Duisburg. Große Bauprojekte, Integration, Soziales und Bildung: So viele Fördermillionen fließen aus Brüssel. Doch die Unterstützung hat Schattenseiten.

Bei der Finanzierung vieler Projekte spielt die EU eine wichtige Rolle in einer finanzschwachen Kommune wie Duisburg. Ohne die Förderung aus Brüssel würde die Stadt wohl anders aussehen. Doch gleichzeitig ist der Aufwand für Anträge und Abrechnung enorm. Eine Bilanz.

Von 2007 bis 2020: Für Duisburg 320 Millionen Euro aus Brüssel

Das kleine Emblem der Europäischen Union auf manchem Bauschild entspricht nicht dem Anteil der EU an der Finanzierung. Für die Millionen, die zumeist über den Bund und das Land in die Städte geleitet werden, feiern sich gern Minister und Abgeordnete. Dabei wird die Arbeit vor allem in den Rathäusern gemacht.

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Für ein Wahlspot zur Europawahl am 9. Juni hat die Stadt errechnet, dass allein von 2007 bis 2020 rund 320 Millionen nach Duisburg flossen. Gedreht wurde der Spot mit der Auszubildenden Lea im Rheinpark. Der Umbau des ehemaligen Hochfelder Stahl-Standorts zu Park, Wohnquartier „Rheinort“ und Schauplatz der IGA 2027 ist eines der Großprojekte, für das die EU Geld gibt, weitere Beispiele sind der neue Bildungscampus Marxloh oder der Landschaftspark Nord.

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Den grenzüberschreitenden Austausch von Fachkräften fördert das Interreg-Programm „Euregio Mobility“. Hochinteressant für die Duisburger Berufskollegs und deren Austausch mit niederländischen Schulen und Betrieben. „Ziel ist es, das als dauerhafte Struktur entlang der Grenzen zu installieren“, erklärt Romy Seifert.

Romy Seifert ist Leiterin der Stabsstelle für Wirtschafts-, Europa- und Fördermittelangelegenheiten der Stadt Duisburg.
Romy Seifert ist Leiterin der Stabsstelle für Wirtschafts-, Europa- und Fördermittelangelegenheiten der Stadt Duisburg. © Ilja Höpping / Stadt Duisburg | Ilja Höpping

Für EU-Förderung: Projekte brauchen eine gute Idee und starke Partner

Die Leiterin der Stabsstelle für Wirtschaft, Europa- und Förderangelegenheiten ist seit vier Jahren – wenn man so will – „Miss Europa“ in der Duisburger Verwaltung. Bei ihrem dreiköpfigen Team beginnt jedes Projekt. „Wir suchen nach passenden EU-Programmen für Ideen – und nach starken Partnern, ohne die es selten funktioniert“, erklärt die Juristin. „Beantragung und Abwicklung machen die Fachbereiche. Da helfen wir bei den Anträgen, sind Dienstleister nach innen.“

Schon das Dickicht der Programme erfordert Fachwissen. Es gibt Fonds für regionale Entwicklung (EFRE), den Sozialfonds (ESF), Interreg für Kooperationen mit den NRW-Nachbarn Niederlande und Belgien, Horizon für die Unis – um nur die Größten zu nennen, die für Duisburg relevant sind. Außerdem hilft Brüssel mit Biwaq den Kommunen bei der Integration Zugewanderter, mit EHAB Menschen aus der EU, die es nach Duisburg verschlagen hat.

Durchschnittlich fließen 24 Millionen Euro der EU pro Jahr nach Duisburg

„In der Regel sind es von der EU kofinanzierte Projekte“, erläutert Romy Seifert. Die EU steuert in der aktuellen Förderphase (2020 bis 2026) 40 Prozent bei. Weitere Anteile leisten Bund, Ländern und die Kommune selbst mit einem Eigenanteil. Das macht’s kompliziert. „Auch Bund und Länder formulieren eigene Förderziele“, erläutert Seifert.

