenzeit, Schlacke und Eisen von Rennofen und Schmiede, eine Musketenkugel aus Blei, eine vier Zentimeter dicke Steinkugel einer Gabelmuskete, römische Keramikscherben (Importware?) und Keramikscherben aus dem Mittelalter und der Neuzeit (u.a. Westerwälder Steinzug) und vieles mehr. Der Hauptfund war die Tonschale, ein Beigefäß einer Urne aus der Eisenzeit. „Ich hatte die Schanze aus dem 80-jährigen Krieg gesucht und mit der Tonschale von einer Urne aus der Eisenzeit (2100 bis 2800 vor. Chr.) den vermutlichen Anfang der Besiedlung von Millingen, gefunden!“, fasst Norbert Behrendt zusammen.