Duisburg/Essen. Maßarbeit bei Thyssenkrupp Steel in Ruhrort: Ein riesiger Kran wird in eine neue Halle bugsiert. Warum in Duisburg sein zweites Leben beginnt.

Maßarbeit der Führer von zwei Autokränen: Gerade eine Handbreit Platz bleibt, als am Mittwoch zwei 34 Meter lange Kranbrücken in die stählerne Dachkonstruktion einer neuen Halle von Thyssenkrupp Steel Europe (TKSE) eingepasst werden. Das Besondere: Der 60-Tonnen-Kran ist gebraucht, in Ruhrort beginnt nun sein zweites Leben. Das spart nicht nur Zeit und Energie, sondern auch viel Geld.

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Nächtlicher Spezialtransport aus dem Essener Hafen nach Duisburg-Ruhrort

Als die erste gut 30 Tonnen schwere Brücke an Ort und Stelle liegt, schnauft Projektleiter Christoph Otto erstmal durch: „Das war knapp.“ Am Dienstagabend um 22 Uhr beginnt die Reise der drei Spezialtransporte im Essener Stadthafen. Dort ist der Sitz der Teichmann-Gruppe, der Kranbauer ist spezialisiert auf gebrauchte Anlagen. Minutiös ist der Weg der jeweils 44 Meter langen Transporter über die A42 und A59 geplant, damit sie um 5.30 Uhr das Werksgelände von Arcelor-Mittal erreichen.

Maßarbeit: Mit zwei Autokranen wurden die Bauteile des Krans für die neue Werkstatt von Thyssenkrupp Steel in Ruhrort an ihre Position gehoben. 
Maßarbeit: Mit zwei Autokranen wurden die Bauteile des Krans für die neue Werkstatt von Thyssenkrupp Steel in Ruhrort an ihre Position gehoben.  © FUNKE Foto Services | STEFAN AREND

Hier betreibt TKS seine Werkstatt für Wartung und Reparatur der Stranggießanlagen. Sie werden in 40 bis 50 Tonnen schwere Segmente zerlegt, per Zug angeliefert und rollen anschließend zurück in den Duisburger Norden. „Jetzt werden zwei neue Anlagen gebaut, deshalb reichen die Krankapazitäten der alten Halle nicht mehr aus“, erklärt Christoph Otto. Neben der alten entsteht deshalb die neue, 50 Meter lange, 40 Meter breite und 20 Meter hohe Halle.

Zweieinhalb Jahre dauert der Bau der neuen Werkstatt für die Instandsetzung der Stranggiessanlagen von TKS. Christoph Otto (Foto) leitet das Projekt am Ruhrorter Werk von Arcelor-Mittal.
Zweieinhalb Jahre dauert der Bau der neuen Werkstatt für die Instandsetzung der Stranggiessanlagen von TKS. Christoph Otto (Foto) leitet das Projekt am Ruhrorter Werk von Arcelor-Mittal. © FUNKE Foto Services | STEFAN AREND

Neue Werkstatt: Teil der Modernisierungsstrategie 20/30 von TKS

Der Neubau begann bereits vor knapp zwei Jahren auf der einstigen Lagerfläche, die Thyssenkrupp Steel gehört, ein kleiner Teil des Baufeldes wurde von Arcelor-Mittal erworben. Das Projekt ist Teil der Modernisierungsstrategie 20/30 von TKSE. Der Stahlkonzern investiert nach eigenen Angaben einen hohen einstelligen Millionenbetrag.

Getauft ist der neue Kran schon: Die Buchstaben von RU 63 identifizieren den Standort Ruhrort. Einfacher wär’s gewesen, den Kran vor dem Dach zu installieren. „Aber die zeitlichen Abläufe der Arbeiten gaben das nicht her“, erklärt der Projektleiter. Also wird’s eng: Der Transporter muss rückwärts in die Halle, durch zwei Öffnungen im Dach heben die Autokrane dann erst die Brücken in Position, zuletzt folgt die „Katze“ – die bewegliche Hebevorrichtung, die auf den beiden Brücken ruht.

Julia Teichmann von der Teichmann-Gruppe begleitet den Transport nach Duisburg. Die Essener Kranbau-Gruppe ist spezialisiert auf die Wiederaufbereitung gebrauchter Anlagen.
Julia Teichmann von der Teichmann-Gruppe begleitet den Transport nach Duisburg. Die Essener Kranbau-Gruppe ist spezialisiert auf die Wiederaufbereitung gebrauchter Anlagen. © FUNKE Foto Services | STEFAN AREND

RU 36 war zuvor als Gießkran im Saarland im Einsatz

Neue Krane wurden bisher bei TKS nach Bedarf geplant und beauftragt. Erstmals setzt der Konzern bei RU 36 auf Kreislaufwirtschaft, hat sich für eine gebrauchte Anlage entschieden. „Es ist ein ehemaliger Gießkran, der im Saarland stand“, erklärt Julia Teichmann, Tochter von Firmengründer Ralf Teichmann und Marketingleiterin des Marktführers für gebrauchte Krane. Rund 300 Anlagen auf dem Firmengelände warten auf Kunden aus ganz Europa.

Von wegen Secondhand: Die Brücken wurden zunächst per Röntgenkontrolle auf mögliche Risse überprüft, sandgestrahlt und frisch lackiert. „Die Elektrik und die Antriebe sind neu, ebenso alle Verschleißteile“, erläutert Julia Teichmann. Die nachhaltige Lösung zahlt sich für TKSE nicht nur in barer Münze aus: „Der Kran kostet nur etwa 60 Prozent vom Neupreis, hat mit nur sechs Monaten seit Bestellung eine deutlich kürzere Lieferzeit“, sagt Projektleiter Otto. Erstmals in seinem zweiten Leben soll RU 63 im Oktober die Muskeln spielen lassen. Dann geht die neue Werkstatt in Betrieb.

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>> STAHLSTANDORT RUHRORT: THYSSENKRUPP, ISPAT, ARCELOR-MITTAL

  • Die Geschichte des Stahlstandorts an der Vohwinkelstraße beginnt 1854 mit vier Hochöfen des Phoenix-Werkes, das 1926 mit den benachbarten Rheinischen Stahlwerken zur Hütte Ruhrort-Meiderich fusioniert. Die Übernahme durch Thyssen erfolgt 1965.
  • Der 1970 dort errichtete Hochofen 6 ist der bis dahin größte Europas. 1993 endet die Roheisen-Erzeugung, fünf Jahre später erfolgt der Verkauf an Ispat, seit 2005 Arcelor-Mittal. Die Werkstatt von TKS, die jetzt neu gebaut wird, blieb jedoch auf dem Werksgelände.
  • Das Roheisen für die Produktion von Walzdraht stammt aus den Hochöfen von Thyssenkrupp Steel im Duisburger Norden, der Liefervertrag endet 2027. Nach der Schließung des Drahtwerks in Hochfeld wurde auch dessen Produktion 2013 nach Ruhrort verlagert.