Die Formulierung von Anträgen, die den Vorgaben der Fördergeber entsprechen, stehe häufig unter erheblichem Zeitdruck, berichtet die Leiterin der Stabsstelle: „Jeder Projekt-Antrag steht im Wettbewerb mit anderen, die Aufrufe und Fristen sind oft knackig kurz. Es ist deshalb auch die Frage, was schaffbar ist.“ Mit durchschnittlich 24 Millionen Euro reinen EU-Mitteln, die pro Jahr nach Duisburg fließen, stehe Duisburg aber gut da, findet Romy Seifert. „Bei dem EFRE-Fonds der letzten Förderperiode halten wir mit den kommunalen Vorhaben den Spitzenplatz im Ruhrgebiet.“

Auch mit der Hilfe von EU-Mitteln konnte das einstige Meidericher Hüttenwerk zum Landschaftspark Duisburg-Nord entwickelt werden, der heute ein Besuchermagnet ist.
Auch mit der Hilfe von EU-Mitteln konnte das einstige Meidericher Hüttenwerk zum Landschaftspark Duisburg-Nord entwickelt werden, der heute ein Besuchermagnet ist. © www.blossey.eu / FUNKE Foto Service | Hans Blossey

Abrechnung und Dokumentation: Mit Aktenordnern zur Bezirksregierung

Nicht nur die Anträge selbst, auch die anschließende Abrechnung mit den Fördergebern erfordert viel Zeit und Arbeit. Belege müssen gesammelt, Abrechnungen gemacht und Nachweise vorgelegt werden. „Ich würde mir eine digitale Bearbeitung wünschen. Es hat sich zwar schon einiges gebessert, aber wir laufen noch mit Aktenordnern voller Belege zur Bezirksregierung“, sagt Romy Seifert.

Erste Ansätze zur Digitalisierung seien zuweilen nicht hilfreich, weil die beteiligten Behörden mit unterschiedlichen IT-Lösungen arbeiten. Und wo die elektronische Verarbeitung möglich ist, sei mitunter die digitale Signatur nicht rechtlich verbindlich – und weiter eine unterschriebene Papier-Kopie erforderlich.

Unverhältnismäßig findet Duisburgs EU-Fachfrau es allerdings nicht, dass auf die ordnungsgemäße Verwendung der Fördermittel penibel geachtet wird. „Am Ende“, erinnert Romy Seifert, „ist es unser aller Steuergeld.“

Planungsdezernent: „Goldene Zügel“ beschneiden die Selbstverwaltung

Segen und Fluch zugleich sind die Fördermillionen für Duisburgs Planungsdezernent Martin Linne. Die Bedingungen der Fördergeber nennt er „goldene Zügel“, mit denen die kommunale Selbstverwaltung beschnitten wird. Allein die Stabsstelle in seinem Dezernat für Stadtentwicklung beschäftige 30 Mitarbeitende mit der Steuerung von 389 Projekten, die aus 28 verschiedenen Förderprogrammen finanziert werden, berichtete er Ende 2022.

Zudem gebe es eine weiteres 14-köpfiges „Fördermittel-Team“ im städtischen Wirtschaftsdezernat. Aus eigener Kraft müsse die Stadt die Kosten für den „Förderwettbewerb“ stemmen. Weil Duisburg in langen Jahren der Überschuldung kaum selbst investieren durfte, habe sich die Stadt auf jene Bereiche fokussiert, für die Beihilfen in Aussicht standen, andere gingen leer aus.

Bei Abrechnung und Dokumentation bewege sich die Stadt „in einem schizophrenen Umfeld“, kritisiert der Beigeordnete, der sich mehr Beinfreiheit für die Kommunen wünscht: Statt Dutzender Förderprogramme eine bessere Basis-Finanzierung, die mehr Raum für eigene Entscheidungen lässt.

EUROPE DIRECT: INFORMATIONSZENTRUM FÜR DUISBURGS BÜRGER

  • Eines von neun Informationszentren der Europäischen Union ist in Duisburg. Sitz von „Europe Direct“ ist das Bezirksamt Homberg am Bismarckplatz (0203 283 7485).
  • Von Leiter Joachim Fischer können sich die Bürger dort zu europäischen Themen beraten lassen.
  • Etwa zu den Europa-Schecks: damit unterstützt die EU ehrenamtliche Projekte von Vereinen, Initiativen oder Einzelpersonen, die das Miteinander in Europa fördern oder einen Mehrwert für die EU schaffen, mit bis zu 25.000 Euro.