Duisburg-Rheinhausen. Seit 40 Jahren hüten Ehrenamtler das Erbe der Zechen in der Bergbausammlung Rheinhausen. Aber: Für die Zukunft des Museums sieht es düster aus.

Endlich mal volles Haus! So viel Leben hätte Wilfried Brücksken gerne häufiger in der Bude. Der Vorsitzende des Vereins Rheinhauser Bergbausammlung denkt mit Begeisterung an die Feier des 40-jährigen Bestehens zurück. 120 Gäste tummelten sich im Mai an dem für Rheinhausen so besonderen Ort der Geschichte. Der Knappenchor sang, die Bezirksbürgermeisterin gratulierte und die ehemaligen Bergleute genossen die aufflammende Erinnerung an das, was den Duisburger Westen so viele Jahrzehnte geprägt hat.

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„Was wäre Rheinhausen denn ohne Bergbau und Stahl?“, fragt Wilfried Brücksken und gibt die Antwort gleich selber: „Tote Hose, sonst gar nichts.“ Bitterkeit klingt in der Stimme des 75-Jährigen mit. Bei allem Stolz darauf, dass engagierte Bergleute das kulturelle Erbe ihrer Zunft seit vier Jahrzehnten bewahren, kann Brücksken die Augen nicht davor verschließen, dass das Interesse der Duisburger an ihrer Bergbauvergangenheit immer weniger wird.

Seit 22 Jahren ist Wilfried Brücksken Vorsitzender der Bergbausammlung in Duisburg-Rheinhausen. Mit 14 Jahren hat er seine Karriere als Bergmann begonnen und sich zum Steiger hochgearbeitet.
Seit 22 Jahren ist Wilfried Brücksken Vorsitzender der Bergbausammlung in Duisburg-Rheinhausen. Mit 14 Jahren hat er seine Karriere als Bergmann begonnen und sich zum Steiger hochgearbeitet. © FUNKE Foto Services | Tanja Pickartz

Früher, daran erinnert sich der Rheinhauser, da gingen die Arme junger Besucher in die Höhe, wenn er bei den Museumsführungen die Frage stellte, wessen Opa oder Vater auf dem Pütt war. Heute meldet sich kaum noch jemand. „Die Generationen sterben aus.“ Wilfried Brücksken war 14, als er unter Tage anfing. Fünf Generationen lang hat der Bergbau die Brückskens ernährt. Der letzte im Familienbunde ist sein Sohn, ebenfalls Bergmann im Ruhestand. Die Leidenschaft für den Beruf hat er geerbt, aber die Geschichte bewahren? Ehrenamtlich? „Daran hat er kein Interesse“, bedauert der Vater, der den Job des Vorsitzenden der Bergbausammlung schon seit 22 Jahren macht. Ein Nachfolger ist nicht in Sicht.

Bergbausammlung Rheinhausen: 1200 Exponate auf 350 Quadratmetern

„Wenn Sie wüssten, wie mich das belastet“, sagt Wilfried Brücksken und lässt den Blick durch den Raum schweifen. Er sitzt inmitten von 1200 Exponaten, die auf den 350 Quadratmetern der Bergbausammlung Platz gefunden haben. „Ich habe doch die Verantwortung für all das hier.“ Gemeinsam mit anderen Ehrenamtlern führt der pensionierte Bergmann immer donnerstags und am ersten Sonntag im Monat Besucher durch die Sammlung. Aber seit der Pandemie kommen sehr viel weniger als vorher. „Wir haben kaum noch Seniorengruppen.“ Auch die Schulklassen bleiben aus. Immer häufiger gibt es Donnerstage, an denen gar keiner kommt.

