Duisburg-Rheinhausen. „Bürger für Bürger“ hat das Angebot erweitert. Sechsmal pro Woche öffnet die Lebensmittelhilfe in Duisburg-Rheinhausen. Es reicht trotzdem nicht.

Heute ist kein guter Tag. Es reicht nicht für alle. „Ich bin immer dann glücklich, wenn ich niemanden nach Hause schicken muss“, hat Stefan Lüben noch vor einer guten halben Stunde gesagt, als er durch die Fensterscheiben die ersten Wartenden vor der Tür an der Brahmsstraße 5a gesehen hat. 100 Nummern für die Lebensmittelausgabe konnten an diesem Dienstag verteilt werden. 40 Leute ergatterten keinen der begehrten Zettel – ihre Einkaufsbeutel blieben leer.

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„Das tut schon weh“, sagt Stefan Lüben. Seit 2016 ist der Theologe im Rheinhauser Verein „Bürger für Bürger“ aktiv. Nachdem er wegen schwerer Krankheit eine lange Pause machen musste, managt er das Hilfsangebot jetzt im Team mit Christina Henze als Vorsitzender. Und er muss feststellen: „Die Armut wird immer größer.“ Deshalb hat der Verein sein Angebot ausgeweitet und verteilt seit September sechsmal pro Woche die Spenden der Lebensmittelhändler.

Gespendete Lebensmittel von 60 Händlern in Duisburg und Moers

Während die Menschen draußen anstehen, schleppen Helfer immer mehr grüne Kisten durch den Hintereingang. Die „Rheinhausen-Tour“ war erfolgreich. Bis unter das Dach ist der Kleinlaster beladen. Unter anderem mit Salat, Bananen, Paprika, Brot. Sehr viel Brot sogar. Jeden Tag brechen die Ehrenamtler morgens um 6.30 Uhr auf, um mehr als 60 Läden und Großhändler in Duisburg und Moers abzuklappern. Drei Transporter sind gleichzeitig im Einsatz. Wenn sie zurückkehren, wird sortiert. Vieles, was auf den ersten Blick gut aussieht, ist doch nicht mehr genießbar: 500 bis 1000 Kilo der Tagesration sind Abfall.

Stefan Lüben (ganz hinten), Vorsitzender des Vereins „Bürger für Bürger“, ist stolz auf das Team, das die Lebensmittelausgabe in Duisburg-Rheinhausen stemmt.
Stefan Lüben (ganz hinten), Vorsitzender des Vereins „Bürger für Bürger“, ist stolz auf das Team, das die Lebensmittelausgabe in Duisburg-Rheinhausen stemmt. © FUNKE Foto Services | STEFAN AREND

Heute sind mindestens 20 Helfer da. Stefan Lübben ist stolz auf seine Leute: „Wir haben ein tolles Team.“ Rentner, Zwei-Euro-Jobber, junge Flüchtlinge, die hier selber schon für Lebensmittel anstanden und jetzt mit anpacken. Die Gruppe ist bunt gemischt. Elfi sortiert diesmal Brötchen, Kerstin kümmert sich um das Gemüse. Günther hat den schwersten Job. Er muss die Wartenummern vergeben und das ist kein Zuckerschlecken. Als er mit den Zetteln nach draußen geht, bildet sich eine unruhige Menschentraube um ihn.

Gerangel vor der Lebensmittelausgabe: „Die kratzen einem auch mal die Hände auf.“

Es wird geschubst und nach den Nummern gegrapscht. In diesem Augenblick scheint sich auf der Rheinhauser Brahmsstraße jeder selbst der nächste zu sein. „Die kratzen einem auch mal die Hände auf“, sagt Stefan Lüben, der schon des Öfteren beschimpft wurde von Kunden. Besonders nah gegangen ist ihm, als ein Mann auf Englisch brüllte: „Wir sind doch keine Tiere.“ Der Vereinsvorsitzende schaut betrübt. Solche Momente machen ihn nachdenklich. Aber als Theologe hat er das Rüstzeug, professionell damit umzugehen: „Daran sehen Sie, wie groß die Not ist.“

Elfriede, die lieber Elfi genannt wird, gehört zum Team der Ehrenamtler von „Bürger für Bürger“ in Duisburg-Rheinhausen. Sie sortiert die Brötchen, die von Supermärkten und Bäckereien gespendet wurden.
Elfriede, die lieber Elfi genannt wird, gehört zum Team der Ehrenamtler von „Bürger für Bürger“ in Duisburg-Rheinhausen. Sie sortiert die Brötchen, die von Supermärkten und Bäckereien gespendet wurden. © FUNKE Foto Services | STEFAN AREND

