Duisburg. Der Prozess um womöglich zu hohe Gehälter der Ex-Werkstatt-Chefin Roselyne Rogg wird unterbrochen. Welche Rolle die SPD Duisburg dabei spielt.

Das politisch wohl brisanteste Verfahren des Jahres vor dem Amtsgericht Duisburg musste am Freitag abgebrochen werden: aus politischen Gründen. Jetzt werden sich der ehemalige Sozialdezernent Reinhold Spaniel und Roselyne Rogg, Ex-Geschäftsführerin der damaligen Duisburger Werkstatt für Menschen mit Behinderung, voraussichtlich erst in einem Jahr vor Gericht verantworten müssen – dann vermutlich mit einem Schöffen ohne SPD-Parteibuch. Den Verlauf des Prozessauftakts am Freitag kann man sich kaum ausdenken.

Spaniel und Rogg wird besonders schwere Untreue in zwei Fällen vorgeworfen. Laut Staatsanwaltschaft sollen sie zwischen 2011 und 2016 „unangemessen hohe Geschäftsführergehälter“ am Aufsichtsrat vorbei durchgesetzt haben, über 750.000 Euro zu viel.

Prozess gegen Rogg und Spaniel: Angeklagte würdigen sich keines Blickes

2018 wurde Rogg fristlos gekündigt, seither laufen die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft, Anklage wurde 2020 erhoben, 2023 wurde sie zugelassen. Der Hauptverhandlungstermin für den Strafprozess scheiterte am Freitag schnell. Für die beiden Angeklagten steht nach so vielen Jahren eine Menge auf dem Spiel: Im Falle einer Verurteilung bewegt sich der mögliche Strafrahmen zwischen einem halben und zehn Jahren Gefängnis.

Spaniel und Rogg, die sich im Gericht kaum eines Blickes würdigten, werden sich in diesem Jahr womöglich dennoch begegnen: Denn parallel laufen weitere Rechtsstreitigkeiten auf verschiedensten Ebenen, drei weitere straf- und zivilrechtliche Verfahren sind terminiert.

2021 hatte das Landgericht Duisburg bereits ein Urteil in einem Zivilprozess gefällt und Spaniel und Rogg gemeinsam verurteilt, 759.000 Euro nebst Zinsen an die Werkstatt zurückzuzahlen. Dagegen haben die beiden Berufung eingelegt, jetzt steht ein Termin vor dem Oberlandesgericht in Düsseldorf an.

Rogg beklagt Rufmordkampagne: „Die Vorwürfe treffen nicht zu“

Reinhold Spaniel, am Freitag umringt von Anwälten, hat eigens einen Pressesprecher engagiert, der auf einer Webseite die Sicht des inzwischen 72-Jährigen darlegt. Im Gerichtssaal sitzt der SPD-Mann so, wie man ihn aus seinen früheren Tätigkeiten, aus Ratssitzungen etwa kennt: Lesebrille auf der Nase, vorgebeugt in Akten blätternd, Notizen machend.

Roselyne Rogg kommt auf die Minute genau zum Verhandlungsbeginn, lässt die Film- und Fotoaufnahmen flankiert von zwei Anwälten über sich ergehen. Dem Medieninteresse widmet sie die ersten Worte in einer persönlichen Stellungnahme. Die Berichterstattung sei vorverurteilend und „eine Rufmordkampagne gegen mich“, denn „die Vorwürfe treffen nicht zu“.

Gehälter wurden „ohne mein Zutun“ erhöht

Ausführlich verliest sie Seite um Seite, wie sich ihre Zeit in Duisburg aus ihrer Sicht entwickelte. Demnach sei Spaniel ihr erster Ansprechpartner gewesen, mit ihm habe sie sich schon 2009 erstmals in einem Düsseldorfer Bistro getroffen, um Details ihrer Tätigkeit und auch das Gehalt zu besprechen.