Der Knappenchor sang zum 40. Geburtstag der Bergbausammlung Rheinhausen.
Der Knappenchor sang zum 40. Geburtstag der Bergbausammlung Rheinhausen. © Bergbausammlung Rheinhausen

Wilfried Brücksken erinnert an die Blütezeit der Zeche Diergardt in den 50er Jahren. „Da hatten wir 5800 Beschäftigte.“ Das hat die Region geprägt. Die Bergbausammlung will die Erinnerung daran erhalten. Nur: Offenbar interessiert sich kaum noch jemand dafür, wie hier früher unter Tage geschuftet wurde. „Wir haben mehr Besucher, die aus dem Ausland kommen als Duisburger, die den Weg von der anderen Rheinseite zu uns finden.“

Auch dieser „Grubenwehrmann“ gehört zu den Ausstellungsstücken der Bergbausammlung in Duisburg-Rheinhausen.
Auch dieser „Grubenwehrmann“ gehört zu den Ausstellungsstücken der Bergbausammlung in Duisburg-Rheinhausen. © FUNKE Foto Services | STEFAN AREND

Zu Besuch war auch schon mal eine Schülergruppe aus den USA. Sie wollten nicht wie die meisten anderen in das Bergbaumuseum Bochum, das mit 420 000 Gästen pro Jahr zu den meistbesuchten Bildungseinrichtungen Deutschlands gehört. „Sie wollten unbedingt zu uns nach Rheinhausen“, erzählt Wilfried Brücksken. „Weil hier bei uns echte Bergleute durch die Sammlung führen und jede Menge Anekdoten erzählen können.“

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Am 30. Juni jährt sich übrigens die Schließung der Schachtanlage Mevissen zum 50. Mal. Wilfried Brücksken weiß sogar noch, dass der Förderkorb an diesem Tag im Sommer 1973 um 12.15 Uhr seine letzte Fahrt gemacht hat. Für ihn, der sich einst zum Steiger hochgearbeitet hat und eine so tiefe Verbundenheit zum Bergbau spürt, werden die Erinnerungen auch nach einem halben Jahrhundert nicht verblassen. Aber er hat das sehr persönliche Bedürfnis, die Geschichte für die Nachwelt zu erhalten. „Ich möchte dem Bergbau etwas zurückgeben.“ Dankbarkeit schwingt in diesem Satz mit. Und der Wille, weiter dafür zu kämpfen, dass die Bergbausammlung Rheinhausen nicht nur eine 40-jährige Geschichte hat, sondern auch eine Zukunft.

>>> WER KENNT DIESE FÜNF TYPISCHEN BEGRIFFE AUS DEM BERGBAU?

Bei den Führungen durch das Bergbaumuseum geht es immer auch um die Begriffe, die der Bergbau geprägt hat. Wilfried Brücksken nennt fünf Beispiele aus der „Geheimsprache der Bergleute“:

  1. Dubbel: Das belegte Butterbrot, das die Bergleute mit unter Tage genommen haben. Früher wurde es erst in Pergament und dann in Zeitungspapier eingeschlagen. Später gab es dann Dosen für das Pausenbrot – zum Schutz vor Mäusen.
  2. Gezäh: So wurden Werkzeug und Arbeitsgeräte der Bergleute genannt.
  3. Futtsack: Das Wort wird heute noch gesagt, wenn etwas schiefgelaufen ist. Wilfried Brücksken erklärt, wo der Begriff herkommt: Wenn es unter Tage Probleme gab, hängte man den Grubenpferden zur Beruhigung Futtersäcke um. Daraus entwickelte sich das verkürzte Wort „Futtsack“.
  4. Arschleder: Dieser Begriff sorgt in der Rheinhauser Bergbausammlung besonders bei Führungen mit Schulklassen für Heiterkeit. Das Arschleder gehörte zur Bergmannskleidung, es schützte vor Kälte, Nässe und dem Durchwetzen des Hosenbodens.
  5. Mutterklotz: Die Bergleute nahmen damals heimlich Reststücke vom Grubenholz mit nach Hause. Es wurde meist noch unter Tage gleichmäßig in schmale Holzspäne zerteilt und mit Draht und Einmachgummi zusammengehalten. Die Mutter feuerte damit dann den Ofen an.

>>> INFORMATIONEN ZUR BERGBAUSAMMLUNG RHEINHAUSEN:

Bergbausammlung Rheinhausen, Auf dem Berg 9, 47228 Duisburg. Öffnungszeiten: donnerstags von 9-14 Uhr, jeder erste Sonntag im Monat von 14-16 Uhr. Telefon (während der Öffnungszeiten): 0160/2 13 37 90. Mehr Information www.bergbausammlung.de