Duisburg-Dellviertel. Junkie-Treff und Müllhalde: Das ehemalige St. Vincenz-Krankenhaus wird für Anwohner und Händler immer mehr zur Belastung. Was sie wütend macht.

„Früher war es mal so schön im Dellviertel“, sagt Sonya Pulistri. Die 47-jährige Duisburgerin wohnt und arbeitet an der Goldstraße. Tag für Tag erlebt sie, wie sich ihre Nachbarschaft verändert. „Früher gab es hier mal jede Menge Kneipen.“ Richtig nett sei es gewesen. Und heute? „Heute fühle ich mich unwohl, wenn ich abends nach Hause laufe oder mit dem Hund Gassi gehe.“

Tatsächlich verkommt die Gegend rund um das alte St. Vincenz-Hospital immer mehr: Überall liegt Müll, in dem ehemaligen Schwesternwohnheim an der Straße „An der Bleek“ scheinen dauerhaft Obdachlose oder Junkies zu wohnen, das alte Krankenhaus – einst ein Prachtbau mit langer Tradition – rottet seit Jahren vor sich hin.

St. Vincenz-Hospital im Duisburger Dellviertel: „Was hier passiert, ist Wertevernichtung“

Am früheren St. Vincenz-Krankenhaus in Duisburg liegt überall Müll. Die Scheiben der Krankenhaus-Kapelle sind teilweise kaputtgeschlagen.
Am früheren St. Vincenz-Krankenhaus in Duisburg liegt überall Müll. Die Scheiben der Krankenhaus-Kapelle sind teilweise kaputtgeschlagen. © FUNKE Foto Services | Kerstin Bögeholz

„Was hier passiert, ist Wertevernichtung“, meint ein Anwohner, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte. Der 74-Jährige wohnt seit 50 Jahren im Dellviertel. Er besitzt eine Immobilie in direkter Nachbarschaft des ehemaligen Hospitals, wurde hier geboren.

Der Mann sagt: Es werde immer schwieriger, Mieter zu finden. Denn viele Interessenten würden beim Anblick der Müllberge vor der Haustüre zurückschrecken.

Lost Place mitten in der Stadt: „Die Ratten feiern hier Partys“

An vielen Stellen liegen blaue Plastiksäcke, teils prall gefüllt. 
An vielen Stellen liegen blaue Plastiksäcke, teils prall gefüllt.  © FUNKE Foto Services | Kerstin Bögeholz

Der Duisburger zeigt auf Sofagarnituren, Büchsen und anderen Unrat, der vor dem früheren Schwesternwohnheim liegt, auf eine meterhohe Birke, die zwischen den Gehwegplatten wächst, und auf blaue Plastiksäcke, die – teils prall gefüllt – im dichten Gebüsch entsorgt wurden. Der Mann zuckt mit den Achseln. „Die Ratten feiern hier Partys.“

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Von der Stadt fühlt sich der 74-Jährige ebenso im Stich gelassen wie Sonya Pulistri. Die Optikerin hat gerade „Optik Grah“ übernommen, eines der Traditionsgeschäfte, die es noch gibt in der Duisburger Innenstadt. Doch letztens erst hat sie die Polizei rufen müssen, um einen Drogenabhängigen zu verjagen, der im Eingang ihres Ladens saß.

Denn inzwischen halte sich „die gesamte Drogenszene aus dem Kantpark“ rund um die Straße „An der Bleek“ auf, sagt Pulistri. Geschäftsschädigend sei das. „Mit welcher Selbstverständlichkeit die Junkies im Schwesternwohnheim ein und aus gehen!“, regt sich die Duisburgerin auf.

Auch Oberbürgermeister Sören Link habe sie ihr Leid bereits geklagt. „Sehr verständnisvoll“ sei der gewesen. Aber passiert sei bislang nichts. „Wieso schicken die hier nicht regelmäßig Kontrollen vorbei?“, fragt die Optikerin.

Immer wieder werden Türen und Fenster wie hier am alten Krankenhaus aufgebrochen.
Immer wieder werden Türen und Fenster wie hier am alten Krankenhaus aufgebrochen. © FUNKE Foto Services | Kerstin Bögeholz

Mit „die“ ist die Duisburger Stadtverwaltung gemeint. Doch die sagte auf Anfrage: „Bei dem Grundstück des ehemaligen St. Vincenz-Krankenhauses handelt es sich um ein Privatgrundstück. Für die Sicherung des Grundstücks und der Gebäude ist daher grundsätzlich die Eigentümerin zuständig.“

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Tatsächlich gehört das Areal der Fokus Development AG. Der Projektentwickler für innerstädtische Handelsimmobilien sei auch für die Beseitigung wilder Müllkippen auf dem Gelände zuständig. „Wir können lediglich einschreiten, wenn von den Verunreinigungen konkrete Gefahren für die Allgemeinheit ausgehen, also zum Beispiel organische Abfälle, die Ratten anlocken, oder Gegenstände, die Verletzungen verursachen können, wie zerbrochenes Glas“, erklärt Stadtsprecher Sebastian Hiedels.

Auf Nachfrage der Redaktion erläutert Andrej Pomtow, Geschäftsführer der Fokus Development, dass man einen externen Dienstleister „in regelmäßigen Abständen mit der Säuberung des Geländes“ beauftrage. Zudem habe man einen eigenen Sicherheitsdienst im Einsatz. „Die Bestreifung findet täglich bzw. nächtlich zu wechselnden Uhrzeiten statt.“ Vor krimineller Energie seien die Gebäude aber nicht zu schützen: „Wer eindringen will, der wird auch immer einen Weg finden.“

„Neues Wohnen am Dellplatz“ lässt seit Jahren auf sich warten

Die Straße „An der Bleek“ am Dellplatz.
Die Straße „An der Bleek“ am Dellplatz. © FUNKE Foto Services | Kerstin Bögeholz

Für die Anwohner und Geschäftsleute vor Ort ist das ein schwacher Trost. Einer der Nachbarn zitiert aus einem Artikel, der vor Jahren mit der Überschrift „Neues Wohnen am Dellplatz“ als Zeitungsbeilage erschienen ist: „Für den ersten Bauabschnitt, mit dem Mitte 2018 begonnen werden soll, plant Fokus Development drei Stadtvillen zu errichten.“ Er habe damals gedacht, die Gegend werde durch die Neubauten aufgewertet, meint der Anwohner resigniert. „Aber dass hier jahrelang nichts passiert – das ist unmoralisch.“

Lost Place in Duisburg: Ein Toter und mehrere Brände

  • Im alten St. Vincenz-Hospital hat es in den vergangenen Monaten mehrfach gebrannt, zuletzt am 10. März. Ein TikToker hatte die Feuerwehr gerufen und wohl zwei Obdachlosen das Leben gerettet.
  • In dem ehemaligen Schwesternwohnheim an der Straße „An der Bleek“ wurde auch schon ein Toter gefunden.
  • Die Fenster des Wohnheims sind zwar mit Spanplatten verrammelt. Doch an einigen Stellen stehen Fenster offen. Beim Ortsbesuch im März waren von außen Personen erkennbar, die sich offensichtlich in dem Bau eingerichtet hatten.
  • Das Gebäude ist Teil des Bauprojektes St. Vincenz Hospital. Auf dem Gelände sollen Wohnungen entstehen. Doch auf dem Gelände tut sich nichts.
  • Auch der Zustand des ehemaligen Mitarbeiter-Parkplatzes direkt gegenüber des Krankenhauses, der sich ebenfalls im Besitz von Fokus Development befindet, ärgert Passanten und Anwohner (wir berichteten).