Auch künftig sei er als Aufsichtsratsvorsitzender ihr Hauptkontakt gewesen. Ihre Gehälter seien „ohne mein Zutun“ erhöht worden. An dem Gebaren hätten auch die Wirtschaftsprüfer keinen Anstoß genommen, „sonst hätte ich handeln können“, so Rogg. Gegen das Wirtschaftsprüfungsunternehmen läuft im Herbst ein eigener Prozess, die Werkstatt hat geklagt.

Rogg berichtet von „Loyalitätstests“ unter Sozialdemokraten, von regelmäßigen Treffen aller Aufsichtsratsmitglieder mit SPD-Parteibuch vor den eigentlichen Sitzungen, von „immer einheitlichen Entscheidungen“ des Gremiums. Was in der Werkstatt passierte, sei politischer Wille gewesen.

In einem persönlichen Statement erklärt Roselyne Rogg, ehemals Geschäftsführerin der Werkstatt für Menschen mit Behinderung, die SPD habe starken Einfluss genommen.
In einem persönlichen Statement erklärt Roselyne Rogg, ehemals Geschäftsführerin der Werkstatt für Menschen mit Behinderung, die SPD habe starken Einfluss genommen. © FUNKE Foto Services | Michael Dahlke

Sicht der Angeklagten: SPD-Klüngel ist schuld

Ihre Strategie wird schnell deutlich: Der Duisburger SPD-Klüngel sei schuld. Ihre Ausführungen kann sie allerdings nicht beenden, denn inzwischen ist einem der beiden Schöffen klar: Das kann nicht gut gehen, er offenbart der Richterin gegenüber seine Mitgliedschaft im SPD-Ortsverein.

Das war vermutlich klug, denn auf dem Flur des Gerichts warteten etliche Zeugen des Verfahrens, die überwiegend auch ein SPD-Parteibuch haben: etwa Thomas Krützberg, der nach Spaniel Vorsitzender des Aufsichtsrats war, oder Octeo-Geschäftsführer Oliver Hallscheidt, damals SPD-Fraktionsgeschäftsführer. Auch Oberbürgermeister Sören Link (SPD) und Pressesprecherin Anja Kopka (parteilos) sollten an diesem Tag aussagen.

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Anwälte fürchten Befangenheit eines Laienrichters

Die Besorgnis der Befangenheit teilen alle Anwälte und stellen entsprechende Anträge, die Staatsanwaltschaft zeigt Verständnis. Dr. Martin Schorn, der Spaniel vertritt, betont, dass es für die Verteidigung des Mandanten wichtig sei, dass Entscheidungen für die Belange der Werkstatt mit der SPD abgestimmt oder sogar von der Partei vorgegeben waren.

Er berichtet, dass der ehemalige Innenminister Ralf Jäger im März 2021 versucht habe, Einfluss auf die Verteidigung zu nehmen. Der Schöffe könne nicht neutral entscheiden, wenn sich führende SPD-Mitglieder nicht korrekt verhalten haben, argumentiert der Anwalt. Jäger hatte zu diesem Zeitpunkt alle Ämter niedergelegt, weil er sich um seine erkrankte Frau kümmern wollte.

Das Gericht will jetzt zunächst ein Gutachten in Auftrag geben, das „die Angemessenheit der Bezüge“ prüfen soll, das 2017 zuletzt 376.000 Euro brutto betrug.

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>>SCHÖFFENGERICHT: DIE AUFGABE DER LAIENRICHTER

  • Schöffen sind ehrenamtliche Richter, die ohne juristische Vorkenntnis in Hauptverhandlungen das gleiche Stimmrecht haben wie ein Berufsrichter. Sie werden für fünf Jahre gewählt.
  • Den Prozessen werden sie zugelost. Details erfahren sie in der Regel erst vor Beginn der jeweiligen Verhandlung.
  • Wenn Schöffen sich nicht völlig frei fühlen oder es einen Grund gibt, der an ihrer Unparteilichkeit Zweifel wecken könnte, müssen sie das dem vorsitzenden Richter sagen.

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