Duisburg. Nur wenige Läden der Brautmodenmeile bilden junge Menschen aus. Das soll sich ändern. Doch Marxlohs schlechtes Image schreckt viele Bewerber ab.

Die größte Braumodenmeile Europas erfüllt Tausenden jungen Frauen ihre Träume vom perfekten Hochzeitskleid. Künftig sollen sich Jugendliche auch ihre beruflichen Zukunftsträume an der Weseler Straße erfüllen. Dafür setzt sich Nurcan Mert von der Marxloher Modekette Yargiç ein.

Sie betreut die fünf Läden auf der Meile rund ums Pollmannkreuz, die ihr Ehemann als Filialleiter für den Inhaber führt, als Ausbildungsleiterin. Die Eignung dafür hat Nurcan Mert bei der Duisburger Industrie- und Handelskammer (IHK) erworben und sich als Ausbilderin zertifizieren lassen.

Deshalb kommt jetzt bei Yargiç der offizielle Ausbildungsplan zum Einsatz und für Azubis gilt der Tarifvertrag für den Einzelhandel. „Junge Leute brauchen eine Perspektive“, findet Nurcan Mert. „Vielen fehlt eine Vision, sie kommen gar nicht auf die Idee, dass man auf der Brautmodenmeile eine Ausbildung machen kann.“

Ausbildung auf der Brautmodenmeile? Marxlohs mieses Image schreckt viele junge Leute ab

Wie wichtig es ist, dass gerade Jugendliche aus dem Duisburger Norden nicht nur aufs schnelle Geld schauen, sondern sich mit einer Ausbildung echte Zukunftschancen eröffnen, habe Mert in der Stadtverwaltung gelernt. Aktuell gebe es nur wenige Modeläden, die überhaupt ausbilden. Daher hofft die Ausbildungsleiterin, auf der Brautmodenmeile „eine Lawine“ loszutreten. Sie möchte mit gutem Beispiel vorangehen und noch viel mehr Geschäfte ermutigen, mit der IHK zusammenzuarbeiten.

Auch interessant

Doch es gibt ein Problem: der schlechte Ruf von Marxloh. „Wir haben anfangs überhaupt keine Bewerbungen bekommen“, erinnert sich Nurcan Mert. Neben den Verbehalten gegen Marxloh seien solche gegen türkischgeführte Läden hinzugekommen. Letztlich konnte Yargiç zwei junge Mitarbeiter überzeugen, eine Ausbildung zu wagen. „Zeugnisse sehen wir uns nicht an, hier fängt man als unbeschriebenes Blatt an. Jeder bekommt im Gespräch eine Chance“, sagt Mert. Lernbereitschaft, Zuverlässigkeit, ein gepflegtes Äußeres und dass man sich gut artikulieren kann, findet die Ausbildungsleiterin ohnehin wichtiger als Schulnoten.

Azubi möchte andere junge Menschen zu einer Bewerbung ermutigen

Dass Beşir Altuğ jemals Herrenmode verkaufen würde, hätte der 18-Jährige nicht gedacht, als der Hamborner ein Praktikum suchte und bei Barbieren oder Autowerkstätten keinen Platz fand. Doch bei Yargiç konnte er anfangen, blieb dem Geschäft auch danach als Mitarbeiter treu und lernte über sich, dass er es mag, „mit Leuten zu reden und sie zu beraten“. Ein Bürojob ohne Kundenkontakt könne er sich seither nicht mehr vorstellen. Wie sehr er sich freute, als er nach einer Stilberatung seine erste Krawatte verkaufte, werde er nie vergessen.

Inzwischen ist er einer von zwei Auszubildenden bei Yargiç, hat sich auf Herrenmode spezialisiert und bereits einige Stammkunden.

