Duisburg-Dellviertel/Hochfeld. Das alte Hotel Grunewald fasziniert die Menschen. Ist hier ein Mord passiert? Wer war die Frau, die hier früher lebte? Ein spannender Besuch.

Nadja Kristensen steht vor dem Haus, mit dem sie so viele Erinnerungen verbindet. „Ich habe mir die Villa schon lange nicht mehr bewusst angesehen“, sagt die Duisburgerin. Sie staunt, wie heruntergekommen das Gebäude inzwischen ist. Die Fenster eingeschlagen oder mit Brettern verrammelt, die Tür mit einer Eisenstange gesichert – das alte Hotel Grunewald direkt an der Düsseldorfer Straße ist kein schöner Anblick mehr. Und doch übt es eine besondere Faszination aus.

Denn trotz allem Verfall – das alte Gemäuer erzählt von früherer Pracht, von Partynächten mit illustren Gästen. „Früher muss es hier wunderschön gewesen sein“, sagt Nadja Kristensen. Tatsächlich beschrieben die Besitzer ihre Unterkunft auf einer Visitenkarte als „das komfortable Hotel alter Schule“. Man verfüge über einen „eigenen Parkplatz vor dem Hause“, ein Restaurant sowie „Klub- und Gesellschaftsräume“.

Nadja Kristensen kennt das alte Hotel Grunewald gut. Die Duisburgerin hat die frühere Besitzerin in ihrem Haus gepflegt.
Nadja Kristensen kennt das alte Hotel Grunewald gut. Die Duisburgerin hat die frühere Besitzerin in ihrem Haus gepflegt. © FUNKE Foto Services | Christoph Wojtyczka

Altes Hotel Grunewald: „Früher muss wunderschön gewesen sein“

Nadja Kristensen hat die rauschenden Feste, die hier stattgefunden haben müssen und von denen die Nachbarn bis heute erzählen, nicht erlebt. Aber die 40-Jährige kannte die alte Dame, die bis zu ihrem Tod in der Villa lebte. „Ich habe sie in den Jahren 2008 oder 2009 gepflegt“, erzählt die Altenpflegerin.

Jeden Abend hatte sie pünktlich am Grunewald zu erscheinen. „Sonst kam man nicht mehr rein.“ Denn die Besitzerin, die den Hotelbetrieb erst mit ihrem Mann und später alleine führte, sei „unfassbar misstrauisch“ gewesen. „Man musste mehrere Tage lang eingearbeitet werden, damit sie einen kannte und überhaupt ins Haus ließ.“ Einen Haustürschlüssel habe niemand bekommen, auch der ambulante Pflegedienst nicht.

Alte Möbel mit Stoffbezügen, Holztischchen und Sessel

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„Wir mussten klopfen, dann lünkerte sie durch die Türe und machte leise auf“, erzählt Kristensen. Drinnen habe man der Hausherrin dann dicht auf den Fersen bleiben müssen. „Damit man nicht einfach verschwinden konnte.“

Vorbei ging es an der großen Industrieküche des Hauses, hinein ins Wohnzimmer, das die Dame am Ende bewohnte. Die Einrichtung sei damals noch sehr imposant gewesen. „Alte Möbel gab es mit Stoffbezügen, Holztischchen und Sessel.“

Ähnlich muss es ausgesehen haben, als das Hotel Grunewald noch in Betrieb war. Schon damals, so raunt man in der Nachbarschaft, habe die Besitzerin niemandem einen Schlüssel anvertraut, sondern sei im Nachthemd an der Türe erschienen, wenn es bei einem der Gäste mal später geworden sei.

Die Überreste einer Bar sind noch vorhanden

Immer wieder betreten Unbefugte das Gelände. Drinnen ist eine alte Bar erhalten.
Immer wieder betreten Unbefugte das Gelände. Drinnen ist eine alte Bar erhalten.

Von den alten Möbeln, Teppichen und anderen Einrichtungsgegenständen ist heute nichts mehr übrig. Alles wurde leer geräumt, Kabel aus den Wänden gerissen. Allein in einem der vorderen Zimmer stehen noch die Überreste einer alten Bar.

Auch an den Wänden kleben längst keine edlen Tapeten mehr, stattdessen wurden Graffitis aufgesprüht. Denn immer wieder betreten Unbefugte das Gebäude. „Manchmal sehen wir sie oben auf dem Balkon stehen, die feiern da Partys“, erzählt ein Anwohner, der mit seinem Hund unterwegs ist.

An den Wänden kleben längst keine edlen Tapeten mehr, stattdessen wurden Graffitis aufgespürt.
An den Wänden kleben längst keine edlen Tapeten mehr, stattdessen wurden Graffitis aufgespürt.

Dabei ist es nicht nur verboten, das Haus zu betreten, sondern auch gefährlich. Niemand kann sagen, wann die alten Böden einmal nachgeben, einzelne Gebäudeteile einstürzen, die einst so stolze Villa endgültig verloren ist. Nadja Kristensen blutet bei dem Gedanken das Herz. „Die Besitzerin war gewollt einsam, hatte null Vertrauen in die Menschen.“ Doch wenn man mit ihr über die alten Hotelzeiten gesprochen hätte, da hätten ihre Augen zu leuchten begonnen. „Dann blühte sie auf.“

Lost-Place-Video bei Youtube zeigt die Einrichtung der Villa Grunewald

  • Bei Youtube gibt es ein Video, das die Villa von innen zeigt – mitsamt allen Möbeln und Accessoires von früher. Den Film hat ein sogenannter Urban Explorer (Urbexer) aufgenommen, der, wie er selber schreibt, mit Erlaubnis in dem Gebäude gewesen sei.
  • Zu sehen sind prachtvolle Malereien im Holzrahmen, Skulpturen, edle Holzschränke mit Schnitzereien und Armstühle mit Lederbezug.
  • In seinem Video berichtet Kai P., der genauere Fragen der Redaktion nicht beantworten wollte, von „Gruselgeschichten über einen Mord“, die rund um das alte Gebäude erzählt würden, und über einen Geist, der dort umhergehen solle. So solle immer wieder eine alte Frau im Nachthemd am Fenster gesichtet worden sein.
  • Nadja Kristensen kann das bestätigen: „Die Besitzerin trug immer ein weißes Nachthemd, damit öffnete sie uns Pflegern auch die Türe – das wirkte manchmal schon gruselig.“
  • Einen Mord hat es, so sagt Polizeisprecherin Julia Tekock auf Nachfrage, allerdings in der alten Villa nie gegeben.

Auch Heinz Rühmann soll Gast in der alten Villa Grunewald gewesen sein

  • Gebaut wurde die Villa Grunewald im Jahre 1901. Die Jahreszahl ziert den Fassadengiebel.
  • 1908 befand sich rund um das Hotel das Zentrum der „1. Duisburger Gartenbauausstellung“.
  • Zunächst lebte ein Direktor der Philharmoniker in dem Prachtbau. Später, in den 1920er Jahren, wurde das Haus dann in ein Hotel umfunktioniert. Schauspieler Heinz Rühmann, heißt es, zählte dereinst zu den Gästen.