Duisburg. Die Duisburger Kriminalpolizei gilt als sehr leistungsstark. Die vielen aufwendigen Fälle zeigen aber auch Schattenseiten. Ermittler berichten.
Die Ermittler der Duisburger Kriminalpolizei gelten als hartnäckig, engagiert und leistungsstark. Ein Beispiel: Die Arbeit der Mordkommission „Schwan“ zu den Messerattacken in der Duisburger Altstadt lobte das Oberlandesgericht Düsseldorf als „herausragend“. Doch all die Erfolge können die Schattenseiten nicht kaschieren. „Wir haben akute Personalprobleme“, sagte zuletzt Kripo-Chef Christian Voßkühler. Noch drastischer drückt es Arno Eich vom Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) aus: „Die Kripo fährt vor die Wand“, warnt der erfahrener Ermittler und Pressesprecher des Duisburger Bezirksverbandes.
Eich und die Erste Vorsitzende Carina Weymanns skizzieren eine komplexe Situation: Immer mehr Fälle landen auf den Schreibtischen, gleichzeitig würden die Ermittlungen immer komplexer. Forensische Beweisführung, digitale Spurensuche, Zeitdruck und noch viele weitere Faktoren machten die Arbeit immer anspruchsvoller. Und in dem Projekt „Kripo der Zukunft“ werden auf Schaubildern noch herausforderndere Szenarien beschrieben.
Auch der psychische Druck sei enorm: Nicht nur Gespräche mit Angehörige würden dafür sorgen, dass vielen Ermittlern ihre Fälle auch weit nach Feierabend noch im Kopf herumspuken.
Duisburger Ermittler spüren die enorme Belastung
Die Folge: „Schon viele junge Kollegen klagen über gesundheitliche Probleme wie Tinnitus, Kopfschmerzen, Migräne …“, zählt Carina Weymanns auf. Und: Die Überstundenkonten laufen über. 64.000 Überstunden wurden nach Angaben des BDK Ende 2022 für die Duisburger Kripo bilanziert. „Wir haben aktuelle Kolleginnen und Kollegen mit vierstelligen Überstundenzahlen“, unterstreicht Weymanns. Rund 300 Kräfte sind für die Kripo Duisburg im Einsatz. „Selbst 50 Beamte mehr würden in der aktuellen Situation nicht helfen“, glaubt Arno Eich.
Die Folge im Arbeitsalltag beschreiben die Gewerkschafter: Die Sachbearbeiter müssten bei der Fallbearbeitung priorisieren. „Noch haben wir in Deutschland eine ordentliche Sicherheitslage. Wenn es so weitergeht, wird sich das aber ändern“, sagt Eich.
Was die Sorgen verschärft: Der Kriminalpolizei in ganz Nordrhein-Westfalen fehlt der Nachwuchs. Das beschäftigt schon seit Jahren die politischen Gremien und auch Innenminister Herbert Reul (CDU). Eine Lösung ist allerdings noch nicht gefunden. Unschön: Zuletzt mussten auch in Duisburg Einsatzkräfte aus dem Wachdienst zur Direktion Kriminalität zwangsversetzt werden. Eine Maßnahme, die auch in anderen Polizeibehörden in NRW ergriffen werden musste.
Personalsorgen bei der Kripo: Probleme begannen in den 1990ern
Woher kommen die Probleme? Innenminister Reul hat nach eigenen Aussagen beobachtet, dass viele junge Leute lieber im Streifenwagen bei der Schutzpolizei sitzen und die geregelten Dienste dort den schlecht zu planenden Belastungsspitzen bei der Kripo vorziehen. „Durch die Nacht- und Wochenendzuschläge im Schichtdienst ist der Job dort auch besser bezahlt“, fügt Carina Weymanns an.
Gleichwohl: Bei den Ermittlungen zu Gewalttaten forschen die Kripo-Beamten ebenfalls Tag und Nacht, kennen in solchen Fällen kein Wochenende. Das oberste Ziel ist es dann, den Täter oder die Täterin schnellstmöglich zu fassen. „Denn das ist die beste Prävention weiterer Taten“, so Arno Eich.
Um ein zweites Kernproblem zu identifizieren, muss man etwas weiter in der Historie zurückgehen. In den 1990ern wurde die spezielle Ausbildung für Kriminalisten abgeschafft. Sie durchlaufen in der heutigen Zeit die gleiche duale Ausbildung wie die Einsatzkräfte in Uniform. Und müssen anschließend auch ihre Erfahrungen im Wachdienst und bei der Einsatzhundertschaft sammeln. „Das schreckt viele einfach ab. Außerdem bereiten die Inhalte die Nachwuchskräfte nicht ausreichend auf die Anforderungen bei uns vor“, ist Arno Eich überzeugt.
Der 60-Jährige und auch Carina Weymanns plädieren für eine Spezialisierung im Studium und die Möglichkeit eines direkten Einstiegs bei der Kripo. Eines ihrer Argumente: In Hessen ist es seit 2006 möglich, den Studiengang Kriminalpolizei direkt zu absolvieren. Die Hälfte der Bewerber dafür komme nach BDK-Angaben aus dem benachbarten Nordrhein-Westfalen. Immerhin: Im Studium wird ab diesem Jahr in NRW der Studienschwerpunkt Ermittlungsdienst angeboten.
Aber: Auch müssten finanzielle Anreize geschaffen und die Ausstattung verbessert werden.
Trotz der geschilderten Probleme werben Weymanns und Eich jedoch glaubhaft für den Job bei der Duisburger Kriminaldirektion: „Die Aufgabe ist unglaublich spannend und abwechslungsreich. Man hat die Möglichkeit, sich zu spezialisieren. Außerdem trifft man auf motivierte Kolleginnen und Kollegen“, berichtet Carina Weymanns.
Diese Argumente bewogen sie auch zur Rückkehr. Denn die 39-Jährige hatte der Kripo in ihrer Laufbahn schon einmal den Rücken gekehrt, nur um nach einem Jahr wieder zurückzukommen.
>>Generationswechsel beim BDK Duisburg
Ende 2023 hat der Bund Deutscher Kriminalbeamter in Duisburg einen Generationswechsel vollzogen und die Kriminalbeamtin Carina Weymanns zur neuen Vorsitzenden gewählt. „Zeitgleich wurde eine bewusste Verjüngung des Vorstands herbeigeführt“, heißt es. So sind auch die Zweite Vorsitzende Jana Lindemann und Geschäftsführerin Julia Tekock neu im Amt.
Der Vorstand wird komplettiert durch Guido Bauersachs (ebenfalls Zweiter Vorsitzender), Maik Klaes (Kassierer), Jochen Keil (stellv. Geschäftsführer) sowie Victoria Cremer, Thorsten Bliß, Willi Bücken und den langjährigen Vorsitzenden Arno Eich, der nun die Aufgabe des Pressesprechers übernommen hat.