Dennoch: Wer unverschämt wird und sich nicht an Regeln hält, wird von der Essensausgabe ausgeschlossen. Nach dem kurzen Moment der Unruhe, als die Wartenummern nicht reichten und sich einige den Zutritt durch hartnäckige Diskussionen verschaffen wollten, läuft es jetzt aber ruhig. Einer nach dem anderen lässt sich vorne im Laden registrieren, zahlt den Beitrag von fünf Euro, darf in der Abteilung mit Kleidung, Geschirr & Co. stöbern und dann weiter nach hinten gehen und die Einkaufstaschen mit Essbarem befüllen. Eine für Obst, eine für Gemüse, eine für Molkereiprodukte. Am Schluss gibt es Brot.

Mit dem Deutschlandticket reisen Bedürftige nach Duisburg-Rheinhausen

Deutsch sprechen hier mittlerweile die Wenigsten. Auch Türkisch ist seltener geworden. Das Team hat einen Wandel beobachtet. Viele kommen aus der Ukraine, Afghanistan, Tschetschenien, Rumänien, Bulgarien oder Syrien. Alle Altersgruppen sind vertreten.

Und noch etwas hat sich verändert: Mit dem Deutschlandticket, so Stefan Lüben, reisen Bedürftigen aus Oberhausen, Mülheim und noch weiter entfernten Städten wie Hagen oder Wetter zur Lebensmittelausgabe nach Rheinhausen. Da dieser Ansturm dazu führt, dass Menschen im Duisburger Westen leer ausgehen, wird die Registrierung jetzt begrenzt. „Wir nehmen nur noch Kunden, die ihren Wohnort oder gewöhnlichen Aufenthalt in Duisburg oder Moers haben.“ Aus diesen beiden Städten kommen auch die Lebensmittelspenden.

Auch Kleidung gibt es für Bedürftige beim Verein „Bürger für Bürger“ in Duisburg-Rheinhausen.
Auch Kleidung gibt es für Bedürftige beim Verein „Bürger für Bürger“ in Duisburg-Rheinhausen. © FUNKE Foto Services | STEFAN AREND

Alleinerziehende, Menschen mit kleiner Rente, Flüchtlinge, Obdachlose – die Zahl derjenigen, die finanziell an der Existenzgrenze leben, steigt überall. „Bürger für Bürger“ versorgt mithilfe von Geld-, Sach- und Lebensmittelspenden und einem unermüdlichen Team von Freiwilligen pro Tag 70 bis 110 Haushalte. Der Verein hat die Statistik auf ein Jahr hochgerechnet und kommt so auf 22 500 versorgte Haushalte.

Stefan Lüben: „Wir versuchen, den Leuten da draußen zu helfen.“

Die Schlange vor der Tür wird kürzer. Viele sind mit vollgepackten Taschen nach Hause gegangen. Das ist ein gutes Gefühl für Stefan Lüben. Und es führt ihm vor Augen, warum er diesen herausfordernden Job eigentlich macht. „Wir versuchen, den Leuten da draußen zu helfen“, sagt der Theologe. „Das ist ganz konkrete Nächstenliebe.“

Lebensmittelhilfe „Bürger für Bürger“: montags bis samstags ab 12 Uhr, Brahmsstraße 5a in Duisburg-Rheinhausen. Kunden müssen sich registrieren und ihre Bedürftigkeit nachweisen. Mehr Information: www.bfb-du.de, Tel.: 02065/5 84 63.

>>>> DRINGEND BENÖTIGT: EHRENAMTLER UND EIN KÜHLFAHRZEUG:

  • Der Verein „Bürger für Bürger“ ist auf der Suche nach Ehrenamtlern, die das tägliche Einsammeln der Lebensmittel unterstützen.
  • Gesucht werden Menschen, die einen Transporter fahren und beim Tragen der Kisten mit anpacken können.
  • Benötigt werden auch zwei neue Fahrzeuge – eines mit Kühlung, um die Molkereiprodukte zu transportieren.
  • Wer den Verein unterstützen möchte, kann sich per E-Mail melden unter vorstand@bfb-du.de oder Tel.: 02065/5 84 63.