Ausbildungsleiterin Nurcan Mert möchte Azubi Beşir Altuğ nach seinem Abschluss gerne im Betrieb halten: „Wir bauen auf ihn.“
Ausbildungsleiterin Nurcan Mert möchte Azubi Beşir Altuğ nach seinem Abschluss gerne im Betrieb halten: „Wir bauen auf ihn.“ © FUNKE Foto Services | Michael Dahlke

„Meine Eltern sind stolz, dass ich jetzt eigenes Geld verdiene“, sagt der Azubi, der nach der abgeschlossenen Lehre gerne bei Yargiç bleiben würde. Tatsächlich könnte er aber anschließend in ganz Deutschland in Modeläden oder bei Kaufhäusern arbeiten. Auch das sind für ihn und seine Ausbilderin ein wichtiges Argument für eine Ausbildung.

Längst trägt Beşir Altuğ im Privatleben auch Nadelstreifenanzüge oder englische Smokings, kennt die aktuellen Trends fürs Geschäftsleben, den Abiball, eine Hochzeit oder für besondere Silvesterpartys. Die Ausbildung habe sein Selbstbewusstsein ernorm gestärkt, berichtet der Azubi, und auch gute Kleidung könne helfen, sich wohl und selbsticher zu fühlen. Deshalb stören ihn die argwöhnischen oder belustigten Blicke nicht, wenn er sich nach der Arbeit mit Freunden trifft, die lieber Jogginghose oder Blaumann tragen.

Tatsächlich hat er seine Familie und seinen Freundeskreis davon überzeugt, dass schicke Kleidung für ein gutes Auftreten wichtig ist. Den Ruf von Marxloh wird er durch Nadelstreifen und Smoking zwar nicht verbessern, doch Beşir Altuğ möchte andere junge Leute ermutigen, die Weseler Straße für eine Ausbildung in Betracht zu ziehen und sich auf Marxloh einzulassen.

Der Auszubildende Beşir Altuğ  hat auch im Lager alles im Griff.
Der Auszubildende Beşir Altuğ  hat auch im Lager alles im Griff. © FUNKE Foto Services | Michael Dahlke

Tariflohn statt Minijob: Interesse an Zusammenarbeit mit der Handelskammer wächst

Aktuell beschäftigen die Unternehmen der Brautmodenmeile „sehr viele Minijobber“, so der für Marxloh zuständige Citymanager Mehmet Erdoğan von der städtischen Wirtschaftsförderung DBI. Ausbildung ist demnach für viele dortige Unternehmer noch „ein schwieriges Thema“, aber das Interesse daran ist jetzt gewachsen. So hegt Mehmet Erdoğan die Hoffnung, dass viel mehr Unternehmer dem Beispiel von Nurcan Mert folgen und in Zusammenarbeit mit der IHK die Ausbildereignung erwerben und dann tarifgebundene Ausbildungsplätze anbieten.

Allerdings gibt es bereits ausbildungsberechtigte Geschäfte, die ihre Ausbildungsstellen nicht mehr besetzt bekommen oder aktuell wegen Umsatzeinbrüchen keine Azubis einstellen können.

>> Ausbilder brauchen einen Eignungsnachweis – aber es gibt Ausnahmen

  • Die Niederrheinische IHK mit Sitz in Duisburg erfasst nicht gesondert, welche Ausbildungsbetriebe an der Weseler Straße und in der Umgebung Brautmode verkaufen. Es gebe dort aber „einige Betriebe“, die Verkäuferinnen und Verkäufer oder Einzelhandelskauffrauen und -männer ausbilden. „Grundsätzlich müssen alle als Ausbilder oder Ausbilderin benannten Personen die berufs- und arbeitspädagogische Eignung durch eine entsprechende Prüfung nachweisen“, erläutert IHK-Sprecherin Jana Odenthal.
  • In Marxloh gibt es zudem viele reine Familienunternehmen. „Wenn Eltern ihre eigenen Kinder ausbilden, verzichten wir auf den formalen Ausbildereignungsnachweis“, so Jana Odenthal.
  • Durch die Ausbildungsoffensive 2003 ermöglichte die Bundesregierung bis 2008, dass auch Personen ohne Qalifizierungsnachweis ausbilden durften. Dies sollte mehr Ausbildungsplätze schaffen. Wer in dieser Zeit ausgebildet hat, bleibt weiterhin von der Ausbilderprüfung befreit.